Faschismus und Jugend

Genossen, der Faschismus siegte auch, weil das Proletariat isoliert war von seinen natürlichen Bundesgenossen. Der Faschismus siegte, weil es ihm gelang, die großen Massen der Bauernschaft mit sich zu reißen, dank der Tatsache, dass die Sozialdemokratie im Namen der Arbeiterklasse im Grunde genommen eine bauernfeindliche Politik trieb. (…) Die Sozialdemokratie in Deutschland hat die Gutsbesitzer nicht angetastet. Sie arbeitete den Streiks der Landarbeiter entgegen, und die Folge davon war, dass die Landarbeiter in Deutschland noch lange vor dem Machtantritt Hitlers die reformistischen Gewerkschaften verließen und in den meisten Fällen zum »Stahlhelm« und den Nationalsozialisten übergingen.
Der Faschismus siegte auch, weil es ihm gelang, in die Reihen der Jugend einzudringen, während die Sozialdemokratie die Arbeiterjugend vom Klassenkampf ablenkte, das revolutionäre Proletariat aber unter der Jugend nicht die notwendige Erziehungsarbeit entfaltete und dem Kampf für ihre besonderen Interessen und Forderungen nicht die genügende Aufmerksamkeit zuwandte. Der Faschismus packte bei dem unter der Jugend besonders scharf ausgeprägten Drang nach Kampfaktvität an und zog einen großen Teil der Jugend in seine Kampftrupps. Die neue Generation der männlichen und weiblichen Jugend hat nicht die Schrecken des Krieges durchgemacht. Sie kostet am eigenen Leibe die ganze Schwere der Wirtschaftskrise, der Arbeitslosigkeit und des Zerfalls der bürgerlichen Demokratie aus. (…)
In diesem Zusammenhang können wir auch nicht an einer Reihe von Fehlern der kommunistischen Parteien vorbeigehen, von Fehlern, die unseren Kampf gegen den Faschismus hemmten.
In unseren Reihen hatten wir eine unzulässige Unterschätzung der faschistischen Gefahr, die auch bis auf den heutigen Tag nicht überall liquidiert ist. Eine solche Einstellung, wie sie früher in unseren Parteien zu finden war, dass »Deutschland nicht Italien« sei, in dem Sinne, dass der Faschismus in Italien siegen konnte, dass aber sein Sieg in Deutschland ausgeschlossen sei, weil wir hier ein industriell hochentwickeltes Land, ein kulturell hochentwickeltes Land haben, das eine 40jährige Tradition der Arbeiterbewegung besitzt, ein Land, in dem der Faschismus unmöglich sei. Oder jene Einstellung, die jetzt vorhanden ist, dass in den Ländern der »klassischen« bürgerlichen Demokratie kein Boden vorhanden sei für den Faschismus. (…)
Unsere Genossen in Deutschland haben lange Zeit das gekränkte Nationalgefühl und die Empörung der Massen gegen den Versailler Friedensvertrag nicht genügend in Rechnung gestellt, sie haben sich zu den Schwankungen der Bauernschaft und des Kleinbürgertums geringschätzig verhalten, haben sich mit dem Programm der sozialen und nationalen Befreiung verspätet, und als sie es aufstellten, da verstanden sie nicht, es entsprechend den konkreten Bedürfnissen und dem Niveau der Massen anzuwenden; da verstanden sie es nicht einmal, es unter den Massen großzügig zu popularisieren. (…)
Die Verhinderung des Sieges des Faschismus hängt vor allem von der Kampfaktivität der Arbeiterklasse selbst ab, vom Zusammenschluss ihrer Kräfte zu einer einheitlichen, gegen die Offensive des Kapitals und des Faschismus kämpfenden Armee. (…)
Zweitens hängt das vom Vorhandensein einer starken revolutionären Partei ab, die den Kampf der Werktätigen gegen den Faschismus richtig leitet. Eine Partei, die systematisch die Arbeiter zum Rückzug vor dem Faschismus ruft und der faschistischen Bourgeoisie erlaubt, ihre Stellungen zu stärken, – eine solche Partei wird unvermeidlich die Arbeiter der Niederlage entgegenführen.
Drittens hängt das von der richtigen Politik der Arbeiterklasse gegenüber der Bauernschaft und den kleinbürgerlichen Massen in den Städten ab. Diese Massen muss man so nehmen, wie sie sind, und nicht so, wie wir sie sehen möchten. Nur im Laufe des Kampfes werden sie ihre Zweifel und Schwankungen abwerfen, nur wenn man ihren unvermeidlichen Schwankungen gegenüber Geduld an den Tag legt und wenn das Proletariat sie politisch unterstützt, werden sie sich auf eine höhere Stufe des revolutionären Bewusstseins und der Aktivität emporschwingen.
Viertens hängt das von der Wachsamkeit und den rechtzeitigen Aktionen des revolutionären Proletariats ab. Man darf sich nicht vom Faschismus überrumpeln lassen; man darf ihm nicht die Initiative überlassen; man muss ihm entscheidende Schläge versetzen, wenn er es noch nicht vermocht hat, seine Kräfte zu sammeln; man darf es nicht zulassen, dass er seine Stellung stärkt; man muss ihm auf Schritt und Tritt entgegentreten, wo er sich zeigt; man darf es nicht zulassen, dass er neue Stellungen erobert, so wie das französische Proletariat das mit Erfolg zu tun versucht.
Georgi Dimitroff: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus. Hier zitiert nach: Georgi Dimitroff: Ausgewählte Schriften, Band 2. Dietz-Verlag, Berlin 1958, Seite 523 ff.
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