Anleitung zum Verweigern
Von Josephine Louise Wolff, Kassel
Die Pläne der Bundesregierung, als Beitrag für die NATO-Kriegsvorbereitungen mindestens 40.000 neue Soldatinnen und Soldaten zu rekrutieren, stoßen auf wachsendes Interesse. Immer mehr Menschen wollen den Kriegsdienst verweigern. An ihre Seite stellt sich auch die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Am Wochenende hat die Vereinigung einen Kongress »gegen die Einführung eines neuen Wehrdienstes und die Verweigerung aller Kriegsdienste« in Kassel veranstaltet. Der Appell an die Teilnehmenden: »Verweigert!«
Informiert wurde über die historischen Hintergründe der Wehrpflicht, das Interesse der Bundeswehr an jungen Menschen und über die praktischen Schritte zur Kriegsdienstverweigerung. Von Sonnabend bis Sonntag kamen knapp 70 Menschen aus unterschiedlichsten Organisationen und aus ganz Deutschland zusammen, um über die von der Regierung angekündigte Wehrpflicht zu diskutieren und gemeinsam eine Lösung zu finden. Für die DFG-VK ist das Ziel klar: so viele Menschen wie möglich zu Beraterinnen und Beratern für die Kriegsdienstverweigerung (KDV) zu schulen.
Der theoretische Teil zeigte die historischen und juristischen Hintergründe sowie die mediale Präsenz der Wehrpflicht auf. Dabei standen besonders die Pläne der neuen Bundesregierung im Mittelpunkt und wie diese durchgesetzt werden sollen. Der Hauptfokus blieb bei der Rekrutierung Jugendlicher, die in Bildungseinrichtungen, auf Jobmessen oder in den sozialen Medien angesprochen werden. Darauf aufbauend klärte Simon David Dressler in seinem Vortrag über die Rolle menschlicher Werbeträger, sogenannte Influencer – zu denen er selbst zählt –, für die Bundeswehr auf. Sie seien »Frühindikator der Militarisierung«. Dressler zufolge würden sie besonders wirksam junge Menschen erreichen, die am stärksten von der Wehrpflicht betroffen sind. Gemeinsam mit der DFG-VK kam es im Anschluss an seinen Vortrag zu einem Austausch darüber, wie Kriegsgegner die Jugend noch besser erreichen könnten.
Der Kongress begrenzte sich inhaltlich nicht nur auf die Bundesrepublik. Zwei Referenten stammten aus der Ukraine bzw. aus Russland. Sie berichteten von ihren Erfahrungen mit dem dortigen Militär und zeigten in ihrem Vortrag den Unterschied zwischen den Darstellungen in der russischen und der ukrainischen Öffentlichkeit sowie denen in der BRD auf. Eine Gemeinsamkeit haben Deutschland und Russland: In beiden Ländern ist die Kriegsdienstverweigerung in der Verfassung verankert, auch wenn die Praxis in Russland eine andere ist als hierzulande.
Um die Schulung zur KDV-Beratung ging es am Sonntag. Thema war dabei auch die Organisation von Widerstand gegen eine neue Wehrpflicht. Auf der Beratung lag der Schwerpunkt des gesamten Kongresses. Das größte Interesse bestand dabei an der Schulung zur Beratung von Ungedienten, also Menschen, die noch nie Bundeswehr-Soldaten waren. Hierzu erklärten zwei Referenten der DFG-VK im Detail, welche Punkte besonders wichtig sind, und wie man Interessierte am besten bei dem Prozess begleitet.
Sie machten darauf aufmerksam, dass im Zentrum jeder Kriegsdienstverweigerung das Gewissen des Betroffenen stehen sollte. Der Antragsteller sei schließlich die einzige Person, die die Begründung für die Verweigerung formulieren kann und sollte. Aufgabe der Beratung sei es, dabei die nötige Unterstützung und Aufklärung zu liefern. Mit der vermittelten Grundlage sollen die neu geschulten Beraterinnen und Berater befähigt werden, künftig bei Forcierung der Wehrpflicht durch den Staat jungen Menschen zur Seite zu stehen.
Die Veranstaltung endete mit gemeinsamen Überlegungen, wie die Friedensbewegung die Jugend besser erreichen kann und wie man die KDV-Arbeit für sie zugänglicher macht. Als neue Ziele für die DFG-VK wurden schließlich der Aufbau neuer Beratungsstrukturen sowie der Austausch mit lokalen Gruppen zum Thema Wehrpflicht und KDV formuliert.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Hauke-Christian Dittrich/dpa19.06.2025
»Die nächste Stufe sind Zwangsmusterungen«
- Joshua Regitz/jW13.01.2025
»Eine Bedrohung für uns alle«
- 09.08.2018
Strategie der Auslandsinterventionen gescheitert
Mehr aus: Inland
-
»So niedrig kann man die Leute nicht bezahlen!«
vom 24.06.2025 -
Praktische Schlüsse
vom 24.06.2025 -
Vorfahrt für Spekulanten
vom 24.06.2025 -
An den Ursachen der Wohnungsnot vorbei
vom 24.06.2025 -
»Unsere Aufgabe ist es, nicht neutral zu sein«
vom 24.06.2025 -
Friedenspolitische Zusammenschlüsse aus dem Umfeld von Bündnis 90/Die Grünen unterstützen friedenspolitisches Manifest von SPD-Politikern
vom 24.06.2025