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Aus: Ausgabe vom 14.07.2025, Seite 5 / Inland
Industriepolitik

Bayer wickelt ab

Leverkusener Agrochemieriese schließt Standort in Frankfurt am Main. Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie stimmt zu
Von Jan Pehrke
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Dürfte bald nur noch eine produktionsfreie, industrielle Schaustelle sein (Frankfurt am Main, 6.5.2013)

Die Ansage war deutlich: »Wir werden den Standort nicht aufgeben, und wir werden kämpfen für die Rechte der Kolleginnen und Kollegen«, hatte die Bayer-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Heike Hausfeld unmittelbar nach Bekanntgabe der Schließungspläne des Leverkusener Multis am 12. Mai erklärt. Am 1. Juli gingen dann noch einmal rund 400 Beschäftigte für den Erhalt der Agrochemieniederlassung in Frankfurt am Main auf die Straße. Aber schließlich knickte die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ein, berichtete die Frankfurter Rundschau am Freitag. Gegen die Zusicherung einer Bestandsgarantie für alle anderen deutschen Werke bis 2030 sowie Unterstützungsmaßnahmen für die Betroffenen stimmte sie der Abwicklung zu. »Uns geht es darum, faire, sichere und tragfähige Perspektiven für alle zu schaffen – und das ist uns mit den Eckpunkten zur gemeinsamen Erklärung gelungen«, erklärte der Hauptvorstand der IG BCE.

So kommt es dann in Frankfurt zu »sozialverträglichen Personalanpassungen«, hieß es aus der Bayer-Zentrale, in der Größenordnung von 500 Stellen sowie zur Vernichtung von 200 Arbeitsplätzen in Dormagen. Der Konzern macht für die »Optimierung des Produktionsnetzwerks« und die »Straffung des Produktportfolios« hauptsächlich die wachsende Konkurrenz durch billigere Ackergifte aus China verantwortlich. »In den vergangenen Jahren haben Hersteller von Pflanzenschutzmittelgenerika (Nachahmerprodukte nach Ablauf der Patentfrist, jW) in Asien große Überkapazitäten aufgebaut. Sie drängen mit bleibenden Niedrigstpreisen in den Markt, die teilweise unter den Herstellungskosten von Pflanzenschutzmitteln in Europa liegen«, sagte jüngst Bayer-Chef Bill Anderson. Überdies führte er die gestiegenen regulatorischen Ansprüche bei der Genehmigung neuer Mittel und das härtere Vorgehen gegen gesundheitsschädliche alte Mittel als Gründe für den Schritt an.

Dabei bilden Frankfurt und Dormagen nur den Auftakt eines umfassenden Rationalisierungsprogramms. Im Zuge der Vorstellung der Geschäftszahlen für das erste Quartal präsentierte der Global Player seinen Investoren einen Fünfjahresplan, der bis zum Jahr 2030 für 3,5 Milliarden Euro mehr Umsatz und 1,5 Milliarden Euro mehr Gewinn mit Glyphosat und Co. sorgen soll.

Im Pestizidbereich rechnet er mittelfristig nicht mit einem Nachlassen des Preisdrucks. Darum beabsichtigt der Agroriese jetzt, statt Massenware mehr innovative Produkte herzustellen: »Innovation ist der Schlüssel.« Das Kürzungspotential durch die damit verbundenen Deinvestitionen bezifferte der Bayer-Boss auf bis 500 Millionen Euro.

Konkurrenten wie Syngenta oder BASF stehen vor ähnlichen Problemen. BASF machte bereits 2024 ein Werk im Frankfurter Industriepark dicht und visiert für seinen Agrarsektor einen Börsengang an. Die »Coordination gegen Bayer-Gefahren« (CBG) sieht trotzdem aber auch den Bayer-Vorstand selbst in der Verantwortung. Nach Ansicht der konzernkritischen Initiative aus Düsseldorf hat der Agroriese viel zu sehr auf den von der Weltgesundheitsorganisation als »wahrscheinlich krebserregend« eingestuften Milliardenseller Glyphosat gebaut. Darüber vernachlässigte er die Forschung nach anderen, womöglich sogar weniger gefährlichen Wirkstoffen, die nach gelungener Markteinführung aufgrund des Patentschutzes Gewinngaranten gewesen wären. Statt dessen floss ein Großteil des Geldes der Agrarsparte in die neue und die alte Gentechnik. »Wie immer bei Bayer müssen die Beschäftigten für Managementfehler büßen«, resümiert die CBG.

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