Gegründet 1947 Sa. / So., 12. / 13. Juli 2025, Nr. 159
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 11.07.2025, Seite 7 / Ausland
Libyen

Besuch aus Brüssel unerwünscht

Libyen: Behörden in Bengasi durchkreuzen Gespräche zu Migration und schieben EU-Delegation ab
Von Gerhard Feldbauer
imago825062027.jpg
Der Hölle entkommen: Geflüchtete aus Libyen nach ihrer Ankunft in Lavrio bei Athen (ohne Datum)

Während sich Italiens faschistische Ministerpräsidentin Meloni als Initiatorin der am Donnerstag in Rom begonnenen Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine feiern lässt, steht das Scheitern ihrer Migrationsabwehr in Libyen im Blickpunkt der Medien. Anlass ist, dass am Dienstag einer hochrangigen EU-Delegation, die das Thema Migration behandeln sollte, am Flughafen von Bengasi in der Ostregion Libyens die Einreise verweigert wurde. Neben EU-Innenkommissar Magnus Brunner gehörten ihr auch der italienische Innenminister Matteo Piantedosi sowie der griechische Migrationsminister Atha­nasios Plevris an. Athen war an dem Treffen besonders interessiert, weil bis Ende Juni insgesamt 16.848 Migranten per Boot in Griechenland ankamen. Allein auf Kreta wurden 7.135 Ankünfte registriert, womit nach Angaben des für die Küstenwache zuständigen Ministers Vassilis Kikilias die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 350 Prozent angestiegen ist.

Doch die Teilnehmer der Delegation wurden zu unerwünschten Personen erklärt und zur sofortigen Ausreise aufgefordert. Vorangegangen war dem diplomatischen Eklat ein Besuch in Tripolis, nominell die Hauptstadt des durch Krieg und Bürgerkrieg gespaltenen Landes. Dort hatten die Teilnehmer mit Premierminister Abd Al-Hamid Dbeiba sowie mehreren Ministern, wie das Wirtschaftsblatt Il Sole 24 Ore berichtete, beraten. Dbeiba habe als Premier der international anerkannten Regierung einen Plan zur Eindämmung sogenannter illegaler Migration nach Europa vorgestellt und angekündigt, »eine große nationale Kampagne zur Bekämpfung des Menschenhandels« zu starten. Brunner lobte die Gespräche in Tripolis am Dienstag auf X als gelungene »Basis für eine vertiefte Zusammenarbeit«. Nach dem Treffen in Tripolis war die hochrangige Delegation nach Bengasi weitergereist. Dort wollte sie auch mit der rivalisierenden ostlibyschen Regierung unter Osama Hamada Gespräche führen, die mit dem General und Warlord Khalifa Haftar verbündet ist.

Libyen ist seit dem Sturz Muammar Al-Ghaddafis im Jahr 2011, an dem Italien aktiv teilgenommen hatte, ein zentraler Transitstaat für alle Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa fliehen. Seit 2014 befindet sich das Land jedoch im Bürgerkrieg rivalisierender Gruppen und ist politisch und territorial zerrissen. Nach dem Ausfall der Öl- und Gaslieferungen aus Russland spielt die frühere italienische Kolonie eine wichtige Rolle in der Energieversorgung Italiens. Um ihre Politik der Ressourcenausbeutung, verbunden mit der Abwehr von Asylsuchenden, positiv darzustellen, hatte Meloni im Januar 2023 unter dem Namen Enrico Matteis einen Plan zur verstärkten Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas verkündet, den »Piano Mattei«. Der erste Präsident des Energiekonzerns ENI war seinerzeit für eine von den USA unabhängige Energieversorgung auf der Basis einer gleichberechtigten Zusammenarbeit mit den afrikanischen Energielieferanten eingetreten – weshalb ihn die CIA durch einen »Gladio«-Agenten am 27. Oktober 1962 durch den Absturz seines Privatflugzeuges umbrachte.

Zum Hintergrund der Affäre in Bengasi gehört auch, dass im Februar des Jahres der libysche Polizeichef Osama Al-Masri, der beschuldigt wird, Insassen in von ihm eingerichteten Lagern gefoltert zu haben, in Italien festgenommen wurde. Obwohl er von der Meloni-Regierung sofort freigelassen und nach Libyen in Sicherheit gebracht wurde, steht Rom wegen der Festnahme in Libyen weiter in der Kritik. In Italien wird Meloni umgekehrt vorgeworfen, den mutmaßlichen Menschenrechtsverbrecher nicht vor Gericht gebracht zu haben. Innenminister Carlo Nordio von Melonis faschistischer Partei Brüder Italiens (FdI) wies jedoch laut ANSA vom Donnerstag erneut alle Anschuldigungen zurück und kündigte an, »dem Parlament zu gegebener Zeit zu dem Fall Bericht zu erstatten«.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Manövrierunfähig in libyschen Gewässern: Schiffbrüchige werden v...
    06.02.2025

    Erinnerung an Namenlose

    Migration: Städte begehen Gedenktag für die Opfer von Flucht und repressiver Asylpolitik
  • Nach den »Hera«-Operationen ging die Zahl der afrikanischen Flüc...
    22.03.2010

    Zivil-militärische Abschottungsagentur

    Hintergrund. »Frontex kills!« – »Frontex tötet!« So lautete ein Transparent, das im August letzten Jahres Flüchtlingsaktivisten an die Reling eines auslaufenden Fährschiffs in Griechenland gehängt hatten. Der Ausbau der Festung Europa schreitet voran

Mehr aus: Ausland