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Aus: Ausgabe vom 24.06.2025, Seite 6 / Ausland
USA–Iran

Legendenbildung in Washington

Nach US-Angriff auf Iran: Trumps Entscheidung »dokumentiert«. Warnung vor »Schläferzellen«
Von Ina Sembdner
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Die Demonstranten auf den Straßen von New York lassen sich nicht blenden: »Trump ist ein Kriegsverbrecher« (22.6.2025)

Der von Washington und Tel Aviv angeführte Propagandakrieg läuft auf vollen Touren. Nach dem Angriff der USA mit B-2-Tarnkappenbombern auf iranische Nuklearanlagen haben »Quellen« ohne Namen aus dem Dunstkreis von »Offiziellen« Hochkonjunktur. Ein Beispiel: Das regierungs- und geheimdienstnahe US-Portal Axios veröffentlicht regelmäßig »Interna« aus dem Weißen Haus oder dem Pentagon. So auch am Sonntag, als mit der Legendenbildung rund um den ersten direkten US-Bombenangriff auf die Islamische Republik mit 14 GBU-57, 30.000 Pfund schweren bunkerbrechenden Bomben, begonnen wurde. Unter dem Titel »Es war eine Täuschung« wird geradezu minutiös nachgezeichnet, wie US-Präsident Donald Trump »sich die PR ausgedacht« habe, die Pläne und den Tag wählte. »Das war keine Pentagon-Operation«, zitierte das Portal einen »hohen Regierungsbeamten«.

Herausgestellt wird, dass Trump angeblich bereit gewesen sei, die Mission jederzeit abzubrechen, wenn er eine diplomatische Möglichkeit gesehen hätte, wie ein »US-Offizieller« gegenüber Axios erklärte. Aus Israel, dessen Regierung vom bevorstehenden Angriff in Kenntnis gesetzt wurde, wurde wiederum jemand zitiert, der erklärte, dass Trump während er am Donnerstag die Zweiwochenfrist verkündete, den Angriff bereits autorisiert hatte und »genau wusste, wann es passiert«. Ohnehin ist das iranische Staatsoberhaupt Ali Khamenei schuld, denn er habe sich vor einem möglichen Attentat auf ihn versteckt gehalten und »konnte für die Autorisierung von Gesprächen nicht erreicht werden«. Ein »Trump-Vertrauter«, der mit dem Präsidenten in den vergangenen Tagen gesprochen habe, drückte es etwas derber aus: »Der Zeitpunkt war günstig. Der Ajatollah hat Trump und den USA den Mittelfinger gezeigt. Und das hatte seinen Preis.«

Nicht erwähnt werden die zuvor öffentlich ausgesprochenen Todesdrohungen gegen das Staatsoberhaupt, etwa vom israelischen »Verteidigungsminister« Israel Katz am vergangenen Donnerstag: »Ein Diktator wie Khamenei, der an der Spitze eines Staates wie Iran steht, und sich die Zerstörung des Staates Israel auf die Fahne geschrieben hat, dieses schreckliche Ziel der Zerstörung Israels, kann nicht weiter existieren.« Khamenei sei der »moderne Hitler«. Das veranlasste am Freitag auch die Deutsche Presseagentur zu einer entsprechenden Meldung unter dem Titel »Völkerrechtliche Bewertung: Darf Israel Khamenei töten?«

Am Sonntag machte eine weitere »Enthüllung« die Runde, die das Angstlevel in der US-Bevölkerung und die Unterstützung für den Kriegskurs Washingtons (und Israels) garantieren soll: Der Iran habe Trump während des G7-Gipfels am vergangenen Wochenende im kanadischen Kananaskis ein Kommuniqué zukommen lassen, berichtete der US-Sender NBC News am Sonntag unter Berufung auf »Quellen«. Darin sei damit gedroht worden, sogenannte Schläferzellen zu aktivieren, die terroristische Anschläge in den Vereinigten Staaten verüben, sollte der Iran angegriffen werden. Flankiert wurde das mit diversen Warnungen: Das Heimatschutzministerium sprach in einer Mitteilung von einer »erhöhten Bedrohungslage« in den USA; einer gestiegenen »Wahrscheinlichkeit terroristischer Attacken« – vor allem, wenn die iranische Führung mit einem »religiösen Urteil zu Vergeltungsmaßnahmen« aufrufe. Allerdings räumte die zuständige Ministerin Kristi Noem – später – ein, dass es »keine konkreten glaubwürdigen Bedrohungen« aus dem Land selbst gebe.

Vor dem Hintergrund heftiger Auseinandersetzungen um die rigide Abschiebepolitik undokumentierter Migranten nahm Vizepräsident J. D. Vance den Faden dankbar auf. In der Sendung »Meet the Press« sprach er am Sonntag von einem Mangel an »vollständiger Buchführung«, darüber, wer unter der Vorgängerregierung der Demokraten nicht ausreichend überprüft ins Land gekommen sei. Weiter raunte der Republikaner, dass sie wüssten, »dass manche von ihnen auf der Beobachtungsliste für Terroristen« stünden. Und während er klarstellte, dass sich die USA »nicht im Krieg mit dem Iran« befinden, sondern »im Krieg mit Irans Nuklearprogramm«, wich er auf Nachfrage zum »Erfolg« der Angriffe aus. Nachdem Trump zuvor von einer »vollständigen Zerstörung« gesprochen hatte, gab Vance nun an, das Atomprogramm sei »erheblich verzögert« worden.

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