Mies wie Amazon
Von Gudrun Giese
Zalando ist zwar ein europäischer Versandhändler von Schuhen und Textilien, orientiert sich im Umgang mit Beschäftigtenrechten allerdings stark am US-Logistikkonzern Amazon. In dieser Woche haben Beschäftigte an den Logistikstandorten in Mönchengladbach und Erfurt deshalb für faire Arbeitsbedingungen und tarifliche Absicherung gestreikt.
Vor einem Jahr gab es bereits die ersten Arbeitskämpfe, zu denen Verdi aufgerufen hatte, ebenfalls im Frühjahr. Anlässlich des Jahrestages der ersten Streiks versammelten sich Dienstag und Mittwoch Teile der Belegschaft an den beiden Standorten, um ihre Forderungen zu untermauern. Für Mönchengladbach will die Gewerkschaft den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages auf der Grundlage des Flächentarifvertrages für den Einzel- und Versandhandel in Nordrhein-Westfalen erreichen. Für Erfurt gilt analog die Forderung nach einem solchen Tarifvertrag, der sich an den entsprechenden Regelungen in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen orientiert. Zalando hat bisher Verhandlungen verweigert.
»Dass das Unternehmen nach einem Jahr Streik nicht einmal Gesprächsbereitschaft zeigt, ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten«, erklärte Guido Meinberger, der für Zalando Mönchengladbach zuständige Gewerkschaftssekretär. Den rund 1.800 hier beschäftigten Menschen tarifliche Absicherung zu verwehren, zeuge von fehlendem Respekt. Zugleich erwarte die Geschäftsleitung kontinuierliche Leistung. Inzwischen gebe es dank der Streiks zwar kleine Verbesserungen, doch die Beschäftigten erwarteten Rechtssicherheit, die nur ein Tarifvertrag biete, so Meinberger. Erfolgreich durchgesetzt wurde die Erhöhung der Zahl der Urlaubstage für neue Angestellte im ersten Jahr auf 27, ab diesem Jahr auf bis zu 30 Tage. Das Entgelt wurde zuletzt um 7,6 Prozent erhöht, liegt allerdings immer noch um etwa vier Euro pro Stunde unter dem Tarifniveau. Außerdem beträgt die Wochenarbeitszeit am Standort Mönchengladbach 40 Stunden, während tariflich lediglich 37,5 Stunden vorgesehen sind. »Unsere Streiks zeigen Wirkung, aber das Ziel ist noch nicht erreicht«, so der Verdi-Sekretär. Erreicht werden müssten nicht nur Einzelverbesserungen, »sondern echte Sicherheit und Respekt im Arbeitsalltag«.
Bei Zalando Erfurt gab es im April und Mai erstmals Streiks in der zwölfjährigen Geschichte dieses Standortes. Da auch hier bislang keine Bewegung auf Seiten des Unternehmens hin zu Verhandlungen erkennbar gewesen sei, so teilte Verdi in Thüringen mit, sei der nächste Arbeitskampf mit Beginn der Frühschicht am Dienstag gestartet worden. Der Abstand zu den Tarifentgelten ist bei Zalando Erfurt noch größer als in Mönchengladbach: Sie liegen für Lagerbeschäftigte um etwa 15 Prozent unter dem Niveau des Flächentarifvertrages für den Einzel- und Versandhandel in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Hinzu kämen bei Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages höhere Zuschläge, kürzere Wochenarbeitszeiten, tarifliche Altersvorsorge und weitere Verbesserungen, so Verdi.
»Mehr als 500 Millionen Euro Konzerngewinn haben die Beschäftigten im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschaftet«, sagte Matthias Adorf, zuständiger Gewerkschaftssekretär bei Verdi Thüringen. Anfang dieses Jahres habe das Unternehmen 1,1 Milliarden Euro übrig gehabt, um den Konkurrenten »About You« zu kaufen. »Es läuft gut für Zalando. Nur für die Beschäftigten nicht«, so Adorf weiter. Offenkundig orientiere sich das Unternehmen im Umgang mit Gewerkschaften an der Strategie US-amerikanischer Großkonzerne wie etwa Amazon. Auch beim 2008 in Berlin von zwei Freunden mit Investorenkapital der Samwer-Brüder gegründeten Zalando sollen Gewerkschaften möglichst aus dem Betrieb und der Lohnfindung herausgehalten werden. Die Arbeit in den Versandlagern werde dabei möglichst schlecht bezahlt; im Verwaltungsbereich bestehe »eine flexible Lohngestaltung nach dem Nasenprinzip«, kritisiert der Verdi-Sekretär. »Dieser allgemeinen Willkür setzen wir das Prinzip der Solidarität und Tarifgerechtigkeit entgegen.«
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