Eine Frage der »Bündnisfähigkeit«
Von Henning von Stoltzenberg
Am Dienstag urteilt das Bundesverfassungsgericht über eine seit Jahren anhängige Klage gegen Drohneneinsätze der US-Streitkräfte, die über den Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein abgewickelt werden. Die zwei Kläger aus dem Jemen werfen der Bundesregierung in ihrer Verfassungsbeschwerde vor, die Tötung von Zivilisten nicht zu unterbinden. Entschieden werden soll also über die Frage, ob die Bundesregierung die Einsätze unzureichend kontrolliert und völkerrechtliche Schutzpflichten verletzt, weil bei diesen Einsätzen immer wieder zivile Opfer zu beklagen sind. Eine Rolle spielt dabei die Frage, ob die Bundesrepublik mitverantwortlich für Völkerrechtsverstöße anderer Staaten im Ausland sein kann, wenn diese einen Stützpunkt in Deutschland unterhalten, und somit in solchen Fällen zum Schutz von Ausländern im Ausland eingreifen müsste.
Festgestellt werden muss in dem Zusammenhang ein Bezug zum deutschen Staatsgebiet. Nicht ausgeschlossen ist also, dass das ganze Verfahren damit vom Tisch gewischt wird, dass dieser Bezug bei einer reinen Datenübertragung als nicht gegeben oder als nicht eng genug betrachtet wird.
Die beiden Kläger erlebten einen Drohnenangriff, der mehrere Todesopfer forderte, in ihrem Heimatort im Jemen mit. Sie sehen ihr Grundrecht auf Leben verletzt und wollen erreichen, dass Deutschland sie vor Drohnenangriffen schützt, nachforscht und gegebenenfalls bei den USA auf die Einhaltung des Völkerrechts drängt. In der Vergangenheit hatten Verwaltungsgerichte unterschiedliche Urteile dazu gefällt. Während das Oberverwaltungsgericht Münster den Klägern im Jahr 2019 recht gab, wies das Bundesverwaltungsgericht die Klagen ab. Dagegen legten die Kläger Verfassungsbeschwerde ein.
Die Bundesregierung weist die Vorwürfe erwartungsgemäß zurück. Die US-Drohnen würden nicht von Deutschland aus gestartet, gesteuert oder befehligt, so die Argumentation. Vielmehr würden über eine Satellitenrelaisstation in Ramstein entsprechende Daten zur Fernsteuerung der Drohnen geliefert. Außerdem habe man wiederholt die Versicherung eingeholt, dass die US-Streitkräfte geltendes Recht einhielten. Die Bundesregierung sei mit den USA in einem »fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog« hinsichtlich der Nutzung von Ramstein.
Berlin lehnt es ausdrücklich ab, weitere Maßnahmen zu ergreifen, und begründet dies mit Sicherheitsbedenken. Müsste sie bei Verbündeten wegen deren Verhalten im Ausland intervenieren, würde das die »Bündnisfähigkeit« Deutschlands nachhaltig belasten, erklärte ihr Vertreter bei der Verhandlung in Karlsruhe im Dezember. Die »Sicherheit Deutschlands« hänge maßgeblich von der Zusammenarbeit in NATO und EU ab.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 17. Dezember vergangenen Jahres über den Fall verhandelt. Am Dienstag wird Vizepräsidentin Doris König nun das lange erwartete Urteil verkünden. König bleibt übrigens nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe weiter im Amt, nachdem die Wahl eines Nachfolgers am Freitag im Bundestag verschoben worden war. Regulär hätte ihre Amtszeit im Juni mit Erreichen der Altersgrenze von 68 Jahren geendet. Sie bleibt nun bis zur erfolgreichen Wahl eines Nachfolgers im Amt.
Menschenrechtsorganisationen wie das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) mit Sitz in Berlin fordern die Bundesregierung seit Jahren auf, rechtliche und politische Verantwortung für den US-Drohnenkrieg im Jemen zu übernehmen und die Nutzung der US-Militärbasis Ramstein hierfür zu unterbinden. Denn ohne die Datenübertragung seien die Drohnenangriffe der USA in Pakistan, Afghanistan, Jemen und Somalia in dieser Form gar nicht möglich gewesen. Über Ramstein würden Daten zu den Drohnen geleitet, und ein Teil des Einsatzstabes würde dort Echtzeitbilder auswerten und die Piloten direkt unterstützen.
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