Küßchen  für die Kanzlerin, Jubel-Badenser in der abgeriegelten Geisterstadt,  Obamas Druck auf Europa, geschickte Fallen für die Gipfel-Gegner,  warum der Protest am Freitag so gering ausfiel und ersich  trotzdem lohnt - eine Auswahl von Berichten und Kommentaren vom Freitag.
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Bild.de,  3.4. 
  
Ein  Küsschen für die Kanzlerin 
  
Die  Obamas sind in Deutschland! Am Nachmittag ist US-Präsident Barack  Obama (47) mit seiner Frau Michelle (45) in Baden-Baden gelandet. Sie  wurden von Kanzlerin Angela Merkel (54, CDU) und Ehemann Joachim  Sauer mit militärischen Ehren auf dem historischen Marktplatz  empfangen. Anlass: Die Nato wird 60 Jahre alt! 
  
Und  die Begrüßung fiel herzlich aus! Obama und Merkel – sie wirkten  so vertraut! Wann werden sie sich duzen?   
  
  
Quelle
  
 Kölner  Stadt Anzeiger, 3.4. 
  
200  Jubel-Badenser für Barack Obama 
  
... Hier  muss wohl Deutschland sein. An der Außenwand des schmucken Rathauses  aus dem Jahr 1882 rankt knorriger alter Wein entlang. Schmissige  Marschmusik dringt vom Marktplatz herüber. Neben dem ovalen  Eichentisch im Innenhof haben sich junge Damen in Schwarzwaldkostüm  aufgebaut. Die Frühlingssonne lässt das Gesteck aus weißen-roten  Ranunkeln und blauen Glockenblumen erstrahlen, das den Staatsgast in  den Farben seiner Landesflagge begrüßt. Stolz präsentiert  Landesvater Günther Oettinger vorab schon einmal das Gastgeschenk:  Ein beigefarbener Steiff-Bär. Lustigerweise hat man ihn in einen  Sack mit Nato-Tarnung gesteckt, auf dem in Englisch steht: „Euer  erster Verbündeter war ein Baden-Württemberger."   
  
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Doch  die schönen Bilder aus dem propper herausgeputzten Baden-Baden  zeigen nur die halbe Wahrheit. Gerade einmal 200 sorgsam ausgewählte  Bürger dürfen Obama auf dem Marktplatz mit kleinen Fähnchen  zuwinken. Der Rest bleibt in einer zum Hochsicherheitstrakt mutierten  Gespensterstadt vom Geschehen ausgesperrt." 
  
Quelle
  
 FAZ.Net,  3.4. 
  
Der  Rhein, ein Freund der Polizisten 
  
Das  Glück der Polizei an diesem Tag ist der Rhein...   
  
  
...  Die  Demonstranten sitzen in einer strategischen Falle: Ihr genehmigtes  Camp liegt im südlichen Straßburger Stadtteil Glanzau, von dort  braucht man in die Straßburger Innenstadt mindestens eine Stunde,  bis Kehl oder Baden-Baden kommen sie schon gar nicht. Und den  Demonstranten, die aus Frankreich ausreisen wollen, verweigert die  Polizei die Einreise nach Deutschland, wo es kein Camp gibt. 
  
...  die Polizei hat allein zwanzig Konfliktberater geschickt, die  Demonstranten haben gleich ihre Anwälte mitgebracht. Weil der  Lautsprecherwagen der Demonstranten von der Polizei beschlagnahmt  wurde, nimmt Monty Schädel, der Organisator des Protests, bekannt  aus den Tagen von Heiligendamm, das Angebot an und verkündet seine  Botschaften gegen die Nato und den Krieg über die Lautsprecher des  Staates. 
  
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Die  Abstimmungen zwischen Bundes- und Landespolizei und zwischen  deutschen und französischen Beamten gelingen nicht immer ohne  Reibereien. Die Zone IV, sie umfasst den ganzen Grüngürtel an der  Lichtentaler Allee, dürfen nur „erfasste Anwohner" betreten. Wer  nicht registriert ist, braucht eine Polizeibegleitung. Die Stadt  musste die Karte mit den Sicherheitszonen, die als Bürgerservice  verteilt worden sind, mehrmals neu drucken lassen - die Polizei hat  immer wieder nachgebessert und die Sicherheitszonen ausgeweitet. 
Quelle
  
   
  
  
taz.de,  3.4. 
  
Obama  verschreckt Demonstranten 
  
Vor  dem barocken Bahnhof in Baden-Baden ertönt es aus einem  Lautsprecherwagen der Polizei: "Wir sind im moralischen Recht,  die Nato bei ihrer Kriegsplanung morgen zu blockieren."  Irgendwie ist das witzig, wenn ein solcher Satz aus einem  Polizeiwagen heraushallt. Zumindest können sich manche Zuhörer ein  Grinsen nicht verkneifen.   
  
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Den  Lautsprecherwagen der Demonstranten ließ die französische Polizei  nicht über die Grenze. Also haben die deutschen Polizisten Erbarmen  gezeigt und dem Demonstrationsleiter einen Wagen geliehen. Denn  längst ist klar, dass die Aktion nichtig ist. 
  
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Ein  Grund, warum nur so wenige gekommen sind, heißt Barack Obama.  Niemand hat eine verhunzte US-Fahne mitgebracht, niemand eine  Freiheitsstatue mit Strick um den Hals gebastelt, und  Bush-Teufelsmasken wurden nicht durch Obama-Masken ersetzt. 
  
"Wenn  man so ein Feindbild nicht hat, dann kommen viele nicht", sagt  Günter Wimmer, ein 66-jähriger Münchner mit melodischem Akzent ...  
  
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In  der Bevölkerung gibt es kaum spontane Demonstrationsbesucher -  nimmermüde predigte die Polizei zuvor, wie schwer die Krawalle  werden könnten. Verdatterte Rentner auf geranienbestückten Balkonen  blicken auf die kleine, friedliche Schar, die wegen absurder Auflagen  der Polizei kaum mehr als Parolen rufen darf ... 
  
   
  
Quelle
  
USA  Today, 3.4. 
  
Obama:  Afghanistan a 'joint problem' 
  
  
STRASBOURG,  France - President Obama issued a stern warning to his European  allies Friday on the eve of a NATO summit meeting, saying the United  States needs more help rooting out terrorists in Afghanistan and  Pakistan. 
  
"Europe  should not simply expect the United States to shoulder that burden  alone," he said at a town hall-style event near the German  border here. "This is a joint problem, and it requires joint  effort." 
  
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Merkel  said her country wants to bear its share of the responsibility in  Afghanistan, and Obama thanked her for what Germany already has done.  
  
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Despite  the warm reception, Obama noted many in Europe are anti-American, and  vice versa. 
  
"On  both sides of the Atlantic, these attitudes have become all too  powerful," he said. "America cannot confront the challenges  of this century alone, but ... Europe cannot confront them without  America." 
  
**  deutsche Übersetzung: ** 
  
Obama:  Afghanistan ist ein gemeinsames Problem 
  
  
Präsident  Obama richtete Freitag, am Vorabend eines NATO-Gipfeltreffens, eine  ernste Warnung an seine europäischen Verbündeten, daß die  Vereinigten Staaten mehr Hilfe zur restlosen Beseitigung von  Terroristen in Afghanistan und Pakistan benötigen. 
  
"Europa  sollte nicht einfach erwarten, daß die Vereinigten Staaten diese  Last alleine tragen," sagte er bei einer Veranstaltung im Stile  einer Bürgerversammlung in der Nähe der deutschen Grenze. "Dies  ist ein gemeinsames Problem und es benötigt gemeinsame  Anstrengungen." 
  
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Merkel  sagte, daß ihr Land seinen Anteil an der Verantwortung in  Afghanistan tragen will und Obama dankte ihr für das, was  Deutschland bereits getan hat. 
  
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Trotz  des herzlichen Empfangs merkte Obama an, daß viele in Europa  anti-amerikanisch sind und umgekehrt. 
  
"Auf  beiden Seiten des Atlantiks sind diese Einstellungen viel zu mächtig  geworden," sagte er. "Amerika kann den Herausforderungen  dieses Jahrhunderts nicht alleine begegnen, aber ... Europa kann  ihnen nicht begegnen ohne Amerika." 
  
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Quelle
  
 FOCUS-Online,  3.4. 
  
Obama  schwärmt von seiner Verbündeten 
  
  
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Bei  herrlichem Sonnenschein geht Obama am Freitagnachmittag gemeinsam mit  der Kanzlerin über den roten Teppich. Er winkt kurz in die Menge und  schreitet die Ehrenformation der Bundeswehr ab – mit zwei kleinen  Fehlern. Er muss sich von Merkel anleiten lassen. 
  
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Mit  Merkel führt Obama sein zweites bilaterales Gespräch der  Nato-Versammlung – und ist erneut voll des Lobes. „Ich möchte  allen Deutschen sagen, wie dankbar wir dafür sind, dass wir einen so  außergewöhnlichen Verbündeten haben", sagt Obama. „Wir  betrachten unsere Beziehung zu Deutschland als eine unserer  wichtigsten Beziehungen." Und er sei beeindruckt von Merkels  „Weitsichtigkeit" und „Beharrlichkeit". 
  
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Quelle
  
taz.de,  3.4. 
  
Löst  die Nato endlich auf 
  
  
Kommentar von Andreas Zumach
  
Die  Nato kann ihren 60. Geburtstag heute nur feiern, weil ihre beiden  Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich die Grundrechte  zehntausender Menschen auf Bewegungs-, Versammlungs- und  Meinungsfreiheit verletzen. Und auch der Datenschutz und die  Pressefreiheit werden in rechts- und verfassungswidriger Weise  eingeschränkt, und zwar auch durch deutsche Gerichte. 
  
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Schon  allein dieser Umstand steht in krassem Widerspruch zur Lobhudelei der  Nato-Regierungen und vieler Medien auf das Bündnis im Kampf für  Frieden, Freiheit und Demokratie. 
  
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Quelle
  
Frankfurter  Rundschau, 3.4. 
  
Glamourfaktor  versus Widerstand 
  
  
Es  geht verdammt schnell mit den Gipfeln. Erst die Finanzen retten, dann  Afghanistan und die ganze Nato möglichst gleich mit - Barack Obama  musste seinen Jumbo nicht mal volltanken, um vom einen historischen  Ereignis zum nächsten zu fliegen. Und der erdgebundene Demonstrant  dürfte es von London nach Straßburg ebenso pünktlich geschafft  haben. 
  
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Was  selten registriert wird, sind die Wechselwirkungen zwischen "drinnen"  und "draußen", zwischen der Macht und ihren Kritikern.  Beim Finanzgipfel in London haben sie sich - über alle Polizeiketten  hinweg - so deutlich gezeigt wie vielleicht noch nie. Und beim  Nato-Treffen könnte Ähnliches in geringerem Maß passieren. 
  
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Die  Rolle der Kritiker an der bis dahin herrschenden Finanz- und  Militärpolitik erweist sich nicht am kurzfristigen Erfolg dieser  oder jener Demonstration. Nein, der Erfolg ist ein anderer: Die  Vielzahl der Menschen und Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren  dem neoliberalen und militaristischen Mainstream widersetzten, haben  die Möglichkeit, dass es auch anders geht, für das kollektive  Gedächtnis unserer Gesellschaft(en) aufbewahrt.
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Auf  vieles davon greifen die mächtigen Gipfel-Hopper nun zurück. Ob sie  das aus Überzeugung tun oder nicht, spielt keine entscheidende  Rolle. ... Es kann sich auf lange Sicht sehr wohl lohnen, unermüdlich  nach besseren Wegen zu suchen. Auch für die, die nicht mächtig  sind. Und gerade dann, wenn sie fürchten müssen, nichts zu  erreichen. ...   
  
Quelle