Philippinischer Clanclinch
Von Rainer Werning
Das Resultat bietet ein getreues Spiegelbild der Philippinen. Und zwar eines gesellschaftlich tief zerrissenen Landes, in dem die politischen Lager noch nie dermaßen gespalten waren und auch weiterhin von den dominanten Familienclans geprägt bleiben. Die Rede ist von den Wahlen am Montag. Während in der medialen Berichterstattung die Neuwahl der Hälfte des 24köpfigen Senats im Fokus stand, ging es bei der Stimmabgabe auch um die Neubesetzung Tausender lokaler und regionaler politischer Ämter sowie des Repräsentantenhauses in Manila. Es gab teils faustdicke Überraschungen, die vor allem die Meinungsforschungsinstitute wie begossene Pudel dastehen ließen. Überschattet blieb alles durch einen staatlich geschürten Antikommunismus, der als einzig intaktes Bindeglied zwischen sämtlichen widerstreitenden Fraktionen der herrschenden Eliten dient.
Die Kampagnen vor dem Stichtag waren ein sich quälend hinziehender Krampf, in dem wichtige politische, soziale und wirtschaftliche Probleme wie Armutsbekämpfung, Überwindung der Bildungsmisere und tiefe Einschnitte im Gesundheitsbereich keinerlei Rolle spielten. Statt dessen bekämpfte sich die oberste Staatsführung bis aufs Messer, als finde ein Wettkampf darum statt, wer die Reputation des Landes am schnellsten und tiefsten zu ramponieren vermag. Präsident Ferdinand »Bongbong« Marcos Jr. war mitverantwortlich dafür, dass sein Vorgänger Rodrigo Duterte Mitte März an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt wurde und sich dort wegen Verbrechen gegen die Menschheit im Zuge seines desaströsen »Antidrogenkrieges« zu verantworten hat. In Abwesenheit gewann der Expräsident am Montag die Bürgermeisterwahlen in seiner Heimatstadt Davao mit großem Abstand. Sara Duterte, seine Tochter und aktuelle Vizepräsidentin, führt seit Monaten einen Feldzug gegen ihren Vorgesetzten, dem sie öffentlich bereits mehrmals den Tod gewünscht hat. Sie sieht sich wegen Korruption und Veruntreuung staatlicher Gelder mit vier Amtsenthebungsverfahren konfrontiert, worüber der Senat mit einer Zweidrittelmehrheit zu befinden hat.
Im neuen Senat herrscht nunmehr eine Pattsituation, da jeweils fünf Senatoren dem Marcos- beziehungsweise Duterte-Lager zugehören. Mit Paolo Benigno »Bam« Aguirre Aquino IV. und Francis »Kiko« Pangilinan zogen zwar überraschenderweise zwei Liberale in den Senat ein, doch sollte die Vizepräsidentin ungeschoren davonkommen, wofür vieles spricht, hätte sie die Chance, aus den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2028 als strahlende Siegerin hervorzugehen. Dann stünde eine Abrechnung an, die das Potential hätte, bürgerkriegsähnliche Zustände zu provozieren. Für die Duterte-Anhänger ist und bleibt der Familienpatriarch ein Messias. Scheveningen, jener Stadtbezirk Den Haags, wo Duterte sr. hinter Gittern sitzt, ist zwischenzeitlich zu einem Wallfahrtsort seiner Gemeinde geworden, wo – sehr zum Leidwesen der lokalen Bevölkerung – ausgiebige Picknicks mit Karaokebegleitung en vogue sind.
Für die radikale Linke glich die Wahlkampfzeit einem noch harscheren Spießrutenlauf. Seit 2018 ist nämlich mit der Nationalen Taskforce zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (NTF-ELCAC) eine staatliche Behörde damit betraut, mit Hilfe eines sogenannten allseitig-nationalen Ansatzes die Kommunistische Partei (CPP) und ihre Guerillaformation, die Neue Volksarmee (NPA), »endgültig aufzureiben«. Die NTF-ELCAC liefert die Infrastruktur und Logistik für staatlichen Terror, die von Duterte sr. ins Leben gerufen wurde und in Marcos Jr. einen strammen Gewährsmann findet. Internationale Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt deren Auflösung gefordert.
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