Krümel aus der Chefetage
Von Max Grigutsch
Indikatoren dafür, dass es im Gesundheitswesen kriselt, gibt es zuhauf. Die schlechte wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser oder steigende Versicherungsbeiträge beispielsweise. Oder eben Arbeitskämpfe. Für Donnerstag rief die Gewerkschaft Verdi zu Warnstreiks am größten Krankenhaus des Landes Brandenburg in Cottbus auf. Die landeseigene Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem (MUL-CT) verweigert den rund 2.350 nichtärztlichen Beschäftigten und rund 570 Auszubildenden eine Angleichung an den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TVöD).
Das 2024 aus kommunaler Trägerschaft übernommene Klinikum versorgt mit über 1.200 Betten eigenen Angaben nach mehr als 150.000 Patienten jährlich und gilt mit rund 3.200 Angestellten als größter Arbeitsplatz in Cottbus. Zudem soll das Universitätsklinikum in spe im Jahr 2026 erstmals ein Medizinstudium anbieten. Dennoch stimmte der Brandenburger Landtag gegen die Anwendung des TVöD auf die Beschäftigten der MUL-CT.
500 Streikende demonstrierten am Donnerstag »für bessere Arbeitsbedingungen, für Entlastung und dafür, dass der TVöD das einzig Richtige ist«, resümierte Patrick Eilmes vom Cottbuser »Bündnis gute Daseinsfürsorge« gegenüber junge Welt. Der stadtgesellschaftliche Zusammenschluss unterstützt den Ausstand etwa mit Aufrufen, Veranstaltungen und einer Petition. Denn den Sparkurs spürten auch außerhalb des Krankenhauses »sehr, sehr viele Menschen«. Das sei ein »Angriff auf unsere Gesundheit«, so Eilmes.
Eine Erhöhung der Tabellenentgelte um zwölf Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr, fordert die Gewerkschaft unter anderem. Zudem soll die Wochenarbeitszeit mit sofortiger Wirkung von 39 auf 38,5 Stunden, zum 1. Januar 2026 dann auf glatte 38 Stunden reduziert werden. Ferner sei avisiert, den Urlaubsanspruch von 30 auf 31 Tage steigen zu lassen. Mitte Juni unterbreitete der Vorstand der MUL-CT sein Gegenangebot: keine Erweiterung des Urlaubsanspruchs; 38,5 Stunden Wochenarbeit erst ab 2026; zunächst drei Prozent mehr Lohn, ab Ende 2026 dann noch mal 2,8 Prozent mehr.
Einen besseren Vorschlag gab es auch nach einer zweiten Verhandlungsrunde am 23. Juni nicht. Verdi ließ abblitzen – rund 95 Prozent der befragten Beschäftigten hätten das Angebot als völlig unzureichend abgelehnt. Demnach würde eine beispielhafte Pflegefachkraft »in der Zeit von Mai 2025 bis April 2027 (24 Monate) 4.230 Euro weniger Entgelt erhalten als dieser Pflegefachkraft nach dem TVöD zustehen würde«, informierte die Gewerkschaft im Anschluss.
Der Vorstand werfe den Beschäftigten nur »ein paar Krümel entgegen«, meinte Eilmes am Donnerstag. »Das Verhalten der Geschäftsführung ist für viele Beschäftigte eine Frechheit.« Für den Streiktag habe die Gewerkschaft eine Notdienstregelung vorgeschlagen, die Klinik habe diese verweigert. Die Beschäftigten hielten sie dennoch einseitig aufrecht. Des weiteren soll der Klinikvorstand während einer Verhandlung gesagt haben, bei den Auszubildenden müsse man nicht nachbessern, da die Bedingungen gut wären. »Empörend«, findet das Eilmes, denn die Arbeitsbedingungen machten krank: Rund 40 Prozent würden ihre Pflegeausbildungen im MUL-CT wieder abbrechen. Verdi verlangt für die Auszubildenden eine Lohnerhöhung von 300 Euro und die gleichen Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen wie für die restlichen Beschäftigten. Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 10. Juli geplant.
Gespart – und entsprechend gestreikt – wird nicht nur im Cottbuser Gesundheitswesen. Ihre Arbeit legten am Donnerstag auch die Notfallsanitäter und andere Beschäftigte des Deutschen Roten Kreuzes in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nieder. Auf dem Schillerplatz in Mainz kamen Streikende am Vormittag zu einer Kundgebung zusammen, so auch die Beschäftigten in Heilbronn. »Wer Leben rettet, verdient mehr als warme Worte«, sagte Jakob Becker, Verdi-Landesfachbereichsleiter in Baden-Württemberg am Donnerstag in einer Mitteilung. Die Gewerkschaft fordert acht Prozent mehr Gehalt, jedoch mindestens 350 Euro monatlich.
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