Berliner Polizei am 8. Mai: Uninformiert, übergriffig, willkürlich

Zum Vorgehen der Berliner Polizei am 8. Mai 2025 veröffentlichten die Berliner VVN-BdA und das Rote Antiquariat am Montag eine gemeinsame Erklärung:
Zu glauben, am 80. Jahrestag der Befreiung der Opfer des Faschismus, der Befreiten und Befreier unter den misstrauischen Augen der Staatsgewalt – in diesem Falle der eingesetzten Polizei – in Würde gedenken zu können und auch durch das Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt zu sein, war so falsch wie naiv. Am Bebelplatz, wo die zentrale Gedenkveranstaltung der Berliner VVN-BdA stattfand, wurde schon beim Aufbau der Bühne jedes Transparent, jedes Plakat, jedes Infomaterial auf unserem Büchertisch »überprüft«, fotografiert und an eine Dienststelle weitergeleitet. Eine Polizistin fragte telefonisch nach, ob denn der Slogan »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen« erlaubt sei, ein Polizist glaubte im Roten Winkel unserer Vereinigung, der auf unseren Transparenten und Fahnen zu sehen ist, ein »Hamas-Dreieck« zu erkennen, das verboten sei. An anderen Stellen in der Stadt, z. B. am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow, versuchten Polizisten anfangs, Menschen das Tragen von Tüchern der VVN-BdA zu untersagen; schließlich seien das die Farben der russischen Fahne.
Im Laufe der Veranstaltung am Bebelplatz verbot die Polizei dem mobilen Infostand des »Roten Antiquariats«, das antifaschistische und linke Literatur vertreibt, am Denkmal für die Bücherverbrennung 1933 durch die Nazis über die Schriftsteller, deren Bücher die Nazis verbrannten, zu informieren und deren Bücher zu vertreiben. Die Autoren waren vielfach aus Deutschland vertrieben oder in den Tod getrieben worden. Dass die Veranstalterin diese Bücher als Bestandteil der Veranstaltung und des Gedenkens bezeichnete, wurde ignoriert, das Denkmal zum Absurdum geführt.
Ein Mitarbeiter der Firma, die die Bühne aufbaute, wurde gezwungen, einen Pullover auszuziehen, auf dem vermeintlich ein »Z« zu sehen sei – es handelte sich um das Wort »Chaoz«, Name einer Punkrockband. Seine Personalien wurden überprüft. Wenig später wurde die Sache sang- und klanglos fallen gelassen. Der Bitte unsererseits wiederum, zwei jugendliche Neonazis, die mit »White Power«-Zeichen provozierten, von der Veranstaltung fernzuhalten, wollten die Beamten anfangs nicht nachkommen: ihre Teilnahme sei doch durch die Versammlungsfreiheit gedeckt.
All diese Vorfälle werten wir als ungerechtfertigte Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und als einen würdelosen, geschichtsvergessenen Umgang mit den Teilnehmern und dem Anlass unserer Veranstaltung. (…) Das Vorgehen schien von oben gedeckt zu sein. Ob diese Maßnahmen gesetzlich gedeckt waren, zweifeln wir an, dass ihnen jede Verhältnismäßigkeit fehlte, war offensichtlich. Wir als Veranstalterin sahen uns an mehreren Stellen gezwungen, dieser Polizeiwillkür nachzugeben, um einen würdigen Ablauf unserer antifaschistischen Gedenkveranstaltung zu sichern – einen größeren Polizeieinsatz, während Antifaschisten, ältere Nachkommen von NS-Opfern und Widerständler redeten, wollten wir vermeiden.
Dass der Staat und die Behörden, die in der Nachfolge des NS-Staates stehen, sich anmaßen, das Gedenken an die Opfer des NS und die Befreiung vom Faschismus autoritär zu bestimmen und zu kontrollieren, es den Vertretern der Opfer und des antifaschistischen Widerstands enteignet, das macht uns wütend und fassungslos. Dass dies von der Polizei jederzeit durchgesetzt wird, macht uns Sorgen. (…)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Gerhard R. H. aus Halberstadt (22. Mai 2025 um 10:13 Uhr)Wen wundert dieses Vorgehen der Polizei und diverser Sicherheitsorgane, kennen wir doch die Staatsdoktrin der BRD und wissen wir doch um deren Gründergeneration. Ich kann mich bestens daran erinnern, wie die BRD nach der feindlichen Übernahme der DDR, auf massive Weise gegen den Antifaschismus, der in der DDR Staatsdoktrin und Verfassungsgrundsatz war, mit allen möglichen Mitteln vorging. Die Diffamierung des Antifaschismus seitens der BRD-Ideologen als »staatlich verordnet«, war da noch das geringste Übel, so zog die Konrad-Adenauer-Stiftung mit einer »Ausstellung« in Schulen durch die neuen Bundesländer, in der mit Niedertracht der geübte Antifaschismus in der DDR durch den Dreck gezogen wurde. Gleichzeitig schützte die Polizei die vom Westen organisierten Naziaufmärsche und ging massiv gegen Gegendemonstranten vor. Aber wen wundert’s, denn: »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch.« (Bertolt Brecht)
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