Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Berichte

  • · Berichte

    Staat trifft Bürger

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    Versammlungsfreiheit in der Praxis. Trotz Einschüchterung, Schikanen und Polizeigewalt - Zehntausende zeigten in Strasbourg Courage gegen die NATO. Impressionen vom Sonnabend. Fotostrecke von Björn Kietzmann

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    Internationale Stadtguerilla

    Christian Giacomuzzi

    +++ Elysée-Palast: Polizei beschützte in Strasbourg vor allem NATO-Gipfel. Generalsekretär Guéant rechtfertigt verspäteten Einsatz in Strasbourger Vorstadtviertel - Innenministerin Alliot-Marie meldet 300 Festnahmen +++
     
    Der Generalsekretär des Elysee-Palastes, Claude Guéant, hat sich am Sonntag zur Abwesenheit von Polizeikräften bei gewalttätigen Ausschreitungen in einem Strasbourger Vorstadtviertel während des NATO-Gipfels geäußert. "Die Sicherheitskräfte waren vor allem da, um die Sicherheit des Gipfels zu gewährleisten", sagte Guéant am Sonntag im Radiosender Europe-1.
     
    In dem benachteiligten Vorstadtviertel waren am Sonnabend ein Fremdenverkehrsamt, eine Apotheke, ein Ibis-Hotel und ein Zollamt auf der französischen Seite der Europabrücke in Brand gesteckt worden. Der Strasbourger Bürgermeister Roland Ries hatte dazu im Hörfunk "France Info" erklärt, daß es "wahrscheinlich Probleme auf der Ebene der polizeilichen Absicherung gegeben" habe. "Die Einwohner sind natürlich in Rage, sie haben den Eindruck, verlassen worden zu sein. Ich verstehe und teile diesen Zorn", sagte Ries. Die friedlichen Kundgebungen gegen den NATO-Gipfel seien von "Black Blocks" infiltriert worden, "deren einziges Ziel es war, Schaden anzurichten".
     
    Innenministerin Michèle Alliot-Marie (UMP) teilte mit, daß am Rande des NATO-Gipfels in Strasbourg insgesamt 300 Personen festgenommen wurden. Sie sprach im Pariser Radiosender RTL von einer "Stadtguerilla".  Bei den Festgenommenen handelte es sich nach ihren Angaben um "Franzosen, Deutsche, Griechen und Staatsbürger anderer Länder".

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    Protest unter Belagerung

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    Kein Osterspaziergang. Internationale Friedensdemo in Strasbourg

    Der Tag des Natogipfels in Strasbourg und Kehl. Friedliche Demonstranten, Polizeistaat, Widerstand und geschürte Randale. Fotostrecke

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    Kriegsbündnis feiert 60. Geburtstag

    Knut Mellenthin
    Fremdkörper: NATO-Patrouille in Afghanistan
    Fremdkörper: NATO-Patrouille in Afghanistan

    +++ NATO-Gipfel von Streit um eine Nebenfrage dominiert. Keine Diskussion über Ausweitung der Afghanistan-Krieges auf Pakistan +++

    Wenn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, unterstützt von Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy, sich nicht darauf versteift hätte, ihren Wunschkandidaten für den Posten des NATO-Generalsekretärs unbedingt noch während des Gipfeltreffens in Strasbourg durchzusetzen, wäre die Jubiläumsfeier der westlichen Allianz wohl ohne Highlight zu Ende gegangen. So aber sorgte das zweitägige Tauziehen um den dänischen Premier Anders Fogh Rasmussen wenigstens für etwas scheinbare Dramatik während der ansonsten völlig auf Konsens abgestellten Tagung.

    Zwar waren von den 28 Mitgliedsstaaten der NATO 27 für den Dänen oder hätten um dessen Kandidatur für die Nachfolge von Jaap de Hoop Scheffer sicher keinen Streit angefangen. Aber da der Beschluss einstimmig gefasst werden musste, blockierte das türkische Nein die Wahl Rasmussens. Die Regierung in Ankara kreidet ihm an, dass er sich vor drei Jahren schützend vor ein rechtes Blatt stellte, das anti-islamische Karikaturen veröffentlich hatte. Damit wäre der Däne in der islamischen Welt eine schwere Belastung für die NATO, argumentierte der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan. Darüber hinaus nimmt man Rasmussen in Ankara übel, dass er der Forderung nach Schließung eines kurdischen Senders nicht nachgekommen ist und dass er zur Front gegen den EU-Beitritt der Türkei gehört.

    Anders als Merkel wäre die Mehrheit der Teilnehmer geneigt gewesen, die Wahl zu verschieben, da de Hoop Scheffer ohnehin noch bis zum Juli im Amt ist, also kein Zeitdruck bestand. Am Ende war es Barack Obama, der Erdogan mit Zusicherungen, über deren Inhalt bisher nichts bekannt ist, zur Aufgabe seines Veto überredete. Der US-Präsident bewahrte die Kanzlerin damit vor einer peinlichen politischen Niederlage.

    Die „neue Strategie“ der US-Regierung für Afghanistan und Pakistan, die Obama schon vor einer Woche bekannt gegeben hatte, wurde auf dem NATO-Gipfel einmütig mit Lob überschüttet. Dass damit nicht nur eine militärische Eskalation in Afghanistan verbunden ist, sondern auch eine in ihren Folgen völlig unüberschaubare und jedenfalls hochexplosive Ausdehnung des NATO-Krieges auf Pakistan, rief anscheinend keinerlei Widerspruch hervor. Das Thema wurde, soweit bekannt, nicht einmal diskutiert.

    Andererseits zeigten die europäischen Bündnispartner allesamt wenig Neigung, für diesen Krieg, in dem angeblich die Existenz der Allianz auf dem Spiel steht, mehr Soldaten zur Verfügung zu stellen. Die US-Regierung hatte schon im Vorfeld öffentlich versichert, dass es darum beim Gipfeltreffen auch gar nicht gehen werde.

    Herausgekommen ist schließlich, dass alle europäischen Staaten zusammen ungefähr 5000 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken werden. Davon werden 3000 zeitlich befristet zur Absicherung der Präsidentenwahl im August eingesetzt. Zwischen 1400 und 2000 Militärangehörige sollen Ausbildungsaufgaben für die Streitkräfte und die Polizei Afghanistans übernehmen. Großbritannien wird 900 Mann entsenden, Deutschland und Spanien je 600. Auch Italien, Frankreich, die Niederlande, Polen und andere europäische Staaten werden ihre Kontingente aufstocken. Großenteils waren die Verstärkungen schon vor mehreren Wochen angekündigt worden.

    Am Rande des NATO-Gipfels – und von den Teilnehmern anscheinend unbeachtet – ließ Obama in der Nacht zum Sonnabend wieder einmal ein „Ziel“ in Nordwestpakistan durch Raketen eines unbemannten Flugkörpers zerstören. Bei dem Angriff auf das Haus eines Lehrers in Wasiristan, der angeblich in Verbindung zu den Taliban stand, wurden 13 Menschen getötet. Nach Angaben örtlicher Behörden sind unter den Opfern neben mehreren mutmaßlichen Kämpfern auch Frauen und Kinder.

    Erst am Mittwoch waren bei einem anderen Raketenangriff mindestens 14 Menschen ums Leben gekommen.

    Die pakistanische Regierung hat immer wieder ohne Erfolg darauf hingewiesen, dass das Vorgehen der USA nicht nur die Souveränität Pakistans verletzt, sondern auch politisch absolut kontraproduktiv ist.

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    »Knackpunkt der Provokationen«

    Interview: Peter Steiniger

    +++ Erfolge und Rückschläge für die Friedensbewegung beim Anti-NATO-Protest in Strasbourg und Baden-Baden. Ein Gespräch mit Reiner Braun +++

    Reiner Braun ist Mitglied des No-to-Nato-Vorbereitungskreises und Geschäftsführer der IALANA (Internationale Juristinnen und Juristen gegen den Atomkrieg, für zivile Konfliktlösungen)

    Wie schätzen Sie als einer der Organisatoren den Verlauf der heutigen Protestaktionen gegen den NATO-Jubiläumsgipfel ein?

    Die zahlenmäßige Beteiligung an den Demonstrationen und Kundgebungen sehen wir unter diesen erschwerten Bedingungen klar als einen Erfolg für die Friedensbewegung. Wir haben ein großes Camp auf die Beine gestellt und sehr erfolgreiche Blockaden durchgeführt. Die Aktionen auf der französischen und der deutschen Rheinseite muß man dabei als eine Einheit sehen. Auch auf der Großdemonstration in Strasbourg waren viele deutsche Aktivistinnen und Aktivisten dabei.

    Wo sehen Sie die Ursachen für die Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten in Strasbourg?

    Die Repressionen und die Dimensionen des Polizeieinsatzes haben deutlich gemacht, daß eine aggressive Politik nach außen auch eine aggressive Politik nach innen bedingt. Wir hatten es mit einer wochenlangen provokativen Vorbereitung seitens der Behörden zu tun. Auch heute gingen die Aggressionen eindeutig ursächlich von der Polizei aus.

    Sehen Sie Anhaltspunkte dafür, daß die französische Polizei die Gewalt bewußt provozierte? Wurde ein Anlaß erzeugt, um die Europabrücke für Demonstranten dicht zu machen?

    Ganz eindeutig. Die Europabrücke war dabei der Knackpunkt der Provokationen durch die Polizei. Wir hatten mit den Behörden und der Präfektur ein Zeitfenster vereinbart, um die Demonstration ungestört dort hinüberzuführen. Das wäre auch möglich gewesen. Von einer massiven Polizeibegleitung und einer Absperrung der Route war nicht die Rede gewesen. Polizei und Autonome haben wie Bruder und Schwester Hand in Hand daran gearbeitet, Bilder der Gewalt zu liefern. Vandalismus und Ausschreitungen im Zusammenhang mit den Protesten sind sicher ein politischer Rückschlag.

    Wie geht es morgen weiter mit den Antikriegsprotesten anläßlich des NATO-Jubiläumsgipfels?
    Wir setzen morgen wie geplant unseren Internationalen Kongreß über Strategien der Friedensbewegung »No to NATO – No to War« im Strasbourger Centre Sportif fort. Und im Anti-NATO-Bündnis werden wir eine sehr nachdenkliche und kritische Diskussion zur Auswertung der Proteste zu führen haben.

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    Zehntausende gegen NATO und Krieg

    An der Konfrontationslinie in Strasbourg
    An der Konfrontationslinie in Strasbourg

    Im Vordergrund dominieren die Bilder von Straßenschlachten und Bränden. Zugleich versuchen derzeit in Strasbourg mehrere Zehntausend, friedlich gegen den Kriegspakt zu demonstrieren.

    Auch in Kehl sind mehrere Tausend Menschen auf einer Kundgebung zusammengekommen. Eigentlich wollten sie die Europabrücke überqueren, und sich mit der Demonstration am französischen Ufer zu vereinigen.

    »Wir sind friedlich – was seid ihr?«, skandieren die Demonstranten in Strasbourg. Damit zielen sie nicht auf den schwarzen Block, sondern das brutale Agieren der Polizei. Die Hinweise darauf verdichten sich, daß Ausschreitungen polizeitaktisch provoziert und in Kauf genommen wurden, um einen Vorwand zur Sperrung der Brücke zu erzeugen.

    Die Demonstranten wurden von Anfang an massiv behindert, hin und her gescheucht, unmotiviert mit Tränengas eingedeckt, die Stimmung aufgeheizt, Widerstand herausgefordert.

    »Es ist katastrophal, ich fühle mich wie ein Kriegsberichterstatter«, schildert uns Monty Schädel, einer der Organisatoren des Protestes. »Was hier passiert, hat mit Demokratie nichts zu tun. Demonstranten wurden von der Polizei stundenweise festgehalten, gewaltfreie Aktivisten von den Ordnungskräften angegriffen.« Es sei nicht verwunderlich, daß die Übergriffe die Wut auf die Polizei geschürt hätten. Dies ist mittlerweile sogar Live-Reportern von N24 aufgefallen ...

    Der Demonstrationszug in Strasbourg ist bunt gemischt. Er bewegt sich durch eine Stadt, die sich in einer Art Belagerungszustand befindet. Immer wieder werden die Teilnehmer von Polizei und Gendarmen attackiert. Mit zivilen Fahrzeugen preschen sie in die Menge, aus den Fahrzeugfenstern werden Gasgranaten geworfen, mit Gummigeschossen auf Fahrradfahrer gefeuert. Die Polizeitaktik wechselt häufig. Mal ist der Kessel zu, dann wieder lässt man Demonstranten passieren, die mit erhobenen Händen den Zug verlassen.

    Über die genaue Zahl der Festgenommenen und Verletzten ist noch nichts bekannt.

    (jW)

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    Berüchtigt: Der Grüne Block

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    Sie tragen Knüppel und Waffen. Sie sind gepanzert und vermummt. Sie sind auf Randale und Schlägereien spezialisiert. Sie werfen Stinkbomben und fühlen sich nur in der Gruppe stark. Sie treten provozierend auf, doch ihre Anführer halten sich im Hintergrund. Hier sehen Sie sie in Aktion. Fotostrecke von Björn Kietzmann, Peter Borak und AP

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    Party, Protest und Provokation

    Frank Brunner

    Es ist schon absurd: Ausgerechnet jene predigen Politiker den Gegnern des NATO-Gipfels jetzt Gewaltlosigkeit, die seit Jahren ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen mit gewaltsamen Mittel durchsetzen.
    »Kollateralschäden« werden die Kinder, Frauen und Männer in der zynischen Sprache der Militärs genannt, die im Irak, in Afghanistan und anderswo - natürlich im Namen von Freiheit und Demokratie - den Bomben der NATO-Armeen zum Opfer fallen.
    Allein in Afghanistan wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der UNO etwa 2000 Zivilisten getötet. Für die NATO sind sie kein Grund, am Sinn des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses zu zweifeln.
    Die Organisation feiert ihren 60. Geburtstag. Und dabei möchten die als Gäste geladenen Staats- und Regierungschefs nicht gestört werden.
    Deshalb verwandeln gut 25000 schwer bewaffnete Polizisten Baden-Baden, Kehl und Strasbourg in Hochsicherheitszonen, in denen sich die Menschen kaum noch unbeobachtet bewegen können. Deshalb werden Grenzenkontrollen wieder eingeführt, Grundrechte eingeschränkt und Friedensaktivisten drangsaliert. 50 Millionen Euro läßt sich Deutschland diese Party kosten.
    Freiheit und Demokratie? Fehlanzeige. Daß eine so massive Einschüchterungstaktik zu Aggressionen bei einigen Betroffenen führt, sollte daher niemanden verwundern. Auch nicht, daß sich nicht alle Bürger mit Blumen und in Birkenstocksandalen gegen diese Zumutungen wehren.
    Indes, die kleine Randale am Donnerstag in Strasbourg war alles andere als zielführend -- und offensichtlich auch nicht unter Kontrolle der NATO-Gegendemonstranten. Reiner Braun vom »Internationalen Koordinierungsgremium« (ICC) erklärte auf einer Pressekonferenz am Freitag, ihm liege eine Videoaufnahme vor, angefertigt von einer Familie aus Strasbourg-Neuhof, die zeige: »Der Hauptteil dieser kleinen Gruppe, 200 Leute, gehören zu einer kriminellen Gang aus Neuhof.« Diese nutzten die Chance, das Camp der NATO-Gegner »für ihre kriminelle Aktionen« zu mißbrauchen. Das sei aber keine Entschuldigung für »einige dumme Kerle aus dem Camp«, so Braun. Eine Differenzierung, etwa in Militanz gegen Militärfahrzeuge oder Polizeikasernen einerseits und Autos einfacher Anwohner andererseits, habe nicht stattgefunden.

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    Halb und halb

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    Wandern mit der Polizei. Die heutige Demonstration einiger hundert Friedensaktivisten in Baden-Baden wurde von einem ebenso großen Polizeiaufgebot begleitet. Fotostrecke

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    Einsatz für den Frieden

    Claudia Wangerin

    Parallel zum Gegengipfel fand in Strasbourg ein deutsch-französischer Presseempfang mit Vertretern der Linksfraktion im Europaparlament (GUE/NGL), darunter der Fraktionsvorsitzende Francis Wurtz, sowie Vertretern der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) statt. »Wir haben die Lehren aus der Geschichte gezogen und stellen uns in die Tradition von 1914, als Karl Liebknecht im deutschen Reichstag die Zustimmung zu den Kriegskrediten verweigert hat«, sagte die Sprecherin der Delegation Die Linke im europäischen Parlament, Gabi Zimmer. Nur die Auflösung der NATO könne die Voraussetzungen für eine friedliche Zukunft schaffen. Deshalb unterstütze man die Proteste, die heute in Kehl und Strasbourg gegen den Jubiläumsgipfel des Militärpaktes stattfinden. Mit dem »Bedingungslosen Bekenntnis zum Frieden« sei Die Linke in der parlamentarischen Minderheit, nicht aber in der gesellschaftlichen Minderheit.

    PCF-Nationalkoordinator Pierre Laurent sagte, die Erweiterung der NATO stehe im Widerspruch zu den Erfordernissen der heutigen Zeit. Tobias Pflüger warnte vor der geplanten Abschaffung des Konsensprinzips innerhalb der NATO, die es ermögliche, die Bedenkenträger gegen Angriffskriege einfach zu überstimmen.

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    Krieg als Soap

    Thomas Wagner
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    Beim NATO-Gipfel werden auch Fernsehjournalisten zugegen sein, die ganz offiziell im Sold des Militärbündnisses stehen. Denn seit einem Jahr verfügen die NATO-Staaten über einen gemeinsamen Fernsehkanal: den Internetsender NATOchannel.tv.

    Über die Stoßrichtung des ausgestrahlten Programms besteht kein Zweifel. Mit Hilfe von selbstproduzierten Fernsehbildern versuchen die Militärs, das öffentliche Bild der von der NATO geführten Kriege in die außenpolitisch und militärstrategisch gewünschte Richtung zu lenken.

    Auch das vorrangige strategische Ziel ist klar definiert. Das Bündnis will im Medienkrieg um Afghanistan aus der Defensive kommen und die effektive Internetpropaganda Taliban und anderer Widerstandsgruppen gegen die als Besatzungsregime empfundene Truppenpräsenz des Westens mit eigenem Filmmaterial parieren.

    Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die medienpolitischen Aktivitäten der USA eine wichtige Vorreiterrolle gespielt, denn das Pentagon verfügt schon seit 2002 über einen eigenen Fernsehkanal.

    Erklärtes Vorbild des NATO-Fernsehens ist aber nicht der Pentagon Channel, sondern Forsvarskanalen, das seit 2006 ausgestrahlte Internetfernsehen der dänischen Armee.

    Der Fernsehkanal sendet rund um die Uhr Videomaterial aus Gebieten, in denen Truppen der NATO-Mitgliedstaaten im Einsatz sind. Thematischer Schwerpunkt ist Afghanistan. Mit Hilfe dieses Materials sollen die Aktivitäten der Streitkräfte des westlichen Bündnisses in den von der NATO gewünschten Blickwinkel der Öffentlichkeit rücken.

    Die wichtigste Chance, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, ist jedoch das Filmmaterial, das man Fernsehsendern zur eigenen Verwendung anbietet. Damit nutzen die Militärs eine Notlage des unabhängigen Journalismus zum eigenen Vorteil aus.

    Lesen Sie den vollständigen Text am Wochenende in der jungen Welt auf den Themaseiten: Wie die NATO mit selbstproduzierten TV-Bildern versucht, die öffentliche Meinung zum Afghanistankrieg zu beeinflussen.

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    »Begriff, der mir so nicht bekannt ist«

    Interview: Kristin Jankowski

    Ein Gespräch mit Kriminaloberrat Matthias Zeiser

    »Sollte sich bei uns ein schwarzer Block bilden, wird der hier verarbeitet.«, hatte der baden-württembergische Polizeipräsident Erwin Hetger im Zusammenhang mit den Sicherheitsmaßnahmen vor dem NATO-Gipfel angekündigt. (Siehe: Badische Zeitung) Wir wollten wissen, was seine Behörde unter einem solchen Vorgang versteht.
    Kriminaloberrat Matthias Zeiser ist Pressesprecher der Gesamteinsatzleitung bei der Landespolizeidirektion Baden-Württemberg, »Besondere Aufbauorganisation Atlantik«

    Ihr Landespolizeichef Erwin Hecker möchte unliebsame Demonstranten »verarbeiten«. Was ist darunter zu verstehen?

    Unser Konzept sieht vor, daß wir friedliche Demonstrationen gewährleisten und daß wir diese bei einem unfriedlichen Verlauf unterbinden möchten. Außerdem ist es so, daß wir erkannte Gewalttäter im Sicherheitsraum Oberrheingraben nicht über die Grenze lassen werden.

    Und was bedeutet nun das Verarbeiten im polizeilichen Sprachgebrauch? Mit wie vielen zu verarbeitenden Demonstranten rechnen Sie denn? Welche Methoden werden dabei angewendet?

    Ich kenne diese Begrifflichkeit nicht, die sie hier angesprochen haben. Ich habe Ihnen unser Konzept erklärt, und danach werden wir verfahren. Wir verarbeiten nicht, sondern wir werden anhand der Situation entscheiden, was zu tun ist.

    Wie finden Sie diesen Sprachgebrauch ihres Polizeipräsidenten?

    Nochmals, das ist ein Begriff, den ich nicht gebrauche und den wir in der Polizei nicht gebrauchen und der mir so nicht bekannt ist. Ich weiß nicht, warum Sie immer diesen Begriff da reinbringen. Wir »verarbeiten« keine Demonstranten. Wir arbeiten nach Recht und Gesetz, das ist unsere Grundlage und davon hängen unsere Maßnahmen ab.

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    Friede, Freude, NATO versenken

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    Gemeinsam stärker als die NATO

    Auf einer Kundgebung vor dem Festspielhaus in Baden-Baden wurde heute abend gegen den anstehenden NATO-Gipfel protestiert. Fotostrecke

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    Priorität: zivile Ziele

    Jürgen Rose
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    General Chuck Wald (US Air Force) erläutert vor der Presse Angriffe gegen Jugoslawien (Pentagon, 19.5.1999)

    +++ Lesen Sie am Freitag in der jungen Welt auf den Themaseiten: Operation »Allied Force« – die NATO im Luftkrieg gegen Jugoslawien 1999. Die damalige Angriffsdoktrin ist völkerrechtswidrig und bis heute gültig +++

    Auszüge:
    Was den Ablauf des 78tägigen Luftkriegs angeht, den die NATO 1999 über dem Kosovo und gegen die Bundesrepublik Jugoslawien geführt hat, so ist es unabdingbar, einen Blick auf die Luftkriegsdoktrin der U.S. Air Force zu werfen. Formuliert hat diese ab 1987 der Colonel der US Air Force John A. Warden III. Seinen Ideen gelang im Krieg gegen den Irak 1991 der Durchbruch; sie prägen bis heute die gültige US-Luftkriegsdoktrin.

    Den Kern des strategischen Ansatzes Wardens stellt sein sogenanntes Fünf-Ringe-Modell1 dar: Ausgehend von einer systemtheoretischen Betrachtungsweise beschreibt der damalige Luftwaffenoberst einen potentiellen Gegner als ein System konzentrisch angeordneter Ringe, deren strategische Relevanz von innen nach außen abnimmt. Dabei rückt das gegnerische Militär auf der Liste der Zielprioritäten ganz nach hinten. Der springende Punkt dabei besteht darin, daß eine Kriegführungsstrategie, welche bewußt und vorsätzlich die Zivilbevölkerung ins Visier nimmt, auf eklatante Weise gegen jegliche Normen des humanitären Völkerrechts verstößt.

    Mittlerweile übersteigt die Zahl der zivilen Todesopfer – üblicherweise mit dem Euphemismus „Kollateralschaden“ belegt – des angeblich „chirurgisch“ geführten Luftkrieges die militärischen Verluste regelmäßig um ein Vielfaches.

    Daß sich mit inadäquaten – nämlich militärischen – Mitteln auch noch so hehre Ziele nicht erreichen lassen, demonstrieren gerade die Folgewirkungen des NATO-Interventionskrieges sehr eindrücklich. Vieles spricht dafür, daß die jugoslawische Führung erst unter dem Eindruck des NATO-Luftkrieges ihre Planungen, die zunächst nur auf die Eliminierung der UÇK gerichtet waren, änderte und die totale Vertreibung der albanischen Volksgruppe anordnete.

    Diplompädagoge Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.

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    Kleinlichkeit und Größenwahn

    Thomas Dierkes

    +++ An der deutschen Küche soll die Welt genesen: Zum Diner beim Auftakt des NATO-Gipfels in Baden-Baden  +++


    Im Krisenjahr 1929 schrieb Bertolt Brecht für das Festival »Deutsche Kammermusik Baden-Baden« sein »Badener Lehrstück vom Einverständnis«. Wie einige von Brechts Lehrstücken ist auch dieses in bezug auf ein anderes geschrieben. Im »Flug der Lindberghs« wird die Ozeanüberquerung durch Charles Lindbergh als heroische Pioniertat des Einzelnen dargestellt. Im »Badener Lehrstück« wird das Ausscheren eines Piloten aus seinem Kollektiv als reaktionärer Individualismus vorgeführt. Liest man beide Stücke zusammen, ergibt sich gegenüber der losgelösten Lektüre eine fruchtbare Synthese.
    Die NATO hat zu ihrem 60. Geburtstag geschafft, was sonst nur Karfreitag, Allerheiligen, Buß- und Bettag, Totensonntag, Volkstrauertag, Heiligabend und Erster Weihnachtstag zusammen schaffen: Das berühmte Kurhaus Casino Baden-Baden bleibt für eine ganze Woche geschlossen. Hier treffen sich morgen abend die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer samt Anhang zu einem repräsentativen Diner, dem Auftakt des NATO-Gipfels.
    Was die 16köpfige Küchenbrigade des Kurhauses, die verstärkt wird durch ein Team um Sternekoch Martin Herrmann, auf den Tisch bringen wird, ist allerdings nicht bekannt. Sämtliches Personal wurde zu strengstem Stillschweigen verpflichtet.  Die Baden-Badener Winzergenossenschaft hat eigens für die Geburtstagsparty 4 000 Flaschen weißen Riesling Kabinett und roten Spätburgunder mit einem NATO-Etikett ausgestattet.
    Deutschland, das nach seinem zweiten großen Anlauf auf die Weltherrschaft seine Großmachtambitionen vorübergehend kleinhalten mußte, konnte in Jugoslawien (1999) und Afghanistan (2001) unter NATO-Etikett wieder offiziell ins Kriegsgeschäft einsteigen. Daran soll angeknüpft werden, und darüber gilt es also in Baden-Baden und am nächsten Tag in Strasbourg zu reden. Damit das ungestört vonstatten gehen kann, werden mit deutscher Akribie alle Register der präventiven Aufstandsbekämpfung gezogen.
    Landespolizeichef Erwin Hetger kündigte bereits im Vorfeld an, eventuelle schwarze Blöcke »verarbeiten« zu wollen sowie »Selektionen« auf der Rheinbrücke durchzuführen. Die Demonstranten forderte er hingegen auf, »verbal abzurüsten«.
    Das Konzept in Baden-Baden sieht die Einrichtung von fünf Sicherheitszonen vor. In der roten Zone ist so ziemlich niemand erlaubt, der nicht wenigstens einen Krieg vom Zaun gebrochen hat. In der gelben wird den direkten Anwohnern nicht völlig untersagt zu existieren. Allerdings nur bei geschlossenen Fenstern.
    Insgesamt werden am Wochenende rund 15000 Polizisten und 600 Soldaten auf der deutschen Rheinseite im Dienst sein, also etwa so viele, wie Demonstranten erwartet werden. Wie schon beim G8-Gipfel in Rostock donnern sie in Hubschraubern oder AWACS-Aufklärungsflugzeugen über die Protestcamps und sprechen so wenig verhaltene Kriegserklärungen nach innen aus. Erste »Schockgranaten«, begleitet von Tränengas, sind in der Nacht zu Mittwoch bereits auf ein Camp gefeuert worden.
    Baden-Badens Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner (CDU) erklärte: »Wir wollen ein positives Bild nach außen abgeben.« Das offizielle Logo zum NATO-Gipfel führt nur Strasbourg und Kehl auf. Der Hinweis auf Baden-Baden fehlt. Das stachelt den PR-Neid des Stadthäuptlings an.
    Kehl war wegen seiner Lage direkt am Rheinufer symbolisch überlegen, auch wenn es nicht einmal ein adäquates Restaurant zu bieten hat. Nur so kam überhaupt der Ort ins Spiel, der sich 1931 in Abgrenzung zu seinen Namensvettern Baden in Österreich und der Schweiz, den Region und Stadt synthetisierenden Doppelnamen gab. Das knapp 55000 Einwohner zählende Baden-Baden trägt sich gegenwärtig mit dem Vorhaben, eine Straße nach einem ihrer prominentesten Söhne zu benennen – dem Minipli-Barden Tony Marshall.
    Heiner Müller sagte einmal sehr zutreffend, eine richtige deutsche Stadt könne eigentlich nur eine Kleinstadt sein. So gerät morgen abend in Baden-Baden auch symbolisch zur Synthese, losgelöst voneinander betrachtet, weniger als die halbe Wahrheit ist: mit dem detailwütig überwachten Auftakt zum NATO-Gipfel in der Provinz kommt Deutschland zu sich selbst. Kleinlichkeit und Größenwahn sind zwei unbedingte Zutaten einer Küche, an der die Welt noch zu genießen haben wird.

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    Tauziehen an der Grenze

    Björn Kietzmann, Strasbourg
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    Zähe Verhandlungen an der Grenzlinie

    +++ Protest gegen Einreiseverbote. NATO-Gegner blockierten erfolgreich die Rheinbrücke bei Strasbourg +++

    Rund 200 NATO-Gegner haben am Mittwoch nachmittag die deutsch-französische Grenze bei Strasbourg blockiert. Anlaß waren die massiven Grenzkontrollen im Vorfeld des NATO-Gipfels.

    »Wir haben Ausreiseverbote gegen Menschen verhängt, damit diese nicht durch Gewalttätigkeiten in Frankreich auffallen«, erklärte Einsatzleiter Aigner von der Bundespolizei. Gipfelgegner sehen in den Ausreiseverboten hingegen völlige Willkür. Am Dienstag durfte auch eine mobile Küche für das Anti-NATO-Camp nicht passieren. Unter anderem seien Küchenmesser und Handtücher sichergestellt worden. Angeblich könnten die Handtücher zur Vermummung gedacht sein. Mit einer Menschenkette über die Grenze wollten Antimilitaristen am Mittwoch mittag ihre Küche Stück für Stück ihre Küche ins Camp holen.

    Gegen 12 Uhr versammelten sich die Demonstranten auf der französischen Seite der Europabrücke. Die Rheinmitte markiert hier den Grenzverlauf. Die französische Polizei forderte sie auf, den Bereich zu verlassen. Nach einem kurzen Plenum gingen die NATO-Gegner in Ketten entschlossen auf die Brücke. Sie riefen Parolen gegen Grenzen und für globale Bewegungsfreiheit. Erst ein Aufgebot von mehreren hundert deutschen Polizisten konnte den Protestzug stoppen.

    Die Grenze war nun erst einmal blockiert. Vertreter der Demonstranten traten mit der Polizei-Einsatzleitung in Verhandlung. Ihre Forderung: Die beiden Küchen-Fahrzeuge und deren Insassen sollten die Grenze passieren dürfen. Einige davon waren in polizeilichem Gewahrsam gelandet. Die Gespräche liefen zäh. Alle Neuigkeiten wurden im Plenum diskutiert.

    Die deutschen Beamten erklärten sich schließlich bereit, die Küchen-Fahrzeuge passieren zu lassen. Erst nach längerem Hin und Her auch dazu, die Ausreiseverbote für das Küchenteam aufzuheben. Doch nun teilte die französische Polizei mit, dass sie einer Einreise nicht zustimmen wird.

    Nach dreistündiger Blockade spitzte sich die Situation merklich zu. Auf der französischen Brückenseite warfen Demonstranten Flaggenmasten um und ließen die Fahnen von Frankreich, Deutschland und der NATO in Flammen aufgehen. Die Polizei verlangte nun eine erneute Durchsuchung der Wagen. Die NATO-Gegner lehnten dies ab, da einer der Wagenhalter noch gefangen war. Schließlich wurden die Fahrzeuge auf einem nahe gelegenen Parkplatz abgestellt. Nach dreieinhalb Stunden endete die Protestaktion und die erfolgreiche Blockade der Grenzbrücke.

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    Die innere Sicherheit

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    Der Polizeistaat rüstet zum NATO-Gipfel in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden. Proteste gegen Krieg und Kapital auch in Den Haag und London. Fotostrecke

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    Schikanen in Strasbourg

    Frank Brunner
    Aufbau trotz Hindernissen. Protestcamp bei Strasbourg
    Aufbau trotz Hindernissen. Protestcamp bei Strasbourg
    +++ Internationales Camp der NATO-Gegner in Frankreich eröffnet. Linke Aktivisten beklagen Provokationen und Übergriffe der Polizei +++

    Fast jede Nacht, sagt Maria, kreisen die Polizeihelikopter über den Zelten des Camps, das die Gegner des NATO-Gipfeltreffens derzeit in der Nähe von Strasbourg errichten.

    »Die Hubschrauber fliegen absichtlich tief und manchmal schweben sie mit eingeschalteten Scheinwerfern direkt über unserem Lager, und das ist nur eine von vielen Provokationen der Polizei«, erzählt Maria auf einer provisorischen Pressekonferenz.

    Etwa 800 Politaktivisten sind bis gestern nachmittag auf der riesigen Ackerfläche an der Rue de la Ganzau im Strasbourger Ortsteil Neuhof eingetroffen. Die Organisatoren rechnen bis Samstag mit einigen tausend Menschen, die am Protestcamp teilnehmen wollen. Unterteilt ist das Lager in mehrere »Barrios«, das sind kleine Zeltstädte innerhalb des Camps.

    Unerwünscht sind im Camp die Vertreter der Staatsmacht. Mindestens zehn Menschen sei bisher die Reise von Deutschland nach Frankreich verweigert worden, berichten Campbewohner. »Die Regierungen wollen einfach keinen Protest gegen ihre Politik zulassen«, kritisiert Campbewohnerin Marie.

    Am heutigen Abend soll das Camp mit einem Kulturprogramm offiziell eröffnet werden. Maria befürchtet, daß die Repressionen der Sicherheitskräfte danach erst richtig losgehen.

    Den vollständigen Bericht finden Sie in unserer Ausgabe vom Donnerstag.

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    BKA erhält Rechtsnachhilfe

    Claudia Wangerin

    +++ Staatsschutz spielte wieder Zensor. Eilantrag erfolgreich: Bundeskriminalamt muß Empfehlung zur Nichtakkreditierung linker Journalisten beim NATO-Jubiläumsgipfel zurücknehmen +++

    Das Bundeskriminalamt (BKA) hat mit der Empfehlung an die NATO-Pressestelle zum Ausschluß zweier Journalisten vom NATO-Jubiläumsgipfel widerrechtlich deren Berufsausübung behindert. Dies stellte am Dienstag das Verwaltungsgericht Wiesbaden fest, nachdem die Anwälte der Betroffenen dort Eilanträge gestellt hatten. Das BKA muß in beiden Fällen sein Negativvotum zurücknehmen.

    Dies bedeutet jedoch nicht, daß die betroffenen Berliner Journalisten nun akkreditiert werden – die Entscheidung liegt bei der NATO. »Das ist eine exterritoriale Angelegenheit«, so die Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, Ulrike Maerks-Franzen gegenüber junge Welt. Die Gerichtsentscheidung sei aber für die Zukunft und für andere Kollegen wichtig.

    Die Pressestelle der NATO verweigert bislang mindestens drei mißliebigen Journalisten die Akkreditierung für das Gipfeltreffen des Militärbündnisses in Baden-Baden, Straßburg und Kehl am 3. und 4. April.

    Erneut betroffen ist ein Redakteur der polnischen Ausgabe der Le Monde diplomatique, Kamil Majchrzak, dem bereits 2007 die Akkreditierung für den G8-Gipfel in Heiligendamm verweigert worden war. Des weiteren der freie Mitarbeiter von junge Welt und Neues Deutschland, Björn Kietzmann. Aktuelle und konkrete Verdachtsgründe gegen den Berliner Journalisten legte das BKA allerdings nicht vor.

    Der Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Recht auf Berufsausübung erfolgte in mindestens zwei Fällen auf Empfehlung des Bundeskriminalamtes, wie die Behörde auf Nachfrage mitteilte. Grundlage der Empfehlungen seien »staatsschutzrelevante Erkenntnisse« wie die Teilnahme an »Aktionen der linken Szene«. Angeführt wurden ebenso Ermittlungsverfahren, die mit Freispruch oder Einstellung geendet. Die Informationsweitergabe an die NATO sei erfolgt, um »mögliche Gefahren für die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes sowie deren Staatsgäste im Falle einer Akkreditierung« abzuwehren«.

    Wegen der Übermittlung personenbezogener Daten hatten zwei der abgelehnten Journalisten Antrag auf einstweilige Anordnung beim zuständigen Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht, um das BKA zu verpflichten, das Negativvotum aufzuheben.

    Für Rechtsanwalt Alain Mundt vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), der unseren Kollegen Björn Kietzmann vertritt, war der Fall klar: »Solange dem BKA keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß ein Journalist bei einer Veranstaltung stören will oder eine Gefahr für Leib und Leben von Teilnehmern darstellt, überschreitet es absolut seine Befugnisse und maßt sich eine Rolle an, die ihm nicht zusteht.«

    Die jetzt bekannt gewordenen Fälle erinnern an die Akkreditierungspraxis vor dem G8-Gipfel im Sommer 2007. Auch damals war auf Empfehlung deutscher Sicherheitsbehörden mehreren Journalisten die Zulassung zur Berichterstattung vor Ort durch das Bundespresseamt verwehrt worden. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hatte damals zugesichert, nach Heiligendamm die Zulassungspraxis einer kritischen Prüfung zu unterziehen. »Offenbar hat das BKA leider nicht aus damaligen Fehlern des Bundespresseamts gelernt«, so Rechtsanwalt Sönke Hilbrans vom RAV.

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