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Aus: Ausgabe vom 26.06.2025, Seite 8 / Ansichten

Der Mohr will nicht gehen

Selenskij wird nicht mehr gebraucht
Von Reinhard Lauterbach
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Der von Donald Trump designierte Kandidat für den Posten des NATO-Oberbefehlshabers in Europa, Generalleutnant Alexus Gregory Grynkewich, hat sich neulich im Streitkräfteausschuss des US-Senats vorgestellt. Dort hat er nach Agenturmeldungen erklärt, die Ukraine könne den Krieg noch gewinnen. So weit, so uninteressant. Aber dann kam das Argument: »Immer wenn die eigene Heimat bedroht ist, kämpft man mit einer Hartnäckigkeit, die für uns schwer vorstellbar ist.«

Aus dieser Aussage spricht einerseits die gönnerhafte Arroganz, mit der ein Mann, dessen Großvater 1899 aus Minsk über den Atlantik ausgewandert ist, den US-Amerikanern erklärt, warum die Ukraine noch gewinnen könne: aus Verzweiflung – aufgrund des subjektiven Faktors. Das ist militärisch gesehen eine gewagte These, denn Mut braucht auch Mittel. Lassen wir an dieser Stelle auch den humoristischen Aspekt beiseite: was Grynkewich en passant über die soldatischen Qualitäten des US-Militärs ausgeplaudert hat. Dessen Land war nämlich nie bedroht, und gegen die wesentlich schlechter ausgerüsteten Soldaten des Vietcong hat es vor 50 Jahren auch verloren.

Aber das Argument des »schwer Vorstellbaren« enthält noch eine weitere Aussage: dass diese ukrainische Hartnäckigkeit sich langsam gegen die Logik des Stellvertreterkrieges wendet, in deren Namen die USA 2021 den Krieg in der ­Ukraine billigend in Kauf genommen haben, indem sie alle russischen Forderungen nach Verhandlungen über eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa ignoriert und es zur Eskalation haben kommen lassen. Immer nach dem Motto: Wir sind »geschützt hinter einem schönen blauen Ozean«. Für uns sterben und ihr Land zerstören lassen, das dürfen andere.

Man muss keine Sympathie für Wolodimir Selenskij oder das Projekt der Maidan-Ukraine hegen, um zu verstehen, dass in Kiew langsam Panikstimmung aufkommt. Jetzt haben sie schon die mineralischen Rohstoffe ihres Landes auf unabsehbare Zeit und zu Knebelkonditionen an US-Investoren verpfändet, in der vagen Hoffnung, dass die USA, wenn schon nicht die Ukraine als solche, so doch die amerikanischen Investitionen auf ihrem Boden verteidigen würden. Und was? Trump denkt weiter über »gigantische Geschäfte« mit Russland nach. Für die es übrigens völlig egal ist, ob der Atlas die Vorkommen jetzt noch in der Ukraine verortet oder ob sie in dem Moment, wo solche Deals spruchreif werden, unter russischer Oberhoheit stehen. Hauptsache, das US-Kapital kriegt sie. Selenskij hat schlicht und einfach »keine Karten in der Hand«, wie es Trump bei dem berühmten TV-Zoff Ende Februar formuliert hat. Bitter für Leute, die sich mit Haut und Haaren einer Konfrontation verschrieben haben, für die sie sich unersetzlich wähnten, jetzt aber merken, dass sie Verbrauchsmaterial sind. Der Schillersche Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Er kann gehen, aber er will nicht.

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