Aus die Maus
Von Pierre Deason-Tomory
In den Hallen der ARD-Paläste geht der Gevatter um. Sollten die Bundesländer den Reformstaatsvertrag rechtzeitig ratifizieren, werden die neun Anstalten ab 1. Dezember eine Reihe Radiosender abschalten oder zusammenlegen. In diesen Tagen entscheiden die Gremien, wen es treffen soll. Die Deutsche Presseagentur hat reihum nach den Todeskandidaten gefragt, und diese Kill Bill beginnt in Hessen: Der HR will seinen Jugendsender You FM mit Das Ding vom SWR und Unserding vom SR fusionieren. Offen ist, wie sie den Drilling taufen werden. Unserdudasding? Vielleicht Waddehaddedudelda. Außerdem soll HR Info mit SWR Aktuell zusammengehen.
Der Mitteldeutsche Rundfunk schaltet mit MDR Klassik, MDR Schlagerwelt und MDR Tweens drei UKW-Programme ab. So wie der Norddeutsche Rundfunk, hier müssen NDR Info Spezial, NDR Schlager und NDR Blue dran glauben. Das plant der Westdeutsche Rundfunk: WDR Maus und WDR Event kommen ins Internet und die »Profile« der Sender 1Live, 1Live Diggi und Cosmo »sollen geschärft und aufeinander abgestimmt« werden. Wird also ein Zwitter aus Jugend- und Ausländerkanal, könnte man 1-Live-Cosmo-Digga nennen. Keine Abschaltungen sind bei Radio Bremen geplant, und beim Bayerischen Rundfunk hieß es: Nix gwiss woas ma ned. Offenbar hat noch nicht geurteilt seine Durchlaucht der Kebabkönig, wer zu begnadigen und wer zu verhackstücken sei.
Und während Markus Blödebart noch grübelt, schalten wir nach Dayton in Tennessee, dort wurde einem Dorfschullehrer der »Affenprozess« gemacht, weil er die Evolutionslehre unterrichtet hat. So geschehen im Juli 1925; in der neuen Ausgabe der »Dimensionen« sorgen sich Juristen darüber, dass derlei in den USA (immer) wieder möglich ist (Di., 19.05 Uhr, Ö 1). Das »Zeitfragen-Feature« erinnert an »Vergessene Pionierinnen« der migrantischen BRD-Frauenbewegung (Mi., 19.30 Uhr,DLF Kultur). Kunst, barrierefrei nicht nur dargeboten, sondern erschaffen, macht das Kollektiv »Inoperabilities«, genauer: »Inklusives Musiktheater«, zu hören in der »Passage« (Fr., 20 Uhr, SRF 2 Kultur).
Die Aufnahme »Hildegard Knef – Das letzte Konzert in Berlin« wurde vor 30 Jahren im Haus des Rundfunks gemacht, begleitet wurde die Knef an diesem 5. März 1995 von der RIAS Big Band (Fr., 20.05 Uhr, Radio 3). Ultranationale Auslandsdeutsche haben die Kollegen der »Gesichter Europas« in Ungarn aufgesucht, in »Orbans Paradies« (Sa., 11.05 Uhr, DLF). Der junge Credibil aka Erol Peker, ein, wie der Name schon andeutet, ganz normaler Andersdeutscher, rappt im »Kunstpalast«-Hörspiel als entnervter Frankfurter Taxifahrer »Nie wieder Bahnhof« (WDR 2018, Sa., 19.04 Uhr, WDR 3).
Frankfurt? Da kommt der große Sohn der Stadt Weimar her, Dschäi-Dabbelju Goethe, der den »Faust« gerhymed hat. Charles Gounods Opernfassung des Werkes läuft am Samstagabend, aufgezeichnet im Juni in der Royal Opera London (19.05 Uhr, DLF Kultur). Zur Stärkung der nationalen Kriegsuntüchtigkeit hat Rolf Cantzen das Buch »Deserteure« verfasst, in »Fragen an den Autor« wird er »Die Geschichte von Gewissen, Widerstand und Flucht« erzählen (So., 9.04 Uhr, SR Kultur).
Zum Ende zwei Zeitreisen in die französische Literatur: Zum 80. Todestag von Emmanuel Bove bringt SWR Kultur dessen Romandebüt als Hörspiel, »Meine Freunde«, übersetzt von Peter Handke (SDR 1984, So., 18.20 Uhr). Und ab Montag lesen Sandra Hüller und Matthias Brandt Erinnerungen vor, von denen ein paar Pariser Figuren besucht werden »Im Café der verlorenen Jugend (1/8)«, einem Roman von Patrick Modiano (8.30 Uhr, NDR Kultur).
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