Scholz wäre stolz
Von Kristian Stemmler
Man müsse »endlich im großen Stil abschieben«, wusste Exkanzler Olaf Scholz (SPD) im Oktober 2023. Eineinhalb Jahre und einige Verschärfungen des Asylrechts später trägt sein Diktum Früchte. Einziges Manko: Die Lorbeeren heimst der neue Kanzler ein. Im ersten Quartal 2025 wurden 6.151 Menschen aus der BRD abgeschoben. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Clara Bünger und ihrer Fraktion hervor, die am Freitag veröffentlicht wurde. Im ersten Quartal 2024 waren 4.791 Abschiebungen registriert worden.
Bleibt die Zahl der Abschiebungen derart hoch, lässt sich für das laufende Jahr eine Zahl von mehr als 24.000 Zwangsausweisungen prognostizieren. Das wäre innerhalb von drei Jahren nahezu eine Verdoppelung. 2022 waren knapp 13.000 Verdammte abgeschoben worden. 2023 waren es mehr als 16.400, im vergangenen Jahr dann bereits mehr als 20.000. Angesichts der Ankündigungen von den Koalitionären Union und SPD ist allerdings zu befürchten, dass in den künftigen Monaten noch mehr abgeschoben wird als unter der Ampelregierung.
Mit 5.216 inzwischen »Rückführungen« genannten Zwangsausweisungen erfolgte die Mehrzahl auf dem Luftweg. 913 Menschen wurden auf dem Land- und 22 auf dem Seeweg abgeschoben. Die meisten Abschiebungen gingen demnach in die Türkei (502), darauf folgten Georgien (454), Frankreich (333), Spanien (325) und Serbien (291). 157 Menschen wurden in den Irak abgeschoben. Bei rund 1.700 Abschiebungen handelte es sich um sogenannte »Dublin-Überstellungen« in andere EU-Länder, die nach der Dublin-Verordnung für das Asylverfahren zuständig sind.
Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte das Vorgehen der Behörden. Ihr seien etliche Abschiebungen bekannt, »bei denen die Polizei brutal und ohne jede Empathie vorging«. So seien Familien »eiskalt auseinandergerissen« worden oder kranke Menschen »regelrecht aus dem Krankenhaus entführt und von dort zum Abschiebeflug gekarrt« worden, erklärte Bünger gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland(RND). »Das Prinzip scheint zu sein, dass man mit ausreisepflichtigen Menschen fast alles machen kann«, so die Linke-Politikerin.
Auch die deutsche Justiz sieht offenbar keinen Anlass, auf diese Personengruppe mehr Rücksicht zu nehmen. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte am Donnerstag, dass weder Kindeswohl noch familiäre Bindungen Gründe seien, um Abschiebungen zu verbieten. Das deutsche Aufenthaltsgesetz beziehe sich an dieser Stelle nur auf Gefahren, die den Betroffenen im Zielland drohten. Mehrere Fälle verwies das Gericht damit zurück an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Geklagt hatten Ausländer mit Familie in Deutschland, deren Asylanträge abgelehnt worden waren.
Unterdessen gab die Regierung auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich (Grüne) an, dass die wieder eingeführten Kontrollen an den deutschen Grenzen in einem halben Jahr mindestens 50 Millionen Euro kosten würden, wie das RND berichtete. Im genannten Betrag sind die Mehrkosten für die Einsätze an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz allerdings nicht enthalten. Emmerich kritisierte, die stationären Grenzkontrollen verschlängen »auf Dauer Hunderte Millionen Euro«. Das Geld fehle »an entscheidender Stelle für unsere innere Sicherheit«.
Kritik an der von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordneten Verschärfung der Grenzkontrollen kam unter anderem von Altkanzlerin Angela Merkel (CDU). Bei einer Veranstaltung in Neu-Ulm betonte sie, dass sie nicht glaube, »dass wir die illegale Migration an der deutsch-österreichischen oder deutsch-polnischen Grenze abschließend bekämpfen können«. Sie plädierte für »europäische Lösungen«. Anders als die Altkanzlerin glaubt die Mehrheit der Deutschen indes an die Wirksamkeit der Kontrollen. Das ergab zumindest das ZDF-Politbarometer am Freitag. Dass durch diese Kontrollen deutlich weniger Asylsuchende und Flüchtlinge nach Deutschland kommen würden, erwarten demnach 51 Prozent der Befragten.
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