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Aus: Ausgabe vom 12.06.2025, Seite 2 / Inland
Protest gegen Genozid in Gaza

»Der Druck aus der Bevölkerung nimmt langsam zu«

Berlin: Friedensinitiative ruft gemeinsam mit Palästina-Bewegung zum Protest gegen Regierung auf. Ein Gespräch mit Jutta Kausch-Henken
Interview: Marc Bebenroth
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Im neuen Verfassungsschutzbericht wird die Palästina-Bewegung als »extremistisch« oder gar »antisemitisch« diffamiert. Weshalb haben Sie sich in diesem politischen Umfeld entschieden, für Sonnabend zu einer Protestkundgebung aufzurufen?

Die Gruppen, mit denen wir aufrufen, sind nicht antisemitisch. Die Palästinenserinnen und Palästinenser protestieren mit uns gemeinsam für ihr Recht auf Leben und Würde.

Was war Ihr Anstoß, zu dieser Kundgebung aufzurufen?

Es ist dringend überfällig, dass die deutsche Bevölkerung nicht mehr schweigend zusieht, wie in brutalster Form in Gaza ein Krieg gegen die dortige Bevölkerung geführt wird, und dass Menschen wie Israels Premierminister Benjamin Netanjahu offen zugeben, den Gazastreifen ethnisch säubern zu wollen. Das ist Grund genug, auf die Straße zu gehen. Wir sagen: Aus dem Holocaust, der von Deutschland ausgegangen ist, müssen wir lernen, einen Völkermord, wie er damals an den Juden verübt wurde, nie wieder geschehen zu lassen. Und was die israelische Regierung macht, ist Völkermord.

Oft ist die Rede vom ersten per Livestream übertragenen Genozid. Wieviel können Menschen angesichts der Berichterstattung wissen, ohne sich aktiv damit befasst zu haben?

Es ist ein Problem, dass durch die großen Medien darüber wenig zu erfahren war. Im Moment sehen wir einen kleinen Schwenk in der Berichterstattung. So ist jetzt die Rede von »unverhältnismäßigen Aktionen« der israelischen Armee. Auch Politiker äußern mal ein wenig Kritik an Israel. Wir wiederum müssen mit größeren Anstrengungen versuchen, die Informationen zu vermitteln. Das ist sehr schwierig, aber ebenso notwendig, wie massenhaft auf die Straße zu gehen. In anderen Ländern passiert das bereits.

Wie erklären Sie sich die Bedenken aus dem Regierungslager?

Vielleicht gibt es da auf dem internationalen Parkett doch so viele offene Worte gegen die Politik Israels, dass die Bundesregierung sich etwas mehr daran orientieren muss, um nicht völlig als Idiotin dazustehen. Außerdem nimmt der Druck aus der Bevölkerung langsam zu, wie Umfragen zeigen.

Im Aufruf fordern Sie ein Ende sämtlicher Waffenlieferungen nach Israel. Welche Bedeutung haben die für die israelische Kolonialherrschaft?

Deutschland unterstützt aktiv diesen Krieg, den Israel gegen die Palästinenser führt. Die BRD ist der zweitgrößte Waffenlieferant für Israel und ist damit an diesem Gemetzel beteiligt.

Welche Auswirkungen hat es auf die Solidaritätsbewegung, dass Mitveranstalter wie der Verein »Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost« im Verfassungsschutzbericht als »extremistische Bestrebung« bezeichnet werden?

Ich finde das skandalös. Wenn die »Jüdische Stimme« als extremistisch oder gar antisemitisch bezeichnet wird, zielt das auf eine offensichtlich unerwünschte Kritik an der Handlungsweise der israelischen Regierung. Zumal die Solidaritätsbewegung auch nicht »israelfeindlich« ist. Sie ist feindlich gegenüber der herrschenden Politik, die in Israel betrieben wird.

Was erwartet die Teilnehmenden am Sonnabend?

Sie beginnt um 14 Uhr auf der Straße des 17. Juni, vor dem Platz des 18. März. Als Redner haben wir unter anderen aus Palästina den Direktor des Krankenhauses Al-Awda, Mohamed Salah. Sprechen werden auch UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, Michael Lüders, Vertreter von Amnesty International und vom Vereinigten Palästinensischen Nationalkomitee. Von uns und unseren Mitveranstaltern wird es auch Redebeiträge geben.

Wird es das erste Mal sein, dass sich Gruppen der Friedensbewegung mit der Palästina-Bewegung zusammentun?

Es besteht bereits ein latenter Kontakt. So haben wir für den Ostermarsch gegen Krieg und Aufrüstung mit Palästinensern zusammengearbeitet. Wir gehen auch zu den Demonstrationen, wenn die Palästinenser aufrufen. Aber es ist jetzt mal nötig, dass wir gemeinsam eine möglichst große Demonstration hinkriegen, die sich an unsere Regierung richtet und sagt: Hört endlich auf mit der Unterstützung dieses Genozids!

Jutta Kausch-Henken ist aktiv in der Initiative »Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!« und eine der Moderatorinnen der Friedenskoordination Berlin

Protestkundgebung am 14. Juni
STOPPT DEN VÖLKERMORD, DAS AUSHUNGERN
UND DIE VERTREIBUNG DER PALÄSTINENSER
Beginn: 14 Uhr – Platz des 18. März Berlin


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