Staatszerfall droht
Von Jörg Kronauer
Bislang deutet nichts darauf hin, dass er Erfolg hätte – der Versuch Israels und, glaubt man jüngsten Äußerungen von Donald Trump, womöglich auch der USA, einen Regime-Change in Iran herbeizubomben. Es stimmt wohl: Populär ist die ultrareaktionäre Regierung in Teheran nicht, schon gar nicht bei der jüngeren Generation, die in der Vergangenheit mehrmals laut und energisch gegen sie protestierte. Nur: Eine Alternative, die man an die Macht zu bringen versuchen könnte – ein iranischer Alexej Nawalny sozusagen, und auch der hatte ja keine breite Basis –, ist nicht in Sicht. Reza Pahlavi, der Sohn des Schahs, der »Kronprinz«, wie ihn seine Jünger nennen? Kaum jemand in Iran hat die Herrschaft seines Clans in guter Erinnerung; im Land wirklich verankert ist er nach mehr als 45 Jahren im Exil ohnehin nicht. Selbst westliche Iran-Experten raten mittlerweile davon ab, größere Hoffnungen in seine Person zu setzen.
Es kommt hinzu, dass die Stimmung in Iran sich bislang eher gegen Israel und den Westen wendet. Ernstzunehmende Beobachter jenseits der einschlägig bekannten Claqueure und der Kriegspropagandisten berichten bislang recht einheitlich, dass die Wut auf die Angreifer und auf ihre Unterstützer – auch auf diejenigen, die den Raketenhagel mit Vokabeln wie »Drecksarbeit« rechtfertigen – aktuell spürbar wächst. Trotz allen Unmuts über die Regierung in Teheran zeichnet sich bisher eher ein Schulterschluss gegen die Aggressoren ab als größere Sympathie dafür, Irans Machthaber mitten im Krieg zu stürzen. Das muss nicht so bleiben; klar ist, dass mit jedem Kriegstag das Leid und mit ihm auch die Verzweiflung wächst – und die Suche nach Auswegen. Zur Zeit aber wäre, sollten Israel oder die USA ihre Drohungen wahr machen und den »Obersten Führer« Ali Khamenei ermorden, eine Übernahme der Macht durch die starken Revolutionsgarden wahrscheinlicher als ein prowestlicher Umsturz.
Die wohl größte Gefahr nicht unbedingt für die Regierung in Teheran, aber doch für den Fortbestand Irans dürfte darin bestehen, dass Minderheiten ihre Chance gekommen sehen. Nur zwei Drittel der iranischen Bevölkerung begreifen sich als Iraner im engeren Sinn. Ein Sechstel, im äußersten Nordwesten angesiedelt, definiert sich als Aseris; daneben gibt es starke kurdische, arabische (im Südwesten) und belutschische (im Südosten) Minderheiten. Einige von ihnen streben schon lange nach Eigenständigkeit. Während die Bombardements die Mehrheit bisher eher zusammenschweißen, liegen die Dinge bei den Minderheiten bei weitem nicht so klar. Werden die Streitkräfte, die Revolutionsgarden durch die israelischen Angriffe weiter geschwächt, dann könnten Aktivisten unter den Minderheiten früher oder später den Aufstand wagen. Ein Zerfall des Landes wäre nicht ausgeschlossen, ähnlich wie zuvor beispielsweise in Libyen. Die Folgen von dessen Zerfall sind bekannt.
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