Beitragsschock für Privatversicherte
Von Oliver Rast
Das wird privatversicherten Patienten übel aufstoßen: Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung (PKV) erhöhen zur Jahresmitte die Beiträge für ihren Standardtarif, berichtete das Deutsche Ärzteblatt am Donnerstag. Nicht um ein paar Prozentpunkte; nein, um ein Viertel. Grund seien laut PKV gestiegene Leistungsausgaben. Konkret bedeutet das, dass die monatlichen Beiträge, die bei der PKV Prämien heißen, ab 1. Juli von 400 Euro auf 500 Euro erhöht werden. Nur: Die vergangene Preisrunde liegt erst ein Jahr zurück mit einem Beitragsaufschlag von 9,3 Prozent.
Der Standardtarif ist an strenge Voraussetzungen geknüpft – und vor allem an ältere Versicherte mit geringen finanziellen Mitteln gerichtet. Das heißt: Frei wählbar ist er nicht, er steht nur privat Versicherten innerhalb der derselben Versicherung offen, wenn sie älter als 65 Jahre sind und ihre Vollversicherung vor 2009 abgeschlossen haben, erklärt das Ärzteblatt. Oder Personen ab 55 Jahren, wenn ihr Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegt. Das sind heuer 66.150 Euro im Jahr.
Der 1994 eingeführte standardmäßige Tarif ist bei allen anspruchsberechtigten Versicherern der gleiche, also ein brancheneinheitlicher. Dieser vergleichsweise moderate Beitragssatz soll dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zufolge eine »soziale Schutzfunktion« erfüllen. Zum Jahresende 2024 seien rund 53.900 Menschen im Standardtarif versichert gewesen, was etwa 0,6 Prozent der privat Versicherten entspreche, so der Spiegel online am Donnerstag.
Wie rechtfertigt der PKV-Verband den Kostensprung? Ein großer Teil der Erhöhung gehe auf den stationären Sektor zurück, bemerkt das Ärzteblatt. Demnach hätten die Anhebung der Landesbasisfallwerte um 4,4 Prozent sowie Nachforderungen der Krankenhäuser auf Pflegeentgelte aus den Vorjahren die Kassen der PKV in dem Jahr stark belastet. Allein zwischen 2021 und 2023 seien die Kosten für die Pflege um 37,5 Prozent je durchschnittlichem Pflegetag in der Klinik gestiegen. Zudem seien die Zahlen elektiver, nicht notfallmäßiger Operationen in die Höhe geschossen, die in den Vorjahren wegen der Coronakrise nicht ausgeführt worden waren.
Der Sozialverband VdK sprach am Donnerstag in einer Mitteilung von einem »PKV-Beitragsschock«. Die 25prozentige Prämienerhöhung sei nicht nur eine enorme finanzielle Belastung, »sondern sie zeigt auch, wie wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse der Versicherten genommen wird«, monierte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Schlimmer noch, die PKV stelle ein Risiko für Altersarmut dar. Denn dem Gros der Privatversicherten sei nicht bewusst, dass sie die in jungen Jahren eingesparten Beiträge konsequent zurücklegen müssten, sonst komme im Alter der Schrecken ob horrender Zusatzkosten.
Deshalb sei gesundheitspolitisch auf eine solidarische Krankenversicherung hinzuwirken, »durch die alle Menschen gleichermaßen abgesichert sind«, fordert Bentele. Denn: Krankheit im Alter dürfe nicht zum Finanzrisiko werden. Niemals.
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