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Aus: Ausgabe vom 26.06.2025, Seite 2 / Inland
Protest gegen »Tag der Bundeswehr«

»Wir wollen kein Menschenmaterial sein«

Niedersachsen: Bündnis mobilisiert zum Protest gegen den »Tag der Bundeswehr«. Ein Gespräch mit Sven A.
Interview: Anselm Schindler
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Kriegsgerät zum Anfassen und Bestaunen: ein F-35-Kampfjet beim »Tag der Bundeswehr« (Holzdorf, 8.6.2024)

Bundesweit soll am Sonnabend der »Tag der Bundeswehr« die deutschen Streitkräfte zele-brieren. Warum ist ausgerechnet Osterholz-Scharmbeck in Niedersachsen einer der zentralen Orte für die diesjährigen Veranstaltungen?

In Osterholz-Scharmbeck steht die größte Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr im Bereich Logistik und Kraftfahrwesen. Das Gelände hier ist riesig. Zum »Tag der Bundeswehr« werden hier Zehntausende Menschen erwartet. Ursprünglich wollte auch Verteidigungsminister Boris Pistorius, SPD, nach Osterholz-Scharmbeck. Das wurde abgesagt, zeigt aber trotzdem die Bedeutsamkeit des Standortes.

Was passiert beim »Tag der Bundeswehr« denn genau?

Das Ganze wird als Familienevent verkauft. Es gibt Vorführungen von Fallschirmspringern, eine Flugshow mit »Eurofightern«, und es spielt das Luftwaffenmusikkorps aus Münster. Es ist ein Programm für groß und klein. Ein Tag für die ganze Familie. Nur, dass es dabei eben um Krieg geht. Also darum, dass die Bürger für den Staat sterben sollen.

Das ist, was das Bündnis, in dem Sie aktiv sind, kritisiert?

Richtig, denn die Bundeswehr stellt sich an diesem Tag als Dienstleister an der Gesellschaft dar. Dabei ist es in der Realität andersherum. Dienen müssen die Bürgerinnen und Bürger. Das staatliche Interesse ist keineswegs deckungsgleich mit dem der Bevölkerung. Besonders ekelhaft ist, dass in den vergangenen Wochen Einladungskarten für ein Talentscouting beim »Tag der Bundeswehr« an junge Leute in der Region geschickt wurden. Talentscouting für Krieg – was denken die sich dabei?

Wenn die Bundeswehr nicht den Interessen der Bevölkerung dient, wessen dann?

Es geht um wirtschaftliche und staatliche Interessen, um Souveränität, also staatliche Verfügungsgewalt über Menschen. Wir sollen das Menschenmaterial für die Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse sein, wir sollen dem Staat dienen. Wir wollen aber kein Menschenmaterial sein.

Wen meinen Sie, wenn Sie »wir« sagen?

Vor allem uns junge Menschen, egal ob Russen, Ukrainer, Amerikaner oder Deutsche. Wir sind die ersten, die in den Krieg geschickt werden. Dabei haben wir ja theoretisch gar kein Problem miteinander. Mich verbindet mehr mit einem jungen Russen, als mit einem deutschen Befehlshaber. Wir finden es nicht sinnvoll, dass wir uns gegenseitig umbringen sollen.

Das erinnert an das, was Internationalisten vor dem Ersten Weltkrieg als Losung ausgegeben hatten. Sehen Sie sich und Ihr Bündnis in dieser Tradition?

Das war eine andere Zeit, auch wenn wir geschichtlich näher dran sind, als mir lieb ist. Was uns mit diesen Bewegungen damals vielleicht verbindet: Wir finden, dass Leute nicht für Nationen sterben sollten. Uns geht es darum, eine andere Gesellschaft zu wollen. Eine, in der das nicht mehr passiert. Um da hinzukommen, braucht es Gegenmacht, aber davor muss man erst mal verstehen, wie der Laden, in dem man da lebt, wirklich läuft.

Wie wollen Sie das am Sonnabend vermitteln?

Rund um den »Tag der Bundeswehr« haben wir verschiedene Veranstaltungen geplant, bei denen wir informieren und diskutieren wollen. Unter anderem haben wir den Podcaster und Buchautor Ole Nymoen nach Osterholz-Scharmbeck eingeladen. In dieser und in den anderen Veranstaltungen wollen wir uns mit der staatlichen Kriegspropaganda auseinandersetzen. Außerdem gibt es am Freitag eine Demo. Wir hoffen, dass viele Leute hinkommen. Dafür gibt es auch eine gemeinsame Anreise aus Bremen, Bremerhaven und Oldenburg.

Wie reagieren die Leute in der Region auf Ihren Protest?

Sehr unterschiedlich. Manche haben kein Verständnis. Gleichzeitig gibt es auch viele junge Leute, die merken, dass an dem, was ihnen da von Politik und Medien erzählt wird, was falsch ist. Denen wollen wir Möglichkeiten geben, darüber zu diskutieren, was da genau falsch ist. Zum Beispiel an den Gründen, die von der Politik für Aufrüstung und Krieg genannt werden. Wir haben jetzt noch keine große Antikriegsbewegung, und die werden wir auch am Freitag nicht starten. Aber es müssen Anfänge gemacht werden.

Sven A. (Name geändert) ist einer der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen den »Tag der Bundeswehr«

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