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Aus: Ausgabe vom 22.05.2025, Seite 5 / Inland
GEW-Gewerkschaftstag

Hauptsache Demokratie

GEW-Gewerkschaftstag in Berlin. Wiedergewählte Vorsitzende argumentiert gegen rechts und Aufrüstung
Von Susanne Knütter
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Gegen »rechte Narrative kämpfen«: Maike Finnern wurde am Mittwoch mit 93,8 Prozent der Stimmen zur GEW-Vorsitzenden wiedergewählt

Demokratie – das sei keine Herrschaftsform, sondern ein Wert an sich: So wird es in der Schule gelehrt. Es ist daher auch kein Wunder, dass die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Demokratie in den Mittelpunkt ihres 30. Gewerkschaftstags stellt. »Demokratie beginnt mit Bildung« so das Motto der diesjährigen Vollversammlung. Blöd nur, wenn man konstatieren muss, dass dieser Grundsatz hierzulande permanent gebrochen wird.

So kritisierte die am Mittwoch wiedergewählte GEW-Vorsitzende Maike Finnern, ihre Gewerkschaft erstelle immer wieder Studien zur Überlastung von Lehrern, die Kultusministerkonferenz ignoriere aber deren Ergebnisse. Auch die nach wie vor ungleichen Bildungschancen und das Kooperationsverbot, das einer finanziellen Förderung der Länder durch den Bund weitgehend entgegensteht, monierte Finnern, auch, dass ein Normalverdiener im Schnitt 47 Prozent Steuern und Abgaben bezahlt, Superreiche aber nur 27 Prozent.

Verteilungskämpfe gebe es aber »in jeder Gesellschaft«. Entsprechend kritisierte Finnern zwar die dafür politisch Verantwortlichen. Kämpfen müssten die Gewerkschaften aber vor allem gegen rechte Narrative. Die stellten materielle Verteilungsdebatten als Kampf zwischen Kulturen, Geschlechtern, Generationen dar. Es sei klarzumachen, die Verteilungskämpfe fänden statt »zwischen Arm und Reich, mächtig und ohnmächtig, zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten«. Die GEW müsse diese Kämpfe mit und für die Schwächeren führen.

Das ist irgendwie richtig und wichtig, aber nicht hinreichend. So auch nicht verwunderlich, dass Delegierte in der Aussprache zu Finnerns Bewerbungsrede manches genauer wissen wollten. Katharina Niebergall aus Nordrhein-Westfalen kritisierte, die GEW-Vorsitzende habe das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur zu positiv beurteilt. Sie verwies auf die Grundgesetzänderung, wonach das Sondervermögen komplementär zu den Rüstungsausgaben – die Finnern selbst auch kritisch sieht – stehe. »Sprich, Kriegstüchtigkeit ist das Stichwort, mit dem Infrastrukturänderungen begründet werden sollen. Und wir werden dafür die Zeche zahlen«, so Niebergall.

Florian Muhl aus Hamburg sprach von den aktuellen politischen Angriffen auf Zivilklauseln und den bayerischen Plänen, die Kooperation von Hochschulen mit dem Militär zu fördern. Er wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass die unglaublichen Summen für Aufrüstung und Tötungsmaschinen rechte Kräfte tendenziell stärkten. Beide Redner wollten von Finnern wissen, ob und wie die GEW im Bündnis mit anderen Gewerkschaften eine Gegenmacht zu dem aktuellen Kriegskurs aufbauen und wie sie das Thema in Tarifkämpfe einbringen sowie die innergewerkschaftliche Debatte darum fördern möchte.

Sie finde »das Finanzieren von Dingen über Sondervermögen eigentlich gar nicht richtig«, erklärte Finnern darauf. Deshalb fordere die GEW eine Steuerreform. Die potentiell grenzenlose Aufrüstung, die die Grundgesetzänderung möglich gemacht hat, müsse gestoppt werden, betonte sie. Man könne überlegen, Bündnispartner während Tarifauseinandersetzungen zu Streikaktionen einzuladen. Aber in Tarifrunden gehe es in erster Linie um das Thema der Tarifrunde.

Ein Kollege aus Frankfurt hatte aufmerksam zugehört, als Finnern sich in Bezug auf die AfD auf den Verfassungsschutz als vertrauenswürdige Quelle bezogen hatte. Er wollte wissen, ob das auch in Bezug auf Berufsverbote gelte. Eine schlüssige Antwort konnte Finnern nicht geben. »Wie können wir Kriterien entwickeln, um eine Partei als gesichert rechtsextrem einzustufen?«, fragte sie. »Da haben wir den Verfassungsschutz.« Das heiße aber nicht, die Berufsverbote-Debatte sei vergessen. »Wir haben aus den historischen Erfahrungen gelernt, Regelanfragen (…) führen dazu, dass sie sich gegen die Linken richten und nicht gegen die Rechten.« Deshalb sei klar, eine durchgängige Regelabfrage, wie derzeit wieder debattiert, könne nicht das Mittel der Wahl sein. Sie sei zuversichtlich, dass das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD gerichtlich bestätigt wird. »Dann haben wie eine andere Grundlage.«

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