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Aus: Ausgabe vom 24.05.2025, Seite 1 / Titel
Gazakrieg

Panzer, Hunger, Tod

Viele Opfer in Gaza bei neuen Angriffen Israels. Hilfslieferungen laut UNO »Tropfen im Ozean«
Von Arnold Schölzel
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Gaza-City am 22. Mai: Letzte Zuflucht in Zeltlagern am Strand

Die westlichen Nachrichtenagenturen stehen auf seiten Israels, aber das Ausmaß der Vernichtung in Gaza macht deren Kleinreden zunichte. Also berichtete dpa am Freitag, bei israelischen Angriffen seien in der Nacht 53 Menschen in Gaza getötet worden. Wegen der großen Zerstörung hätten Rettungsteams bislang nicht alle Opfer in Krankenhäuser bringen können. Das israelische Militär habe mitgeteilt, Soldaten gingen auch weiterhin gegen »Terrororganisationen im gesamten Gazastreifen« vor und die Luftwaffe habe mehr als 75 Ziele angegriffen. Insgesamt kamen laut der palästinensischen Gesundheitsbehörde, der im Westen rituell »von der Hamas kontrolliert« beigefügt wird, bisher mehr als 53.800 Menschen ums Leben, darunter laut UNICEF etwa 15.000 Kinder. WAFA zählt rund 175.000 Tote und Verletzte, zumeist Frauen und Kinder, seit dem 7. Oktober 2023, 11.000 Personen seien vermisst.

Rituell ist auch, Verlautbarungen der israelischen Regierung eins zu eins wiederzugeben. Bei dpa am Freitag: »Nach elfwöchiger Blockade durch Israel sind erste Hilfsgüter mit tagelanger Verzögerung bei notleidenden Menschen im Gazastreifen angekommen.« Irgendwann kamen aber UN-Vertreter zu Wort: »UN-Nothilfechef Tom Fletcher begrüßte, dass die ersten Lastwagenladungen ausgeliefert seien; sie seien jedoch nur ›ein Tropfen im Ozean im Vergleich zu dem, was dringend benötigt wird‹.« Vor dem Gazakrieg waren rund 500 Lkw mit Hilfsgütern pro Tag gekommen. Der Gesundheitsminister der Palästinensischen Nationalbehörde im Westjordanland, Maged Abu Ramadan, erklärte laut dem TV-Sender Al-Dschasira, in den vergangenen Tagen seien mindestens 29 Kinder und Ältere »hungerbedingt« gestorben. Dpa schreibt dazu, das lasse sich nicht unabhängig überprüfen. Vielmehr folgen Agentur und die meisten ihrer Kunden bereitwillig Israels Armee, die in Gaza generell keine Nahrungsmittelknappheit erkennen kann. Im übrigen solle damit der Druck erhöht werden, die restlichen Geiseln freizulassen.

Ebenso zynisch liefern deutsche Politiker täglich ihre Zustimmung zu israelischen Panzern, Bomben und Erschießungen in Gaza ab. Am Freitag erledigte das der Bundesrat, der die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel vor 60 Jahren mit einer Erklärung würdigte. Das Wort »Sorge« kommt darin einmal vor: »Der Bundesrat unterstreicht seine Sorge, dass es seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel auch in Deutschland zu einer Zunahme antisemitischer Vorfälle sowie zu antiisraelischen Hassdemonstrationen gekommen ist, bei denen das Existenzrecht Israels geleugnet und zur Beseitigung des israelischen Staates aufgerufen wurde.« Wo das geschehen ist, wurde zumindest nicht berücksichtigt, dass die Existenz der einzigen Atommacht im Nahen und Mittleren Osten ziemlich gesichert erscheint. Am Vorabend der Bundesratssitzung hatte übrigens die ARD-Sendung »Monitor« daran erinnert, dass gleichzeitig mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur BRD 1965 deutsche illegale Waffenlieferungen bekanntwurden. Seine Atombomben entwickelte Israel zusammen mit dem Apartheidstaat Südafrika.

Deutsche Waffenhilfe seit Jahrzehnten, Atombombenfertigung mit rassistischen Unterdrückern, genozidale Aktionen gegen Gaza und die dazu adäquate Redeweise von »sterilen Zonen« (Ministerpräsident Benjamin Netanjahu) oder: Palästinenser vor deren Vertreibung »konzentrieren« (Minister Bezalel Smotrich) – die deutschen Schönfärbrituale reichen nicht mehr aus.

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  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (26. Mai 2025 um 14:12 Uhr)
    Palästina ohne Zukunft. Für einen Staat Palästina gibt es keine Zukunft im Nahen Osten! Eine eigenständige Staatsbildung mit einer gemeinsamen Grenze würde zu einer fortwährenden wechselseitigen Abschlachtung der jeweiligen Bevölkerung führen. ► Ein idealistisches Wunschdenken wäre ein gemeinsamer palästinensisch-israelischer Staat. Dem es aber unter den jeweiligen religiösen Prägungen und im Kapitalismus nicht geben kann. ► Aus der europäischen Geschichte: Zum militärischen Ende des Faschismus und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 13 Millionen Menschen aus deutschen Ostgebieten und den vormaligen osteuropäischen deutschen Besatzungsgebieten vertrieben und ausgesiedelt. Die Mehrzahl fand in Westdeutschland eine neue wirtschaftliche und soziale Existenz. ► Fazit: Heute gibt es allenfalls für fünf Millionen Palästinenser außerhalb des Nahen Ostens eine mögliche staatliche Zukunft? Die arabisch-islamischen Staaten lehnen deren Aufnahme und Umsiedlung ab. So auch die Monarchisten und Prinzen der Golfmonarchien; die als einzige islamisch-kapitalistische Macht auch über die materiellen und finanziellen, wie über die territorialen Mittel für eine Aufnahme und palästinensische Staatsbildung verfügen. ► PS: Allerdings brauchen die parasitären Monarchisten und Prinzen die Palästinenser im Krieg gegen Israel um von ihrem einseitigen Reichtum abzulenken. So könnten sie doch auch mit dem vorhandenen Reichtum die arabischen Völker aus der Armut befreien und die lebenslange Alimentierung der Mehrheit der Palästinenser beenden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Raimon B. aus chemnitz (25. Mai 2025 um 20:33 Uhr)
    Jeden Tag Meldungen über die vorsätzliche und systematische Tötung von Kindern, Frauen und Männern durch israelische Soldaten. Munition und Waffen kommen aus dem Wertewesten zum Einsatz, und Skrupel bei Bombardierung von Wohn- und Krankenhäusern gibt es darüber weder bei den Militärs noch den Politikern. Seit Monaten verhindern die israelischen Machthaber die Versorgung der palästinensischen Bevölkerung und sie nehmen der Hungertod der Bevölkerung in Gaza in Kauf. Damit wird eine Politik betrieben, die bereits 1947 mit der Nakba begann. Vertreibung und Flucht der arabischen Palästinenser während des Palästinakrieges sowie die Enteignung ihres Landes, Eigentums und Besitzes, von denen rund 700.000 Menschen unmittelbar betroffen waren. Im Geschichtsbild von Palästinensern und ihren Fürsprechern wird die Nakba als von Anfang an geplante ethnische Säuberung durch das israelische Militär und paramilitärische zionistische Gruppen beschrieben. Die Pläne und Ereignisse im Gaza liefern wohl den Beweis dafür. Die Flüchtlingslager mit Tausenden Menschen existieren weiterhin. Den UN-Beschlüssen u. a. gegen die aggressive Siedlungspolitik haben sich alle bisherigen israelischen Regierungen verweigert. Im mörderischen israelischen Krieg setzen die Regierungen der Europäischen Union (»Friedensnobelpreisträger«), der USA und anderer westlicher Staaten auf eine schönfärberische und verleumderische Informationspolitik und ganz, ganz zaghafte kritische Worte. In fataler und heuchlerischer Weise wird für die Rechtfertigung der Unterstützung des mörderischen Vorgehens Israels gegenüber den Palästinensern auf die sogenannte Staatsraison verwiesen. Völlig unzutreffend wird dabei auch immer wieder Israel auf das »jüdische«, also die Glaubensbezeichnung, in allen gesellschaftlich Bereichen sowie Bezeichnungen reduziert. Israel ist aber ein imperialistischer Staat mit allen Rechten und Pflichten eines UN-Mitgliedes, ohne irgendwelche Ausnahmen.
    • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (26. Mai 2025 um 16:19 Uhr)
      Im Staat Israel leben über eine Million Palästinenser als israelische Staatsbürger*innen die in keinem arabischen Land leben möchten! Muslime kämpfen auch in der Armee Israels gegen die rechtsradikale und feudal-faschistische Hamas und der antijüdischen Rassisten der Hisbollah. Für einen eigenen palästinensischen Staat oder einen gemeinsamen Staat gibt es infolge des 7. Oktober 2023 keine Zukunft in Nahost. Allenfalls auf dem Territorium der Golfmonarchien für fünf Millionen Palästinenser wäre ein Staat möglich. Dagegen wehren sich aber die Monarchisten und Prinzen. PS: Wer wie Katar 240 Milliarden Dollar für den Wahnsinn der sinnlosen Fußball-WM verschleudern konnte, der kann auch die Umsiedelung der alimentierten arabisch-palästinensischen Bevölkerung finanzieren.

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