Polizeiskandal in Südafrika
Von Christian Selz, Kapstadt
Als Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Sonntag zu einer Ansprache an die Nation vor die Kameras trat, reagierte der Staats- und Regierungschef auf ein politisches Erdbeben, das den Polizei- und Sicherheitsapparat des Landes schwer erschüttert. Im Rahmen seines nur elfminütigen Auftritts gab Ramaphosa die Suspendierung seines Polizeiministers Senzo Mchunu aufgrund schwerer Korruptionsvorwürfe bekannt, die nun von einer Untersuchungskommission aufgearbeitet werden sollen. Der Präsident demonstriert damit entschlossenes Handeln, doch die Sache hat einen Haken: Auf seinem Schreibtisch verstauben bereits zwei Abschlussberichte unterschiedlicher Kommissionen zu Missständen bei der Polizei.
Die Vorwürfe, die der Polizeichef der Provinz KwaZulu-Natal, Nhlanhla Mkhwanazi, bereits am 6. Juli in einer Pressekonferenz öffentlich machte, enthalten reichlich politischen Sprengstoff. Demnach operiere ein kriminelles Kartell in Südafrika, dessen Verbindungen in den Polizeidienst, das Polizeiministerium, Gefängnisstrukturen, die Justiz, andere Strafverfolgungsbehörden und sogar ins Parlament reichten. Kontrolliert werde das Netzwerk von Drogenhändlern in der Hauptstadtprovinz Gauteng. Dem Polizeiminister Mchunu warf Mkhwanazi zudem vor, Ende vergangenen Jahres eine Sondereinheit zur Aufklärung politisch motivierter Morde aufgelöst zu haben, um so Mitglieder der Bande zu schützen. Von einem Mordverdächtigen soll der Minister zudem den Vorwürfen zufolge Zahlungen erhalten haben. Mchunu hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, zugleich aber die Ermittlungen begrüßt und Kooperation gelobt. Ramaphosa begründete seine verzögerte Reaktion mit seiner Reise zum Gipfeltreffen der BRICS-Staaten, das am 6. und 7. Juli in Brasilien stattgefunden hatte.
Inwieweit Mkhwanazis Anschuldigungen belegbar sind, lässt sich derzeit schwer sagen. Es ist selbstredend kein spezifisch südafrikanisches Phänomen, sondern ein systemisches Problem, dass kriminelle Netzwerke staatliche Strukturen unterwandern, um Ressourcen abzuschöpfen. In Südafrika waren die korrupten Geflechte insbesondere unter Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma allerdings derart stark gediehen, dass wesentliche Ministerien, Staatsbetriebe und Strafverfolgungsbehörden regelrecht gelähmt wurden. Nach dem Ende von Zumas Regierungszeit 2018 hatte eine richterliche Untersuchungskommission den Skandal in jahrelanger Kleinarbeit aufgedeckt. Im Abschlussbericht wurde seinerzeit auch eine Reihe hochrangiger Politiker in Verbindung mit mutmaßlich kriminellen Handlungen gebracht. Die weitere Verfolgung der Bezichtigten durch die chronisch unterfinanzierte Staatsanwaltschaft stockt aber seitdem, manche der Genannten sitzen noch immer für den regierenden African National Congress (ANC) im Parlament oder haben wichtige Parteiämter.
In den vergangenen drei Jahren gab es zudem bereits zwei Untersuchungskommissionen, die sich mit Korruption und systemischen Schwächen im Polizeiapparat befasst und dazu Berichte vorgelegt hatten. Die Dokumente liegen Ramaphosa vor, sie wurden bisher aber weder veröffentlicht noch im politischen Entscheidungsprozess berücksichtigt. Oppositionspolitiker kritisierten daher nun die neuerliche Einsetzung einer Untersuchungskommission als Ablenkungsmanöver und Geldverschwendung, zumal es in Südafrika eine Unabhängige Ermittlungsstelle für Vergehen der Polizei gibt, der es aber an Ressourcen mangelt.
Zumindest interessant ist jedoch die Personalie des neuen Polizeiministers, der Mchunu mindestens während dessen Suspendierungszeit ersetzen soll: Firoz Cachalia, bisher Rechtsprofessor an der Johannesburger Witwatersrand-Universität, war Leiter der jüngsten Polizeiuntersuchungskommission. Der international angesehene Akademiker will und soll die Empfehlungen aus deren Abschlussbericht nun selbst umsetzen.
Ramaphosa bleibt wohl keine andere Wahl, als personelle Konsequenzen in den eigenen Reihen zumindest anzudeuten – insbesondere vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Vorwürfe gegen Mchunu. In jedem Fall hat der Präsident Zeit gewonnen: Die Ergebnisse der nun eingesetzten Kommission werden erst in sechs Monaten erwartet.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Esa Alexander/REUTERS15.03.2025
Unerwartete Chance
- MAJA SMIEJKOWSKA/REUTERS09.11.2024
»Wir haben eine Welt zu gewinnen«
- Europa Press/EUROPA PRESS/dpa26.08.2023
Mit gefälschten Karten
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Waffenruhe, sonst Strafzölle
vom 16.07.2025 -
Kein Ende in Sicht
vom 16.07.2025 -
Geist von Shanghai lebt
vom 16.07.2025 -
USA suchen Anschluss
vom 16.07.2025