Schlechtes Geschäft
Von Gudrun Giese
Ob von SPD, CDU oder Grünen: Industriepolitik heißt für Regierungen dieser Parteien vor allem Subventionen für »Investoren«, um neue Produktionskapazitäten aufbauen zu lassen. So auch im Fall des inzwischen insolventen schwedischen Batterieunternehmens Northvolt. Die öffentliche Förderung hat am Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung den Haushaltsausschuss des Bundestags beschäftigt. Für den Bau einer Niederlassung im schleswig-holsteinischen Heide gab es 600 Millionen Euro Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie weitere Förderzusagen vom Bund und vom Land.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und ihr Vorgänger Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) sollten sich zu dem Vorhaben äußern, in der BRD eine eigene Batterieproduktion aufzubauen. Dabei hatte insbesondere Habeck zu Zeiten der Ampelkoalition große Hoffnungen in das Projekt gesetzt. Auch das Land Schleswig-Holstein glaubte zum Baubeginn im März 2024 an ein aussichtsreiches Investment in der strukturschwachen Region. Die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung, vor allem der schwächelnde Absatz von Elektroautos aus europäischer Produktion, sowie hohe Kosten bescherten Northvolt Schweden die Pleite. Am 12. März dieses Jahres stellte das Unternehmen den Insolvenzantrag, der mittelbar auch die im Bau befindliche Batteriefabrik in Heide betrifft.
Bei einer Regierungsbefragung gab Reiche am Mittwoch im Bundestag ihrem Vorgänger Habeck die Schuld. Die Investitionsentscheidung sei mit guter Absicht getroffen worden, habe sich aber als »fehlerhaft« erwiesen. Man müsse nun Klarheit in die Fakten bringen. Die Kritik des neoliberal besetzten Bundesrechnungshofs kam der Ministerin gelegen. Sie sei eine Mahnung, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer sei. Der Rechnungshof wirft Berichten zufolge Habeck vor, zu leichtfertig öffentliche Mittel an Northvolt vergeben und wirtschaftliche Risiken unterschätzt zu haben.
Derweil keimte in Schweden Hoffnung für das insolvente Unternehmen auf: Am Mittwoch ist ein erstes Übernahmeangebot eingetroffen, wie dpa berichtete. Der bislang unbekannte Interessent erwäge, die Werke im schwedischen Skellefteå und Västerås sowie den Standort in Heide zu übernehmen. Nach Angaben des Insolvenzverwalters Mikael Kubu im schwedischen Rundfunk soll der Interessent aus dem »Ausland« kommen und bisher lediglich ein unverbindliches Angebot gemacht haben, das als Auftakt für konkretere Verhandlungen dienen könne. Kubu hofft nach eigenen Angaben auf ein weiteres Angebot.
Einem Bericht der Wirtschaftszeitschrift Business Punk vom 26. Mai zufolge sollen sich allerdings schon zuvor mehrere Kaufinteressenten für den geplanten Northvolt-Standort in Heide gemeldet haben. Es gebe intensive Gespräche mit potentiellen Investoren, wurde eine Sprecherin der deutschen Northvolt-Tochtergesellschaft zitiert. So würden die Bauarbeiten »am Projekt und auf der Baustelle« in enger Abstimmung mit der Darlehensgeberin KfW weitergeführt. Namen von Interessenten waren auch in diesem Bericht nicht zu lesen, nur die Vermutung von Branchenkennern wurde geäußert, dass europäische und asiatische Batteriehersteller die gute Gelegenheit nutzen könnten, ein fortgeschrittenes Projekt zu übernehmen. Die Grundstücke in Heide sind erschlossen, Genehmigungen für die Fabrik erteilt, und die nötige Infrastruktur existieren zumindest in Teilen.
Möglicherweise hoffen die Kaufinteressenten auf einen Schnäppchenpreis, so dass am Ende der Löwenanteil der Fördermittel zu Lasten der Allgemeinheit gehen würde. Die von der KfW bereitgestellten rund 600 Millionen Euro werden als »Wandelanleihe« zu jeweils fünfzig Prozent von Bund und Land Schleswig-Holstein getragen. Außerdem zahlten sie 20 Millionen Euro für Zinsen und Verfahrenskosten. Darüber hinaus hatte die EU-Kommission Anfang 2024 weitere direkte Fördermittel von Bund und Land in einer Gesamthöhe von rund 700 Millionen Euro genehmigt. Dieses Geld wurde bisher nicht ausgezahlt. Ursprünglich sollten in Heide ab 2026 Batteriezellen produziert werden.
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