Gegründet 1947 Sa. / So., 05. / 6. Juli 2025, Nr. 153
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Aus: Ausgabe vom 05.07.2025, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Bildreportage

Im Bombenhagel

Zeugnis abgelegt in Wort und Bild: Erinnerungen eines Korrespondenten für die DDR im Vietnamkrieg
Von Gerhard Feldbauer
37-Millimeter-Flak-Stellung bei Vinh, etwa 300 Kilometer südlich von Hanoi. Im Februar 1968 war Vinh eine der 27 Städte in Nordvietnam, die durch die USA nahezu komplett zerstört wurden
Genossenschaftsbauern bringen die zweite Reisernte des Jahres ein, hier in der Gemeinde Chinh Nghia in der Deltaprovinz Hung Yen
Am 6. März 1968 warf die US-Luftwaffe 18 Sprengbomben über dem Hanoier Stadtbezirk Hai Ba Trung ab und zerstörte 15 Wohnhäuser. Unter den Todesopfern waren auch die dreijährige Trung Thi Quang (vorne rechts ihr Kinderwagen) und ihre Mutter Trung Thi Son
Aus Hanoi in die Berge evakuierte Kinder, die zum Schutz vor Kugelbomben harte Strohhüte tragen (Oktober 1967)
Genossenschaftsbauern bringen die zweite Reisernte des Jahres ein, hier in der Gemeinde Chinh Nghia in der Deltaprovinz Hung Yen
500.000 Tonnen Bomben in vier Jahren: In der 800 Quadratkilometer großen Spezialzone Vinh Linh am Ben Hai werden die Überreste entsorgt (Januar 1970)
Drei gefangene US-Piloten werden am 16. Februar 1968 freigelassen (v. l. n. r.: Leutnant David Paul Matheny, Hauptmann John David Black und Major Norris Miller Overly)
Die 72jährige Nguyen Thi Hien wurde von etwa 20 Stahlgeschossen einer US-Kugelbombe im Magen-Darm-Bereich getroffen (Oktober 1967)
Unterricht in unterirdischen Bunkern am Ben Hai
Irene und Gerhard Feldbauer bei ihrer Arbeit im April 1968 bei Vinh
Fassungslos stehen diese Kinder an dem Bombentrichter, der sich dort befindet, wo einst ihre Hütte stand (Ben Hai, April 1968)

Von 1967 bis 1970 arbeiteten meine Frau Irene als Fotoreporterin und ich als Wortberichterstatter für die Nachrichten- und Bildagentur der DDR ADN und für das Neue Deutschland in der Demokratischen Republik Vietnam. Davon zeugen Hunderte von Fotos für den ADN, von denen viele von den US-Agenturen UPI und AP übernommen wurden, da sie keine Korrespondenten nach Nordvietnam schickten. Augenscheinlicher als es Worte können, belegen diese Fotos unsere Arbeit unter dem Hagel US-amerikanischer Bomben, zeigen zerbombte Wohnviertel mit Schulen und Krankenhäusern, Betrieben, Kirchen und Pagoden. Wir weilten in Flak- und Raketenstellungen, bei den Kämpfern, die Straßen und Brücken instand hielten, bei in den Bergen evakuierten Schulkindern und anderen, die in unterirdischen Bunkern lernten. Wir sahen Kinder fassungslos vor Bombenkratern stehen, wo vorher ihre Hütten standen, und immer wieder das Leid der Menschen, die vielen, vielen Toten, Opfer der Zivilbevölkerung, vor allem immer wieder Frauen, Kinder, alte Menschen. Ein Leid, das man kaum beschreiben konnte. Wir sahen aber auch den unbeugsamen Willen von Menschen, die ihre unter unsagbaren Opfern errungene Freiheit und Unabhängigkeit verteidigten.

In Vinh, der Stadt am Fluss Lam, wo wir die Flakartilleristen trafen, gingen wir durch die Ruinen einer gemordeten Stadt. Die Gassen waren einst von Häusern flankiert – jetzt nur noch von Schutthaufen. Hier hatten sich Wohnungen mit Möbeln und Licht befunden, hier wohnten und arbeiteten Menschen, hier lachten und spielten Kinder, lebte eine Stadt ihr friedliches Leben. Vergebens suchten wir nach Spuren militärischer Anlagen, strategischen Objekten. Aus einem riesigen Schutthaufen im Marktviertel ragte eine Mauer mit einer Inschrift. Vier Kriegsjahre hatten die Buchstaben verwittert, doch wir konnten sie noch erkennen: »Unter den amerikanischen Bomben starb hier am 4. April 1965 unsere ganze Familie, Großmutter und Großvater, Mutter und Vater, meine fünf Geschwister. Unsere kleine Ngyen Thi Anh war erst drei Monate alt. Ich bin der einzige Überlebende. Morgen werde ich zur Armee gehen. Ich bin erst 17, aber sie müssen mich nehmen. Tod den amerikanischen Piraten und Aggressoren!«

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