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Aus: Ausgabe vom 24.05.2025, Seite 4 / Inland
International Transport Forum

Freie Fahrt für Faschistin

Protest gegen Teilnahme von israelischer Verkehrsministerin an Konferenz in Leipzig
Von Yaro Allisat
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Protest gegen Miriam Regev vor dem Steigenberger-Hotel in der Leipziger Innenstadt (21.5.2025)

Womöglich esse sie »mit dem französischen oder deutschen Verkehrsminister Pizza, während in Gaza die Kinder sterben«. Gemeint ist die ultrarechte israelische Verkehrsministerin Miriam Regev, die als Rednerin zum diesjährigen International Transport Forum (ITF) nach Leipzig geladen war. Am Freitag endete die Konferenz. Am Mittwoch hatte die palästinasolidarische Organisation Handala zum Protest aufgerufen. Rund 200 Menschen kamen zur Demonstration. »Die Nakba, der Völkermord an den Palästinensern« werde momentan »zu Ende gebracht«, sagte die Rednerin von Handala. Blockiere Israel weiterhin Hilfslieferungen, »könnten in den nächsten 48 Stunden 14.000 Kinder in Gaza sterben«. Die BRD sehe zu, lade Miriam Regev, eine Völkermordsympathisantin, noch ein. Die Organisatoren nahmen gegenüber jW nicht Stellung.

Wenige Minuten später steigt Regev knapp 50 Meter entfernt aus einem Auto und marschiert in das Steigenberger Hotel in der Leipziger Innenstadt. Sie ist Mitglied der Likud-Partei, eine der bekanntesten Politikerinnen Israels und eine der lautesten Stimmen, die für eine Auslöschung der Palästinenser sprechen. Am Donnerstag teilte sie auf Instagram, dass sie mit ihren Amtskollegen über die Verkehrspolitik »in Kriegszeiten« gesprochen, dabei die »Aufrechterhaltung der Bewegungsfreiheit und des Alltagslebens – zu Wasser, in der Luft und zu Lande« betont habe.

Im Februar hatte sie die jüdische Besiedlung des Gazastreifens als offizielles Kriegsziel gefordert, wie Israel National News berichtete. Ebenfalls im Februar hatte eine Gruppe von Anwälten versucht, durch eine Klage zu verhindern, dass Regev an einer Verkehrskonferenz in Marokko teilnehmen konnte. Vorgeworfen wurde ihr die Beteiligung an Kriegsverbrechen in Gaza. In ihrer Erklärung gaben die Anwälte bekannt, dass die Klage darauf abziele, Regev zu »ihrer kriminellen Vergangenheit und ihrer Verantwortung innerhalb der aktuellen Regierung für die Begehung von Kriegsverbrechen und Völkermord« zu befragen. Die Gerichte entschieden für die Zionistin.

Im Mai 2023 sprach Regev sich gegen die Inhaftierung israelischer Soldaten aus, die mutmaßlich Kriegsverbrechen an Palästinensern begangen hatten. Das könnte der Nation schaden. 2018 antwortete sie auf eine Kritik des Künstlers David Tartakover, dass Israel ein faschistischer Staat sei, sie sei »glücklich, Faschistin zu sein«. 2012 bezeichnete sie sudanesische Geflüchtete als »Krebsgeschwür im Körper des israelischen Volkes«. Später entschuldigte sich die Ministerin für die unpassende Formulierung, die »falsch verstanden« worden sei.

Die Politikerin begann ihren Dienst als Sprecherin der israelischen Armee (IDF). Erst wurde sie zum Oberst, 2003 zur Koordinatorin für Öffentlichkeitsarbeit in Büro des israelischen Premiers befördert. Bis 2007 war sie Sprecherin der IDF. Seit 2008 ist sie Mitglied der Likud-Partei, seit 2009 Mitglied der Knesset. Nach ihrer Wiederwahl 2015 diente sie im Kabinett Netanjahus als Kulturministerin. Seit 2020 ist Regev Verkehrsministerin. Sie verkündete ihre Absicht, Chefin der Likud-Partei und Premierministerin werden zu wollen.

»Ich verstehe nicht, wie man mit einem Staat, der das Recht auf Freizügigkeit von Millionen Palästinensern verhindert, über öffentliche Verkehrsmittel sprechen kann«, so Yuval Gal Cohen, Aktivistin im Netzwerk Jüdisch-Israelischer Dissens (JID) auf der Kundgebung in Leipzig. JID hatte zu einer Kundgebung am Leipziger Messegelände aufgerufen. Regev müsse eigentlich auf einer Konferenz über Cybersecurity sprechen. Immerhin werde die zerstörerische Cybertechnologie Israels seit Jahren an den Palästinensern getestet. Die Demonstration von Handala zog direkt vor Regevs Hotel entlang. Die Politikerin schaute unbekümmert aus dem Fenster, die Unterarme auf den Sims gestützt. »Get out«, riefen die Protestierenden. Die Demonstration sei friedlich verlaufen, gab die Polizei an. Dennoch kam es zu Festnahmen und Identitätsfeststellungen.

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