»Denen unten wird nichts zum Leben gelassen«
Interview: Gitta Düperthal
Das »Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn« hat für diesen Mittwoch einen Protestzug gegen Gipfeltreffen der Bau- und Immobilienbranche in Berlin angekündigt. Was dringt von den Spitzentreffen, gegen die Sie demonstrieren wollen, nach außen?
Wenig. Dabei finden in dieser Woche gleich drei Lobbykongresse statt: Beim Private-Equity-Treffen »Superreturn« versammeln sich im Hotel Intercontinental internationale Fondsmanager und Investorinnen, die über Kapitalanlagen in Billionenhöhe verfügen; auch auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Zum »Tag der Immobilienwirtschaft« des Zentralen Immobilien-Ausschusses, ZIA, im Friedrichstadt-Palast, vernetzen sich wirtschaftliche Profiteure der Wohnungsnot mit den Spitzen von Politik, Verwaltung und wohnungsnahen Dienstleistern. Mit dabei sind der ehemalige Lobbyist für Blackrock und Bundeskanzler Friedrich Merz von der CDU, sowie Bundesbauministerin Verena Hubertz von der SPD.
Ab diesen Mittwoch sind weltweit agierende Aktiengesellschaften wie BMW, Henkel, Dr. Oetker, Miele und Deichmann bei den Tagen der sogenannten Familienunternehmer in den Bolle-Festsälen vertreten. Blackrock hat Anteile an diesen Unternehmen. Auch hier ist Merz präsent. All dies findet weitgehend im Geheimen statt. Die Lobbyisten sind nur daran interessiert, Milliarden Euro untereinander zu verschieben. Die Wohnungsnot interessiert sie nicht.
Weshalb sprechen Sie von Wahnsinn, wenn Wohnraum als Ware in privater Hand gehandelt und künstlich verknappt wird?
Wohnraum wird häufig in Gewerbe- oder Büroflächen umgewandelt, die wir in der Anzahl nicht brauchen. In dem Fall gibt es keine Bremsen, um die Kosten stabil zu halten. Durch die so geschaffene Knappheit werden die Mieten grundsätzlich immer teurer. All das geschieht im Profitinteresse.
Da Sie auch für die Union für Obdachlosenrechte sprechen: Was bedeutet das speziell für wohnungslose Menschen?
Immer mehr Menschen werden zahlungsunfähig und durch Zwangsräumungen aus ihren Wohnungen getrieben. Nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz verschwinden sie in Unterkünften in Acht-Quadratmeter-Zimmern mit Bett und Schrank. Auch davor macht die Geschäftemacherei nicht Halt. So ein Zimmer kostet den Sozialstaat ab 40 Euro pro Tag; mehr als 1.200 Euro im Monat.
Ist nicht systemimmanent, dass im Kapitalismus so vorgegangen wird?
Allerdings. Im Bundesgebiet gibt es immer mehr Luxusimmobilien, wo sich die reiche Klientel ausbreitet. Die untere Schicht wird verdrängt, ihr wird nichts zum Leben gelassen. Das ist nicht hinzunehmen. Am Samstag hat eine Gruppe versucht, das ehemalige Stasi-Gelände in Berlin-Lichtenberg zu besetzen, wurde von der Polizei aber direkt wieder geräumt. Seit Jahrzehnten stehen dort Gebäude leer.
In Ihrer Ankündigung heißt es, dass das Renditestreben privater Investoren »das Grundrecht auf Wohnen« gefährde. Woraus leiten Sie mit Blick auf die Rechtslage in der BRD ein solches Grundrecht ab?
Nach Artikel 11 des UN-Sozialpaktes ist das Recht auf Wohnen ein Menschenrecht. In Deutschland aber gibt es kein explizites Recht auf eine Wohnung im Sinn eines direkten Anspruchs. Finanzinvestoren wollen so viel wie möglich Miete herauspressen oder Wohnungen in Eigentum umwandeln. Die US-Investmentgesellschaft Blackstone hat laut dem Verein Bürgerbewegung Finanzwende die Durchschnittsmiete in ihren Berliner Häusern von 2019 bis 2023 um 22 Prozent erhöht. Im selben Zeitraum stieg die durchschnittliche Bestandsmiete in der Hauptstadt um sieben Prozent.
Wie stehen die globalen Immobilienkapitalisten ökonomisch da?
Vonovia hat zum Beispiel in den vergangenen Jahren Immobilien im Wert von elf Milliarden Euro veräußert. Zur Aktionärsstruktur der Wohnungsgesellschaft gehören die norwegische Norges-Bank und der US-Konzern Blackrock. Antworten auf die Wohnkrise zum Wohl von Mieterinnen und Mietern oder Wohnungslosen sucht man dort nicht. Wir fordern, statt dessen die Wohnraumversorgung in die Hände der Gesellschaft zu übergeben.
Uwe Mehrtens ist politischer Sprecher des »Bündnisses gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn« sowie Leiter des »Sprachcafés Mitte« von der Union für Obdachlosenrechte in Berlin
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