Bomben statt Verhandlungen
Von David Siegmund-Schultze
Mit unverminderter Härte führt die israelische Armee ihren genozidalen Krieg im Gazastreifen fort. Mindestens 48 Menschen sind am Montag getötet worden, wie Al-Dschasira unter Berufung auf Quellen aus dem Gesundheitssystem berichtete. Der Fokus der Angriffe lag auf Gaza-Stadt. Am Vortag hatte das Militär neue »Evakuierungsbefehle« für den Osten der Stadt verordnet. In sozialen Netzwerken schrieb sie: »Die Militäroperationen werden eskalieren, sich intensivieren und westlich auf das Stadtzentrum ausdehnen« und forderte die Bewohner zur Flucht nach Al-Mawasi im Süden des Küstenstreifens auf.
Laut Al-Dschasira hatte die Armee am Sonntag 72 Palästinenser getötet, 47 davon in Gaza-Stadt und im Norden Gazas. Dabei wurden demnach vier zu Flüchtlingsunterkünften umfunktionierte Schulen bombardiert. Bereits Anfang Juni enthüllte die britische Tageszeitung The Guardian, basierend auf anonymen Quellen aus Israels Armee, dass die intensivierten Angriffe auf Schulen, in denen Familien Zuflucht suchen, Teil einer gezielten Strategie seien.
Außerdem hat die Armee wieder Hungernde in der Nähe von Verteilungszentren der von Israel eingesetzten Gaza Humanitarian Foundation (GHF) getötet. 13 Hilfesuchende seien am Montag etwa in Khan Junis getötet worden, wie Ärzte des Nasser-Krankenhauses Al-Dschasira mitteilten. Und in Gaza-Stadt seien durch einen Bombenangriff auf ein Lagerhaus für Hilfsgüter zehn Menschen getötet worden. Daran beteiligte Soldaten und Offiziere bestätigten laut einer Recherche der israelischen Tageszeitung Haaretz vom Freitag, was Palästinenser vor Ort seit Beginn der Arbeit der GHF Ende Mai berichten: Die Armee verübt fast täglich Massaker an Zivilisten, die versuchen, an die wenigen Lebensmittel der Verteilzentren zu gelangen; obwohl diese – entgegen der offiziellen Darstellung des Militärs – keinerlei Gefahr für die Soldaten darstellen.
Dass das Schießen auf unbewaffnete Hungernde zur normalisierten Praxis geworden ist, hatte Premierminister Benjamin Netanjahu nach der Veröffentlichung einer Haaretz-Recherche am Freitag zurückgewiesen und als »blood libel« (antisemitische Verleumdung, jW) bezeichnet. Am Sonntag sagte das Militär gegenüber der Zeitung, man habe einzelne »Vorfälle« analysiert, daraus die »Lehren gezogen« und an die Truppen weitergegeben.
Derweil nimmt die Versorgungskrise immer dramatischere Züge an. Hunderte Neugeborene in Brutkästen im Nasser-Krankenhaus seien vom Tod bedroht, weil die Säuglingsmilch ausgegangen sei. Das geht aus einer Stellungnahme des UN-Bevölkerungsfonds vom Sonntag hervor. Die Armee blockiere seit Monaten die Einfuhr von Babynahrung. Laut der lokalen Gesundheitsbehörde seien am Sonntag bereits zwei Säuglinge wegen Mangelernährung gestorben. Mindestens 60.000 Kinder leiden unter akuter Mangelernährung, so der Sprecher des Aksa-Krankenhauses Khalil Al-Dakran am Montag.
Netanjahu will den Krieg in Gaza fortführen, bis die Hamas »besiegt« sei. Anfang Mai hatte er zudem das Ziel ausgerufen, den Küstenstreifen zu besetzen und seine Bevölkerung zu vertreiben. Dessen ungeachtet sagte US-Präsident Donald Trump am Sonntag, er sei mit »Beteiligten« bezüglich einer Waffenruhe im Gespräch. »Ich denke, wir sind nah dran«, so Trump. Schon diese Woche könne eine Einigung erzielt werden. Dem Hamas-Vertreter Mahmoud Mardawi zufolge hat die Organisation jedoch keinen Vorschlag von den USA oder Zwischenhändlern erhalten. Während Netanjahu darauf bestehe, den Krieg weiterzuführen, poche die Hamas auf Garantien für sein Ende, so Mardawi in einem Al-Dschasira-Interview. Die israelische Forderung nach einer Niederlegung der Waffen wies er zurück: »Wenn ein unabhängiger palästinensischer Staat auf unserem Land gegründet wird, dann wird dieser Staat entscheiden, was mit den Waffen geschieht.« Dazu, die politische Macht im Nachkriegsgaza aufzugeben, hatte sich die Hamas bereits vor Monaten bereit erklärt.
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