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Aus: Ausgabe vom 12.07.2025, Seite 7 / Ausland
Iran

Teheran will reden

Iran betont Dialogbereitschaft trotz Fatwas gegen Trump und Netanjahu
Von Knut Mellenthin
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War nach eigenem Bekunden ebenfalls Ziel eines israelischen Mordanschlags: Irans Präsident Peseschkian (Teheran, 15.6.2025)

Nach den israelisch-US-amerikanischen Angriffen auf Iran zeigt sich die Regierung in Teheran diplomatisch und publizistisch bewusst aktiv. Nicht einmal ein Treffen zwischen Außenminister Abbas Araghtschi und dem Sonderbeauftragten des US-Präsidenten, Steve Witkoff, das nach unbestätigten Gerüchten in der kommenden Woche in Oslo stattfinden soll, scheint ausgeschlossen. Die zurückliegende Woche begann mit einem Interview von Präsident Massud Peseschkian, das Tucker Carlson führte und das am Montag ausgestrahlt wurde. Der frühere Fox News-Moderator kritisiert Donald Trumps Iran- und Israel-Politik vom Standpunkt des »America First« aus.

Am Dienstag folgte ein Gastbeitrag Araghtschis in der Financial Times und am Donnerstag ein Interview in der Le Monde. Araghtschi stellt darin klar, dass Iran derzeit nicht die Absicht hat, den Atomwaffensperrvertrag (NPT) zu verlassen. Im Juni waren Falschmeldungen aufgetaucht, das Parlament habe den Austritt bereits beschlossen. Das wäre im Sinn der Regierungsstrategie kontraproduktiv, denn mit dem NPT begründet die Islamische Republik nicht nur ihr Recht auf die Anreicherung von Uran, sondern beansprucht auch Sicherheit vor Angriffen auf ihr ziviles Nuklearprogramm.

Zur Frage, ob Verhandlungen in den kommenden Tagen geplant seien, antwortete Araghtschi der Le Monde, über einige freundliche Länder oder Vermittler sei »diplomatischer Austausch« im Gange. Das Diskussionsformat könne sich den Bedingungen entsprechend ändern, aber Dialog habe immer im Zentrum der iranischen Außenpolitik gestanden, und das bleibe auch so. Voraussetzung dafür sei aber, dass die USA Garantien gegen Angriffe während künftiger Verhandlungen bieten, sich zum »gegenseitigen Respekt« verpflichten und »Fehler zugeben«. In seinem Gastbeitrag für die Financial Times schrieb Araghtschi, ohne jedoch konkret zu werden, Witkoff und er hätten in nur fünf Treffen während neun Wochen – seit dem 12. April – mehr erreicht, als ihm in vier Jahren Verhandlungen mit der »gescheiterten Biden-Administration« gelungen sei. »Wir waren an der Schwelle zum Durchbruch.« Nur 48 Stunden vor einem wichtigen sechsten Treffen habe Israel seinen »unprovozierten« Angriff begonnen, »tiefgehenden Verrat an der Diplomatie begangen« und gezeigt, dass ihm Konflikt lieber sei als Lösungen.

Der demonstrativ maßvollen Strategie der von Peseschkian geführten Regierung widersprechen jedoch öffentliche Aufrufe zur »Hinrichtung« von Trump und Israels Premier Benjamin Netanjahu. Irans Medien berichteten am Mittwoch, eine Gruppe von 100 muslimischen Gelehrten und Intellektuellen aus der ganzen Welt, Vertreter beider Hauptrichtungen des Islams, darunter zehn staatlich ernannte iranische Geistliche, habe die beiden Politiker zu »Feinden, die Krieg gegen Gott und seinen Propheten führen« und zu »Verderbern auf Erden« erklärt. Darauf steht nach der im Iran geltenden Auslegung des islamischen Rechts die Todesstrafe, die jeder Gläubige vollstrecken darf.

Die iranische Regierung weist den Verdacht zurück, mit solchen Aufrufen in Verbindung zu stehen. Im Interview mit Carlson behauptete Peseschkian, diese und ähnliche Stellungnahmen seien nicht gegen den US-Präsidenten oder eine andere Person gerichtet und sie implizierten weder Tötungen noch Drohungen. Ihm widersprach am Mittwoch der Chefredakteur der ultrakonservativen Tageszeitung Kayhan: »Ihre Information ist fehlerhaft und ungenau. Individuen wie Trump, Netanjahu und einige andere US-Offizielle fallen unter diese Regelung, und ihre Strafe ist Hinrichtung.«

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