Kein Ende in Sicht
Von David Siegmund-Schultze
Bomben, Hunger, Durst, Vertreibung. Seit nunmehr 647 Tagen führt die israelische Armee einen brutalen Krieg gegen die Palästinenser im Gazastreifen. Am Dienstag veröffentlichte das Militär auf X »Evakuierungsbefehle« für 16 Stadtviertel Gazas. Unter der Androhung militärischer Gewalt ordnete es an, dass die Menschen in das Gebiet Mawasi im Süden fliehen sollen.
Nicht nur durch Vertreibungen und die Blockade von Hilfslieferungen greifen Israels Streitkräfte die Lebensgrundlagen der Palästinenser an – angesichts der gezielt herbeigeführten Treibstoffknappheit steht das Gesundheits- und Wassersystem in Gaza vor dem Kollaps. Nach 130 Tagen der Blockade erlaubte die Armee vergangene Woche wieder die Einfuhr von Kraftstoff. Doch die minimalen Mengen seien bei weitem nicht ausreichend, so UN-Organisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme am Sonnabend. »Treibstoff ist das Rückgrat des Überlebens in Gaza«, heißt es darin.
Und täglich tötet die Armee Menschen – ob mit Sniperschüssen, Drohnen oder bis zu 900 Kilogramm schweren Bomben. Am Dienstag waren es 23 Menschen, am Vortag 78, wie die Gesundheitsbehörde Gazas meldete. Am Sonntag hatte das Militär eine Bombe auf Menschen abgeworfen, die an einer Verteilstelle für Wasser Schlange standen. Zehn Menschen wurden getötet, darunter sechs Kinder. Nachdem die Pressestelle der Armee zunächst behauptet hatte, ein Hamas-Kämpfer sei angegriffen worden, hieß es später, ein »technischer Fehler« habe zum Tod der Zivilisten geführt. Seit langem enthüllen Investigativberichte, basierend auf den Aussagen beteiligter Soldaten, dass die Armee gezielt und systematisch Unbewaffnete angreift – ohne jeden militärischen Zweck. Zuletzt erschienen derartige Recherchen bei Haaretz in bezug auf die Massaker an Hungernden in der Nähe von Verteilstellen für Nahrungsmittel und im +972-Magazine mit Blick auf die Nutzung von Billigdrohnen in sogenannten Todeszonen.
Derweil gehen die indirekten Gespräche zwischen der Hamas und Israel zu einer 60tägigen Waffenruhe im Gazakrieg weiter – jedoch ohne Fortschritt. Laut dem israelischen Nachrichtenportal Ynet habe Israels Premier Benjamin Netanjahu US-Präsident Donald Trump überzeugt, ein Ergebnis der Verhandlungen hinauszögern zu dürfen, bis das Parlament am 27. Juli in die Sommerpause geht. Bereits vor der Waffenruhe im Januar hatte Netanjahu angekündigt, diese brechen und den Krieg fortsetzen zu wollen. Und er tat das auch. Wie wenig Verlass auf Waffenruhevereinbarungen mit Israel ist, zeigte sich am Dienstag wieder im Libanon. Die Armee tötete trotz seit November geltender Feuerpause durch Luftangriffe zwölf Menschen, darunter fünf Hisbollah-Kämpfer, wie die Organisation bestätigte.
Nun kündigt Netanjahu wieder an, dass der Gazakrieg nicht beendet werde, auch wenn es eine Waffenruhe gebe. Dem ultrarechten Finanzminister Bezalel Smotrich habe er versprochen, den jüngst verkündeten Vertreibungsplan später umzusetzen, wie der Sender Channel 12 am Montag berichtete. Ob die Hamas sich auf ein Abkommen unter diesen Bedingungen einlassen wird, ist fraglich. Sie fordert US-Garantien für ein Ende des Kriegs.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin Mandl aus Paris (15. Juli 2025 um 22:40 Uhr)Kriegsverbrecher in Lissabon: Der israelische Sniper Dani Adonya Adega hat sich auf seinem Instagram-Konto gerühmt, viele Zivilisten ermordet zu haben, selbst während des Waffenstillstands. Nun kann er ungehindert in Europa reisen; z. Z. in Portugal. https://www.esquerda.net/artigo/criminoso-de-guerra-israelita-passeia-em-lisboa/95528
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