Frostiges Treffen am Bosporus
Von Reinhard Lauterbach
Russland und die Ukraine haben ihre ersten Direktverhandlungen seit über drei Jahren nach weniger als zwei Stunden abgebrochen. Die Gespräche in Istanbul verliefen offenbar in eisiger Atmosphäre. Beide Seiten verbaten sich Fernsehaufnahmen mit Händeschütteln, die Gespräche wurden nach ukrainischen Berichten über einen Dolmetscher geführt. Eigentlich sollte über den Inhalt Stillschweigen bewahrt werden, aber die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf einen ukrainischen Teilnehmer, Russland stelle »unrealistische« Forderungen: Als Vorbedingung für einen Waffenstillstand solle die Ukraine ihre Truppen von der Frontlinie zurückziehen. Eine Bestätigung dieser Darstellung von russischer Seite gab es zunächst nicht.
Am Freitag morgen hatte die ukrainische Seite ihre Verhandlungsstrategie nochmals mit hohen Beamten aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie den USA abgestimmt. US-Außenminister Marco Rubio äußerte sich schon vor Gesprächsbeginn skeptisch über die Erfolgsaussichten. Präsident Wolodimir Selenskij meldete sich aus der albanischen Hauptstadt Tirana zu Wort, wo er an einem Treffen der antirussischen Plattform »Europäische Politische Gemeinschaft« teilnahm. Er verlangte eine sofortige Waffenruhe für mindestens 30 Tage und lehnte territoriale Zugeständnisse an Russland grundsätzlich ab. Damit setzte er sich in Gegensatz zu dem Vorschlag von US-Präsident Donald Trump, die Zugehörigkeit der verlorenen Gebiete zu Russland wenigstens de facto anzuerkennen. Der ukrainische Delegationsleiter, Verteidigungsminister Rustem Umerow, forderte auch die Rückkehr jetzt in Russland lebender »entführter« ukrainischer Kinder und den Austausch sämtlicher Kriegsgefangenen.
Das Scheitern der Gespräche erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich die beiden Präsidenten des Themas persönlich annehmen müssen. Trump sagte auf dem Rückflug vom Nahen Osten in die USA, er sei zu einem solchen Treffen bereit; Wladimir Putins Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow erklärte, Russland habe nichts gegen eine solche Begegnung, sie müsse aber gründlich vorbereitet werden. Der Krieg geht in der Zwischenzeit weiter – beide Armeen beschossen Ziele im jeweils anderen Land mit Drohnen und Raketen, auf der Krim soll ein russisches Munitionslager getroffen worden sein.
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