Minderjährig und gewaltbereit
Von Kristian Stemmler
Sie nannten ihre Gruppe »Letzte Verteidigungswelle«, verstanden sich als letzte Instanz zur Verteidigung der »deutschen Nation«. Polizeibeamte haben am frühen Mittwoch morgen bei Razzien in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen fünf Mitglieder einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle festgenommen. Die Gruppe soll Anschläge auf Geflüchtete und politisch Andersdenkende geplant haben und für einen Brandanschlag auf ein Kulturhaus im brandenburgischen Altdöbern im Oktober 2024 verantwortlich sein. Das teilte die Generalbundesanwaltschaft mit, die die Ermittlungen übernommen hat. Durchsuchungen gab es in 13 Objekten, in den drei genannten Bundesländern sowie in Sachsen und Thüringen.
Besonders erschreckend: Die fünf Festgenommenen – Benjamin H., Ben-Maxim H., Jerome M., Lenny M. und Jason R. – sind nach Angaben der Karlsruher Behörde alle noch im Jugendalter, zwischen 14 und 18 Jahren alt. Darauf nahm Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) am Mittwoch in einem Statement zu den Ermittlungen Bezug. Es sei »besonders erschütternd«, dass alle Festgenommenen bei Gründung der Terrorgruppe noch minderjährig gewesen seien, sagte Hubig laut dpa. Es sei auch Aufgabe der Politik, der Radikalisierung gerade auch von Jugendlichen entgegenzuwirken.
Die Gruppe »Letzte Verteidigungswelle« gründete sich laut Bundesanwaltschaft spätestens im April 2024. Ihr Ziel sei es, »durch Gewalttaten vornehmlich gegen Migranten und politische Gegner einen Zusammenbruch des demokratischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen«. Konkret gehe es dabei, so die Bundesanwaltschaft, um Brand- und Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberheime und Einrichtungen der Linken, »dies gegebenenfalls auch mit tödlichem Ausgang«. Benjamin H., Lenny M. und Jason R. sehen die Ermittler als Rädelsführer der Gruppe.
Lenny M. und Jerome M. wirft die Bundesanwaltschaft den Brandanschlag auf das Kulturhaus in Altdöbern am frühen Morgen des 23. Oktober 2024 vor, der als »versuchter Mord« eingestuft wird. Der Gebäudekomplex sei damals von mehreren Personen bewohnt gewesen, die lediglich »durch Zufall nicht verletzt wurden«. Der Saal, der für Konzerte, Vereinstreffen und ähnliches genutzt wurde, brannte damals komplett nieder, es entstand ein Sachschaden von etwa 500.000 Euro. Auch der jetzt festgenommene Ben-Maxim H. war nach Erkenntnissen der Ermittler beteiligt, entwarf eine Rede, mit der Lenny M. die Tat in einem Video ankündigte.
Parallel zu den Razzien gegen die Gruppe »Letzte Verteidigungswelle« gingen Ermittler in Mecklenburg-Vorpommern am Mittwoch gegen eine rechte Chatgruppe junger Menschen vor. Rund 100 Polizeibeamte durchsuchten sechs Objekte in den Landkreisen Nordwestmecklenburg und Rostock. Wie das Landeskriminalamt mitteilte, hätten die Beschuldigten – mehrheitlich Heranwachsende, vereinzelt Jugendliche – in der Whats-App-Gruppe »rechtsextreme Inhalte« ausgetauscht und zur Begehung von Straftaten aufgerufen.
Sowohl die Ermittlungen gegen die Chatgruppe wie die gegen die »Letzte Verteidigungswelle« werfen ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, über die Medien bereits im April berichteten. So sprach der inzwischen entlassene Brandenburger Verfassungsschutzchef Jörg Müller damals von einer neuen Neonazibewegung, deren Anhänger sehr jung seien und die an die Skinheadbewegung der 90er Jahre erinnere. Müller sprach von »gewaltbereiten, subkulturellen Nationalsozialisten«. Ein Massenphänomen sei dies bislang nicht, es handele sich um Gruppen in zweistelliger Größe. Die Taz nannte diverse Gruppen junger Neonazis, die sich auf Onlineportalen wie Tik Tok oder Instagram offen präsentieren und ihre Aktionen klandestin in geschlossenen Chatgruppen planen: so »Jung und Stark«, »Deutsche Jugend Voran«, »die Elblandrevolte« oder »Der Störtrupp«.
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