Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Free Gaza

Free Gaza

  • AP

    Jerusalem. Der Vater des vor fünf Jahren von palästinensischen Organisationen gefangen genommenenen israelischen Elitesoldaten Gilad Shalit hat Kritik an Premierminister Benjamin Netanjahu geübt. Der Regierungschef habe »nicht das Recht über Gilads Tod zu entscheiden, indem er einen Gefangenenaustausch verweigert«, sagte Shalid am Sonntag während einer Pressekonferenz vor der Residenz Netanjahus in Jerusalem, wie die Tageszeitung Haaretz berichtete (Foto Mitte).

    »Die Hartnäckigkeit und die Sturheit, die Sie, Herr Ministerpräsident, in dieser traurigen Affäre an den Tag gelegt haben, ist eine reale und unmittelbare Bedrohung für Gilads Leben.« Hunderte Israelis hatten sich anläßlich des Jahrestages vor dem Haus versammelt. Schalit war am 25. Juni 2006 am Rande des Gazastreifens von drei Palästinensergruppen, darunter die Hamas, gefaßt worden. Im Jahr 2009 waren Verhandlungen zur Freilassung fast zum Abschluß gekommen. Doch hatten sich die beiden Seiten letztlich nicht einigen können, welche palästinensischen Häftlinge im Tausch freikommen sollten. (dapd/AFP/jW/Foto: AP)

  • · Berichte

    Israels Regierung spricht von erfolgreicher »Anti-Flottillen-Kampagne«

    Zusammenfassung aus dem Englischen von Gerrit Hoekman

    Die »Free-Gaza-Flottille« sei deutlich kleiner als erwartet, sie bestehe nur aus zehn Schiffe mit rund 500 Teilnehmern an Bord, so die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronot am Sonntag in ihrer englischsprachigen Internetausgabe. Die Regierung sehe darin einen Erfolg der »intensiven Anti-Flottillen-Kampagne« des israelischen Außenministeriums in Europa. Ein französisches Schiff, das von Korsika aus in See gestochen sei, habe sogar nur sechs Personen an Bord.

    Die Organisatoren der Flottille, die Hilfsgüter in den von Israel abgeriegelten Gazastreifen bringen soll, hatten am Sonntag mitgeteilt, daß die griechischen Behörden das US-Schiff »Audacity of Hope« am Auslaufen hindern. Von der Regierung Griechenlands wollten sie wissen, ob eine anonyme Beschwerde über den Zustand des Schiffs oder der politische Druck der USA und Israels der Grund sei. In diesem Zusammenhang wollte die israelische Regierung jedoch nicht zu ihrer Anti-Flottillen-Kampagne stehen.

    Der Sprecher des Außenministeriums, Yigal Palmor, wies laut Yedioth Ahronot den Verdacht zurück, Israel habe etwas mit der griechischen Entscheidung zu tun. Er beschimpfte die Organisatoren des Schiffskonvois: »Das sind paranoide Anschuldigungen von Heulsusen, die die infantile Sichtweise der Organisatoren zeigen und wie losgelöst von der Realität sie sind«, sagte Palmor dem Blatt.

    »Israel hat offen gesagt, daß es Regierungen unter Druck setzt um die Flottille zu stoppen«, zitierte Yedioth Ahronot einen Passagier der »Audacity of Hope«, der zu bedenken gab, die griechische sei »eindeutig eine Schlüsselregierung, weil mehrere Schiffe von Griechenland auslaufen.« Organisator Dror Flyer zeigte sich besorgt über mögliche Angriffe auf das Schiff und sagte der Zeitung, die »Audacity of Hope« habe »60 bis 70 Personen an Bord, ein Drittel davon Juden«.

    Im vergangenen Jahr hatte die israelische Marine beim Entern der ersten Flottille dieser Art neun türkische Aktivisten getötet.

  • · Berichte

    »Stellvertreterkrieg« auf dem Pressefest

    Dortmund. Vertreter der Partei Die Linke haben am Sonntagnachmittag an der Podiumsdiskussion »Antisemtismus – Stellvertreterkrieg in der Linkspartei?« auf dem Pressefest der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und ihrer Wochenzeitung Unsere Zeit (UZ) in Dortmund teilgenommen. Das Publikum diskutierte eifrig mit.

    Anlaß waren sowohl der Beschluß der Bundestagsfraktion, ihren Abgeordneten unter anderem die Teilnahme an der »Freedom Flottilla II« nach Gaza zu untersagen, was mit »Entschieden gegen Antisemitismus« überschrieben wurde, als auch zahlreiche Medienkommentare, in denen die Ablehnung der Politik des Staates Israel mit Antisemitismus gleichgesetzt wurde. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hatte der Linkspartei vergangene Woche »blindwütigen Haß auf Israel« vorgeworfen. Für diese »Kritik« hatte Linkspartei-Fraktionsvize Dietmar Bartsch Verständnis geäußert, während Parteichef Klaus Ernst sie als unangemessen zurückwies.

    Es seien die »Reformer« in der Linkspartei, die ständig mit Hilfe bürgerlicher Medien diese Debatte anheizten, sagte Jürgen Aust vom Landesvorstand der Linkspartei NRW am Sonntag vor rund 80 Zuhörern im jW-Zelt auf dem UZ-Pressefest. Im Publikum sitzende Parteifreunde Austs hatten zuvor dafür plädiert, man möge die Debatte ruhen lassen und sich lieber auf die Programmdebatte konzentrieren. Sonst bestehe die Gefahr einer Spaltung.

    Der ehemalige Europaabgeordnete der Linkspartei, Tobias Pflüger erklärte bei dieser Gelegenheit, er werde sich nicht den von der Fraktion vorgegeben Verhaltensregeln unterordnen, obwohl auch er entschieden gegen Antisemitismus sei. Gegenüber jW sagte Pflüger, der dem Parteivorstand angehört, er reise zwar nicht selbst mit, sei aber solidarisch mit den Teilnehmern der Flottille.(jW)

  • Tel Aviv. Journalisten, die sich an der »Freedom Flottilla II« nach Gaza beteiligen, dürfen zehn Jahre lang nicht mehr nach Israel einreisen. Dies habe die israelische Regierung mitgeteilt, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA am Sonntag. Man sehe eine Mitreise als absichtliche Verletzung israelischer Gesetze an, so das israelische Regierungspresseamt (GPO). Den Berichtertstattern drohe zudem die Konfiszierung ihrer Ausrüstung sowie weitere Sanktionen, schrieb der GPO-Leiter Oren Helman an ausländische Medienvertreter in Israel.

    (jW/hoek)

  • Alice Walker

    Die afroamerikanische Schriftstellerin Alice Walker ist an Bord der »Audacity of Hope«, dem US-Schiff der »Freedom Flottilla II«, mit der internationale Friedensaktivisten in diesen Tagen zum palästinensischen Gazastreifen aufbrechen, um die Aufhebung der israelischen Seeblockade zu erreichen. Walker wurde vor allem durch den Roman »Die Farbe Lila« berühmt und 1983 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
    »Was sonst sollte ich tun?«, schreibt sie im britischen Guardian über die Gründe ihrer Teilnahme an der Flottille. »Ich bin 67 Jahre alt, habe schon ein langes und erfülltes Leben gehabt, mit dem ich zufrieden bin.« In ihrem Alter habe sie begriffen, was wichtig sei und wolle dies teilen, vor allem mit Jüngeren. Alice Walker reist mit dem Schiff »Audacity of Hope« (Kühnheit der Hoffnung), das zur Zeit von den griechischen Behörden aufgehalten wird. Israel hat bereits angekündigt, den Schiffskonvoi abzufangen. Das Motto der Flottille heißt »Menschlich bleiben!« und erinnert an den ermordeten italienischen Friedensaktivisten Vittorio Arrigoni, der Diskussionen häufig mit diesen Worten beendete. (jW)

  • Athen/New York. Laut Organisatoren der Free-Gaza-Flottille versuchen die griechischen Behörden, das Auslaufen des US-Schiffs »Audacity of Hope« zu verhindern. Unklar ist demach, ob das von der Free-Gaza-Bewegung geleaste Schiff nicht auslaufen darf, weil eine Privatperson in einem anonymen Hinweis die Seetüchtigkeit des Schiffes in Frage gestellt hat, oder ob die griechische Regierung dem politischen Druck der USA und Israels nachgeben will. Die Passagiere der »Audacity of Hope« forderten am Sonntag die griechische Regierung auf, dies klarzustellen. Israel hat bereits angekündigt, die Schiffe der Flottille abzufangen, deren Teilnehmer gewaltfrei die Aufhebung der israelischen Seeblockade erreichen und Hilfsgüter in den palästinensischen Gazastreifen bringen wollen. Organisatoren und Mitreisende haben die harte Linie Israels zur Kenntnis genommen, ihre Pläne jedoch nicht geändert. Voraussichtlich am Montag soll der Schiffskonvoi auf internationalen Gewässern zusammentreffen, um Kurs auf Gaza zu nehmen. Im vergangenen Jahr hatte die israelische Marine bei der Kaperung der ersten Flottille dieser Art neun türkische Aktivisten getötet. (jW)

  • Dortmund. Im junge-Welt-Zelt auf dem Pressefest der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und ihrer Wochenzeitung Unsere Zeit (UZ) im Dortmunder Revierpark Wischlingen findet heute um 13 Uhr die Podiumsdiskussion »Antisemtismus – Stellvertreterkrieg in der Linkspartei?« statt. Es diskutieren jW-Chefredakteur Arnold Schölzel, der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Die Linke) sowie Jürgen Aust vom Landesvorstand der Linkspartei NRW.

    Dazu wird es eine Liveschaltung zum jW-Korrespondenten auf dem kanadischen Schiff »Tahrir« geben, das an der für kommende Woche geplanten Free-Gaza-Flottille teilnimmt. Peter Wolter bereitet sich zur Stunde mit seinen Mitreisenden in einem griechischen Hafen auf die Abreise vor. Bundestagsabgeordneten der Linkspartei wurde die Teilnahme per Fraktionbeschluß unter dem Motto »Entschieden gegen Antisemitismus« untersagt. Etwa ein Viertel der 45 »Tahrir«-Passagiere sind nach jW-Informationen selbst jüdischer Herkunft. (jW)

  • · Tagebuch

    Als Gruppe auftreten

    Von Peter Wolter
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    Dänische Mitreisende der Free-Gaza-Flottille in Griechenland

    Mal was Persönliches: So allmählich komme ich an die Grenze meiner Konzentrationsfähigkeit. Die Gruppe von etwa 45 Personen, die auf dem kanadischen Schiff »Tahrir« an der internationalen Hilfsflotte nach Gaza teilnehmen wird, besteht aus Kanadiern, Belgiern, Dänen und Australiern – ich bin der einzige Deutsche. Umgangssprache ist Englisch – was für mich eigentlich kein Problem sein sollte, da ich in einem früheren Leben acht Jahre lang für eine britische Nachrichtenagentur gearbeitet habe.

    Ist aber doch ein Problem. Erstens habe ich seit vielen Jahren kaum Englisch gesprochen. Das britische Englisch, meine ich – nicht das amerikanische, nicht das kanadische, nicht das australische. Letzteres verstehen oft sogar die Kanadier nicht- für die wird es dann ins Französische übersetzt. Das hilft dann auch den Belgiern weiter, die sich untereinander auch mal gerne auf Flämisch verständigen. Nach acht Stunden Schulung, Rollenspielen und Diskussionen habe ich buchstäblich Muskelkater im Gehirn.

    Heute abend haben wir drei Tage intensiver Vorbereitung in einer griechischen Hafenstadt hinter uns. Hauptsächlich ging es darum, wie wir uns bei der zu erwartenden Kaperung durch die israelische Marine verhalten. Wie wir jede Provokation vermeiden. Wir haben Verhörsituationen durchgespielt, den Umgang mit Mossad-Beamten, Polizisten und Gefängniswärtern. Es ging zunächst zwar immer um das Verhalten jedes Einzelnen, letztlich aber darum, daß wir als Gruppe auftreten. Und darum, wie die Gruppe jedes seiner Mitglieder schützen und psychologisch unterstützen kann. Dank an Lee und Lynn, die beiden Kommunikationstrainerinnen aus Kanada.

    Zudem wurde auch diskutiert, welche Rolle die fünf Journalisten spielen, die an der Expedition zum Gaza-Streifen (wahrscheinlicher aber in ein israelisches Gefängnis) teilnehmen. Sind wir nur die distanzierten Beobachter oder Teil der Gruppe? Wir einigten uns schließlich auf die Formulierung »embedded journalists«. Wir haben das Privileg, ein wenig mehr Gepäck mit an Bord nehmen zu dürfen – nämlich Kameras, Satellitentelefone, Notebooks. Was wir damit auf See anfangen können, werden wir sehen – jedenfalls kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß alles nach dem Zugriff der Israelis futsch ist. Ansonsten brauchen wir nicht viel: eine warme Jacke, zwei T-Shirts, Zahnbürste. Für viele Schlafsäcke ist kein Platz an Bord – wir werden nur einige mitnehmen und schichtweise darin schlafen.

    In den vier Tagen, die wir bisher gemeinsam verbracht haben, sind wir von einem Haufen Individuen zu einer Gruppe zusammengewachsen – geschickt arrangiert und gefördert von Lynn und Lee. Wir kennen uns mittlerweile alle bei Namen und von vielen ein Stück Biographie. Heute abend gibt es in einem konspirativ ausgewählten Strandrestaurant ein gemeinsames Abendessen.

    Mittlerweile wurden bergeweise Verbandsmaterial und Medikamente für die Erste Hilfe herangeschafft. Unser »medical team« besteht aus einem belgischen und einem kanadischen Arzt sowie einer belgischen Krankenschwester. Hoffentlich brauchen wir ihre Hilfe nicht. Die fünf Journalisten wollen zusammenbleiben und sich auch deutlich als Pressevertreter zu erkennen geben.

    Heute nachmittag ist das zweite französische Schiff mit Hilfsgütern Richtung Gaza ausgelaufen. Die Nachricht kam per E-Mail und wurde sogleich unter großem Beifall verlesen. Die kanadischen Genossen verteilten T-Shirts mit »Free-Gaza«-Aufdruck, die Däninnen bemalten ein mehrere Bettlaken großes Transparent, das am Schiff befestigt werden soll.

    Morgen gibt es letzte Instruktionen und Absprachen. Wer ist resistent gegen Seekrankheit und kann somit den Küchendienst übernehmen? Wer kümmert sich um die Toiletten? Wer kann der Crew des Schiffes zur Hand gehen? Wie wird das schichtweise Schlafen organisiert?

    Und dann sind wir fertig zum Auslaufen. Das kann schon am Montag sein, aber auch am Dienstag oder am Mittwoch. Etwa drei Tage nach dem Ablegen wird es heikel. Jeder hat im Hinterkopf, daß bei der Kaperung der Flottille des vergangenen Jahres neun Menschen von israelischen Soldaten umgebracht wurden.

  • · Berichte

    Ein Picasso für Gaza: Schiff namens »Gernika« nimmt an Flottille teil

    Zusammenfassung aus dem Englischen von Gerrit Hoekman

    Im spanischen Bürgerkrieg legten deutsche und italienische Flugzeuge die Stadt Gernika im Baskenland in Schutt und Asche. Hitler und Mussolini hatten sie geschickt, um den Faschisten Franco im Kampf gegen die internationalen Brigaden zu unterstützen. Pablo Picasso hat später ein berühmtes Bild über den Luftangriff gemalt. (Spanischer Titel: »Guernica«.) Nach der Stadt ist auch das Schiff benannt, mit dem sich spanische Aktivisten an der Friedensflotte für Gaza beteiligen. Die Initiative »Rumbo a Gaza« (Segeln nach Gaza) hat die »Gernika« gechartert. An Bord sind 50 Personen, einer von ihnen ist der baskische Journalist Bego Astigarraga.

    In einem englischsprachigen Artikel auf der Homepage des arabischen Fernsehsenders al Jazeera berichtet er, daß spanische Künstler eine Interpretation des Picasso-Bildes gemalt hätten, das sich nun auf dem Weg in den Gazastreifen befindet, als Geschenk und Zeichen der Solidarität mit den eingeschlossenen Palästinensern.

    Die spanische Regierung habe bislang weitgehend vermieden, sich zu diesem Thema zu äußern. Außenministerin Trinidad Jimenez habe jedoch gesagt, der beste Weg, um Gaza zu helfen, sei diplomatischer Druck, nicht Flotten. »Wir raten dringend davon ab, sich an der Initiative ‚Rumbo a Gaza' zu beteiligen, aufgrund der massiven Gefahr, der sich die Teilnehmer aussetzen könnten«, warnt die Webseite des spanischen Außenministeriums.

    Unterdessen bereitet sich Israel auf das Entern der Schiffe vor. Das israelische Militär habe einen ausgedehnten Drill für Spezialkommandos und Scharfschützen angeordnet, so der baskische Journalist. Schon am 19. Juni habe Admiral Eliezer Marom erklärt: »Die Marine hat verhindert und wird auch weiterhin verhindern, daß die ‚Haßflotte' ankommt, deren einziges Ziel es ist, mit israelischen Soldaten aneinander zu geraten, eine Medienprovokation zu schaffen und dem Staat Israel die Legitimation abzusprechen.« Israel habe Gefängniskapazitäten für die Teilnehmer der Flotte bereitgestellt.

    »Wir haben wiederholt unsere Regierungen und internationale Organisationen darum gebeten, die Schiffe zu inspizieren, die humanitäre Fracht und die Passagiere. Sowohl im Hafen als auch auf hoher See. Aber bislang hat es keine Antwort auf unseren Vorschlag gegeben«, sagt Manuel Taipal, der Koordinator der Initiative »Rumbo a Gaza«. In Israel gebe es im Moment eine öffentliche Debatte darüber, was mit der Flotte zu tun sei. Manche seien der Meinung, daß den Schiffen erlaubt werden sollte, nach Gaza zu fahren, weil sie humanitäre Güter geladen hätten, die Blockade sich aber laut Israel nur gegen Waffenschmuggel richte.

    Die 10 000 Tonnen Hilfsgüter an Bord der letzten Flotte habe Israel beschlagnahmt. So auch die persönlichen Sachen der Passagiere und die Ausrüstung der Reporter. Nichts davon sei bislang zurückgegeben worden. Der spanische Anwalt Enrique Santiago sei zu der Einschätzung gekommen, daß Israel »in bester Piratentradition Beute gemacht hat«.

  • · Berichte

    40 französische Aktivisten auf dem Seeweg nach Gaza

    L'Île-Rousse/Korsika. Bereits das zweite französische Schiff ist am Samstag in See gestochen, um in wenigen Tagen mit den anderen Schiffen der internationalen Solidaritätsflotte nach Gaza zusammenzutreffen.
    Das Schiff »Al Karama« (Arabisch: Würde) verließ am Samstag morgen den Hafen von L'Île-Rousse auf Korsika. Die »Louise Michel«, die vergangene Woche Marseille verlassen hat, soll sich in griechischen Gewässern befinden, teilten die Organisatoren am Samstag mit. 40 französische Aktivisten seien unterwegs. Insgesamt 300 bis 400 Teilnehmer wollen in der kommenden Woche mit dem Schiffskonvoi Hilfsgüter in den palästinensischen Gazastreifen bringen und mit friedlichen Mitteln versuchen, die israelische Seeblockade zu beenden.
    Schiffe aus den USA, Kanada und Spanien werden in den nächsten Tagen von diversen Mittelmehrhäfen ablegen oder sind schon unterwegs, um sich an der internationalen Solidaritätsaktion zu beteiligen. Israel hat bereits angekündigt, die Schiffe abzufangen. (jW)

  • · Berichte

    Acht Verletzte bei Protest gegen Grenzmauer

    Ramallah. Während sich die Aktivisten der »Freedom Flotilla II« in diversen Mittelmeerhäfen auf die Fahrt zum abgeriegelten Gazastreifen vorbereiten, sind am Freitag bei einer Demonstration auf der Westbank in der Nähe von Ramallah acht Personen von israelischen Sicherheitskräften verletzt worden, darunter auch eine Aktivistin aus Frankreich. Dies berichten die palästinensische Tageszeitung al-Quds al-Arabi und die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA übereinstimmend.

    Die wöchentlich stattfindenden Proteste richten sich gegen die Grenzmauer, die der israelische Staat um die Westbank herum baut, um die palästinensischen Gebiete von Israel abzutrennen. An der Demonstration hatten nach Angaben von al-Quds mehrere hundert Menschen teilgenommen, unter anderem auch Israelis und einige arabische Abgeordnete der Knesset. (jW)

  • · Berichte

    Keine Schonzeit für Reporter

    Medienkritik auf Israelisch

    Die größte israelische Tageszeitung Yedioth Ahronot beschäftigte sich am vergangenen Mittwoch mit der Rolle der Journalisten an Bord der »FreeGaza«-Solidaritätsflotte, die kommende Woche von Griechenland aus den palästinensischen Gazastreifen erreichen und mit friedlichen Mitteln die Aufhebung der israelischen Seeblockade erreichen will.


    Dem Autoren des Kommentars »Medien überschreiten die Grenze« wäre es lieber, die Weltöffentlichkeit bekäme nicht mit, wenn die israelische Marine wie im vergangenen Jahr einschreitet. Es beunruhigt ihn, daß sich auf den Schiffen der Flotte auch Journalisten der New York Times und Kamerateams der amerikanischen Fernsehsender CNN und CBS befinden: »Das ist ein deutliches Beispiel für die symbiotische Beziehung zwischen den Medien und anti-israelischen Agitatoren«.

    Den möglichen Verlust von Menschenleben lastet die Zeitung vorsorglich den Organisatoren der Flottille und den mitreisenden Journalisten an, die demnach mit ihrer Sensationsgier die Gewaltbereitschaft der Aktivisten beflügeln: Nicht die »gewalttätigen Aktionen der Passagiere an Bord der Mavi Marmara« hätten Israel beim letzten Mal Schaden zugefügt, sondern der Umstand, daß die internationale Presse noch Tage später darüber berichtete, so Yedioth Ahronot.

    Daß der Angriff der israelischen Marine im letzten Jahr auf internationalen Gewässern erfolgte und somit völkerrechtlich ein Piratenakt war, bleibt ebenso unerwähnt wie die Tatsache, daß die Teilnehmer der diesjährigen Flottille sich zur Gewaltfreiheit verpflichtet haben und gegenwärtig Deeskalationstrainings absolvieren. »Das ‚Märtyrertum' von neun türkischen Passagieren« habe im letzten Jahr »einen PR-Erfolg für die Organisation IHH und ihre Kohorten« bedeutet. »Es ist klar, daß der einzige Grund für die Mainstream-Medien, nun an Bord der nächsten Flotte zu springen, die Aussicht ist, eine Wiederholungsvorstellung zu bekommen.« Den Organisatoren der Flottille unterstellt das Blatt, sie zählten darauf, daß die Medien eine Geschichte veröffentlichen, die bereits vorher erzählt worden sei – die Geschichte von einigen »vermeintlich tapferen Friedensaktivisten«, die eine brutale und illegale Seeblockade brächen »für arme Palästinenser in ihrem Open-Air-Gefängnis.«

    Der präventive Freispruch für die israelische Armee durch Yedioth Ahronot umfaßt auch den möglichen Tod von Journalisten: Diese könnten nicht erwarten, daß die israelischen Soldaten wie im letzten Jahr auf der Mavi Marmara eine mögliche Kriegszone betreten und einen Spießrutenlauf über sich ergehen ließen, um Medienleute zu schützen, die sich selbst ins Kreuzfeuer begeben hätten.  (jW)

  • · Berichte

    Klartext über Kniefall

    Ansichten

    Einen »Kniefall vor der deutschen Israel-Lobby« sieht der Völkerrechtler und ehemalige Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, Prof. Norman Paech, der im letzten Jahr an der »FreeGaza«-Flottille teilnahm, im Beschluß der Bundestagsfraktion vom 7. Juni 2011, der ihren Mitgliedern ebendies untersagt.

    »Als die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, am 1. Juni 2010 die gerade aus Israel ausgewiesenen Abgeordneten ihrer Fraktion begrüßte, war sie noch stolz darauf, daß sich auch Die Linke an der Free-Gaza-Flottille beteiligt hatte«, erinnerte Paech am Freitag in einem Debattenbeitrag für die Tageszeitung Neues Deutschland. »Sie konnte sich auf einen einstimmigen Beschluß des Bundestags berufen, der die Aufhebung der völkerrechtswidrigen Blockade des Gazastreifens durch Israel gefordert hatte.« Gregor Gysi habe gegen den völkerrechtswidrigen Akt mit Toten und Verletzten protestiert, den die israelische Marine angerichtet hatte.

    »Ein Jahr später zwingt die Fraktion sich selbst, an der nächsten Flottille nicht teilzunehmen«, so Paech. »CDU und FDP haben ein obskures Pamphlet benutzt, um gemeinsam mit SPD und Grünen jede kritische Äußerung oder Aktion gegen die wahrlich kriminellen Auswüchse der israelischen Besatzungspolitik in den Topf des Antisemitismus zu werfen«, so Paech weiter. »Plötzlich war der Versuch, die Blockade mit friedlichen Mitteln zu durchbrechen, ein Ausweis des Antisemitismus. Ein vollkommen irrsinniger Vorwurf. Man kann die Aktion als zu gefährlich oder politisch nicht opportun kritisieren, aber in die Schublade des Antisemitismus paßt sie ganz und gar nicht.« (jW)

  • Hamburg/München. Nicht die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, aber deren Bundesarbeitskreis »Gerechter Frieden in Nahost« schickt eine Vertreterin auf das deutsche Schiff der zweiten internationalen Free-Gaza-Flottille. Dies teilte der Arbeitskreis am Freitag in Hamburg mit.

    Die mitreisende Elfi Padovan ist Mitglied des Kreisvorstands der Linkspartei in München sowie der bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik. Den umstrittenen Beschluß der Linksfraktion im Bundestag gegen eine Beteiligung an der Gaza-Flottille kritisiert die gelernte Kunsterzieherin unter anderem, weil er »der israelischen Friedensbewegung in den Rücken fällt«. Ähnlich hatte sich am Mittwoch der Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« in Berlin dazu geäußert.

    Der Schiffskonvoi, mit dem Hilfsgüter für die palästinensische Bevölkerung nach Gaza gebracht werden sollen, wird sich planmäßig am Montag von Griechenland aus in Bewegung setzen. Ziel ist außerdem, gewaltfrei die Aufhebung der israelischen Blockade zu erreichen.

    An der ersten Hilfsflottille, die von der israelischen Marine brutal beendet wurde und weltweit starke Beachtung fand, hatten sich vor einem Jahr die Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Inge Höger und Annette Groth sowie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech beteiligt. Der Bundesarbeitskreis Gerechter Frieden hat ein Spendenkonto eingerichtet, um die Beteiligung an der Gaza-Flottille zu unterstützen. (jW)

  • · Tagebuch

    Alle denkbaren Szenarien

    Von Peter Wolter

    Die Ankündigung Israels, daß die Marine den Hilfskonvoi für den blockierten Gazastreifen nicht passieren lassen wird, hat sicher nicht zur inneren Entspannung bei den Teilnehmern der Free-Gaza-Flottille beigetragen. So ziemlich jeder geht davon aus, daß die Kaperung der zehn Schiffe ähnlich brutal verlaufen wird wie im vergangenen Jahr – und jeder hofft, daß es nicht wieder neun Tote und zahlreiche Verletzte geben wird.

    In diversen griechischen Häfen bereiten sich die Aktivisten zur Zeit darauf vor, was sie zu erwarten haben. Was zum Beispiel zu tun ist, wenn die Soldaten die Schiffe vor dem Entern erst einmal mit Tränengas beschießen. Ist es besser, den Zugriff drinnen im Schiff oder draußen an Deck zu erwarten? Teilnehmer der Flottille des vergangenen Jahres raten dringend zu letzterem – das Tränengas wird dort schneller vom Seewind oder auch vom Luftwirbel israelischer Hubschrauber verweht.

    Die Mitreisenden der »Tahrir« bereiten sich seit Donnerstag im Konferenzraum eines Hotels auf alle denkbaren Szenarien vor. Die Ausgangslage ist klar: Der Hilfskonvoi wird wahrscheinlich wie im vergangenen Jahr in internationalen Gewässern angegriffen. Das widerspricht ohne Zweifel dem Völkerrecht – was den Israelis aber erfahrungsgemäß egal ist.

    Den Teilnehmern steht einiges bevor. Zunächst die Seefahrt: Viele haben bestenfalls Ausflugsdampfer kennengelernt – mit einem 25 Meter langen Schiff durch das zur Zeit recht rauhe Mittelmeer zu schaukeln, dürfte manchen Magen überfordern. Das »medical team« der Aktivisten will vorsichtshalber Scopolamin-Pflaster besorgen, die sich als wirkungsvoll gegen die Seekrankheit erwiesen haben. Es wird auch schwierig sein, Schlaf zu finden – unter Deck gibt es zwar einige Tische und Bänke, aber keine Kojen. Die Teilnehmer werden dort schichtweise schlafen oder sich gleich an Oberdeck auf die harten Stahlplatten legen müssen. Mit der Toilette sieht es auch schlecht aus – es gibt nämlich nur eine für etwa 45 Passagiere.

    Die nächste Phase wäre der Zugriff. Die israelische Marine wird die Schiffe per Seefunk auf Kanal 16 anfunken und sie zunächst recht höflich bitten, entweder umzukehren oder einen israelischen Hafen anzulaufen.  Das aber wird keines der Schiffe tun, worauf sich die israelischen Enterkommandos mit schnellen Schlauchbooten und Hubschraubern auf den Weg machen. Teilnehmer der letztjährigen Flottille berichten, daß die  Soldaten maskiert sind und am Gürtel Tränengaspatronen und Taser-Pistolen tragen – Geräte, die auf kurze Distanz einen elektrischen Kontakt verschießen, der Menschen für einige Zeit am ganzen Körper lähmt. In der Hand halten sie ein M-15 Gewehr mit einem Aufsatz, der Paintballs verschießt. Diese Bälle sind mit einer fluoreszierenden Flüssigkeit gefüllt, so daß der Getroffene auch bei Dunkelheit sichtbar ist.

    Per Rollenspiel versuchen sich die Teilnehmer damit vertraut zu machen, was sie erwartet, wenn die israelischen Soldaten an Bord kommen. Ist es besser, gleich die Hände hochzuheben? Oder ist es vorzuziehen, untergehakt am Boden sitzen zu bleiben? Wie verhält man sich, wenn die Soldaten  einem den Gewehrkolben ins Gesicht rammen oder mit ihren Stiefeln in die Mägen treten? Oder versuchen, einem die Finger zu brechen, wie es laut des Berichts einer UN-Kommission im vergangenen Jahr geschah?

    Gegenwehr wäre sicherlich das Falscheste, was man in einem solchen Moment tun kann. Und wie reagiert man, wenn einem die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt werden? Protestieren ist eher nicht angebracht – erfahrungsgemäß ziehen die Soldaten dann die Plastikfesseln noch stärker an. Im vergangenen Jahr führte das in Dutzenden Fällen dazu, daß die Hände monatelang gelähmt blieben. Und wie kann man versuchen, seine Fassung und seine Menschenwürde zu bewahren, wenn einem die Soldaten Plastiktüten über den Kopf ziehen?

    Die nächste Phase, auf die sich die Teilnehmer innerlich vorbereiten, ist die Ankunft in Israel. Im vergangenen Jahr wurden die gefangenen Aktivisten wie im Triumphzug durch ein Spalier aufgehetzter Israelis geführt, die sie beschimpften und mit Dreck bewarfen. Selbst Schulklassen wurden zu diesen Zweck herbei gekarrt, das Ganze wurde im Fernsehen übertragen. Wie geht man mit einer solchen Situation um, in der man gezielt erniedrigt wird?

    Darüber hinaus müssen sich die Aktivisten auf die Verhöre einstellen. Soll man auf einen Dolmetscher bestehen oder sich auf das gebrochene Englisch inferiorer Polizeibeamter einlassen? Soll man etwas unterschreiben? Gar Papiere, die in Hebräisch verfaßt sind? Wie stark soll man darauf insistieren, mit dem Vertreter der Botschaft seines Landes zu sprechen?

    Bis zur Abschiebung werden die Teilnehmer wohl erst einige Zeit in einem israelischen Gefängnis verbringen müssen. Frühere Teilnehmer berichten, daß sie dort im Vergleich zu vorher korrekt behandelt wurden.

    Den 45 Mitreisenden der »Tahrir« sieht man die Spannung an, auch wenn jeder versucht, so cool wie möglich zu bleiben. »I got butterflies in my stomach«, bekannte ein Australier.

  • · Tagebuch

    Auf alles gefaßt

    Peter Wolter

    In griechischen Häfen bereiten sich Aktivisten aus 40 Ländern darauf vor, die israelische Seeblockade zu durchbrechen


    Ein wenig mulmig ist wohl allen, die am Montag mit zehn Schiffen versuchen wollen, die israelische Blockade des Gaza­streifens zu durchbrechen, um die dort lebenden Palästinenser mit dringend benötigten Hilfsgütern wie Medikamenten, Krankenhausausstattung und Baumaterial zu versorgen. In diversen griechischen Mittelmeerhäfen bereiten sich zur Zeit Aktivisten aus schätzungsweise 40 Ländern auf die Reise vor, die mit Sicherheit zu einer Konfrontation mit der Marine Israels führen wird. Es ist erst gut ein Jahr her, daß die erste Gaza-Flottille mit einem Massaker endete: Israelische Soldaten erschossen auf der »Mavi Marmara« neun Männer und verwundeten etwa 50 weitere. Mindestens sechs der Toten waren nach Erkenntnissen einer Untersuchungskommission der UNO kaltblütig ermordet worden.

    Kein Teilnehmer dieser neuen Solidaritätsfahrt zweifelt daran, daß Israel auch dieses Mal nicht davor zurückschreckt, die Schiffe in internationalen Gewässern zu überfallen. Piraterie nennt sich das – die Besatzungen der angegriffenen Schiffe wären völkerrechtlich durchaus legitimiert, sich mit allen Mitteln zu wehren. »Alle Mittel« scheiden aber aus, wenn man eine Eskalation wie 2010 verhindern will.

    Friedlich soll die Aktion verlaufen – Widerstand ja, aber gewaltlos. Und das wird erst einmal zwei Tage lang geübt. Die 45 Aktivisten, die auf der »Tahrir« fahren, bereiten sich im Konferenzraum eines Hotels vor – benannt ist das nur 25 Meter lange Schiff nach dem zentralen Platz in Kairo, auf dem die Demonstrationen stattfanden, die schließlich im Februar den Staatspräsidenten Hosni Mubarak zu Fall brachten. Die Teilnehmer kommen aus Australien, Belgien, Kanada und Dänemark – nur einer, der Autor dieses Beitrags, ist aus der BRD. Zwei der Aktivisten waren schon auf der »Mavi Marmara« dabei, einer trug eine Schußwunde davon. Die Berufe sind sehr unterschiedlich: Unter den Mitreisenden sind etwa Ärzte, Ingenieure, Rentner, Sekretärinnen, Lehrer und Hausfrauen.

    Von Antisemitismus, wie es die israelische Propaganda und ihre »antideutschen« Papageien darstellen, ist keine Spur zu finden, niemand stellt das Existenzrecht Israels in Frage. Auch Sympathien für die im Gazastreifen herrschende Hamas sind nicht zu entdecken. Es ist die humanitäre Zivilgesellschaft, die sich in wenigen Tagen auf den Weg nach Palästina macht. »Wir sind nicht solidarisch mit der Hamas, sondern vor allem mit den Frauen und Kindern im Gazastreifen. Zivilisten helfen Zivilisten«, umschrieb es eine Kanadierin.

    Auch die Finanzierung der Aktion ist durchsichtig – anders als es Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zur Begründung seines Maulkorb-Erlasses vom 7. Juni anführte. Die »Tahrir« z. B. wurde vorwiegend mit Spenden kanadischer Privatleute erworben. Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft, die ebenfalls eher Distanz zur Hamas hält, gab 10000 Euro hinzu – das damit erworbene Anrecht auf einen Platz trat sie an die junge Welt ab.

    Wie am Freitag bekannt wurde, wird sich auf einem anderen Schiff Elfi Padovan, Gründungsmitglied des Bundesarbeitskreises Gerechter Frieden in Nahost der Partei Die Linke, an der Freedom-Flottilla II beteiligen. »Als deutsche Antifaschistin habe ich aus dem Holocoust gelernt, daß sich jeder mitschuldig macht, der Unrecht tatenlos zusieht«, erklärte die frühere Kunsterzieherin, die auch dem Vorstand der bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik angehört


  • New York. Israel ist nach den Worten seines UN-Botschafters »entschlossen«, die internationale Hilfsflottille abzufangen, deren Teilnehmer die Blockade des palästinensischen Gazastreifens gewaltfrei durchbrechen wollen.
    Israel habe das »Recht zur Selbstverteidigung« und werde die Flottille stoppen, drohte Ron Prosor am Donnerstag in New York. Die Flottille habe »nichts Konstruktives« und »nichts mit humanitärer Hilfe zu tun«, sie laufe auf eine »Provokation« hinaus. Die Organisatoren seien »Extremisten«.

    Die aus zehn Schiffen bestehende Flottille mit hunderten Freiwilligen aus mehreren Ländern will in der kommenden Woche Hilfsgüter in den von Israel abgeriegelten Gazastreifen bringen. Auch ein deutsches Schiff gehört zu dem Konvoi. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte Ende Mai »alle betroffenen Regierungen« aufgefordert, sich gegen die Entsendung einer neuen Hilfsflotte einzusetzen. Die US-Regierung warnte ihre Bürger am Mittwoch vor einer Teilnahme an dem Hilfskonvoi.

    Am 31. Mai des vergangenen Jahres hatten israelische Soldaten die Schiffe eines Hilfskonvois für den Gazastreifen gestürmt und neun türkische Aktivisten erschossen. Der Angriff auf die aus sechs Schiffen bestehende Gaza-Hilfsflottille war international heftig kritisiert worden, unter anderem vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. (AFP/jW)

  • · Berichte

    »Mitternacht auf der Mavi Marmara« – Viele Stimmen, eine Richtung

    Von Helge Buttkereit

    Zur Gaza-Solidaritätsflottille im vergangenen Jahr ist vieles geschrieben worden. Das neue Buch aus dem Laika-Verlag, das eine vielstimmige Sammlung von Texten zum Thema darstellt, ist dennoch oder vielleicht gerade deshalb sehr wichtig. Faßt es doch Texte mit unterschiedlichen Zugängen zusammen und ist so ein hervorragendes Dokument, um die Hintergründe und die Folgen des Angriffs auf die Schiffe und die Aktivisten am 31. Mai 2010 zu verstehen.
    Ursprünglich erschien das Werk, das von Moustafa Bayoumi herausgegeben wurde, Ende 2010 in den Vereinigten Staaten. Der Hamburger Laika-Verlag verantwortet nun die deutsche Ausgabe. Und ihr Erscheinen fällt in eine Zeit, in der die Verleumdungen um die Teilnehmer, die Initiatoren und die Ziele der Flottille überhandnehmen.

    Den Verleumdungen werden in diesem Buch Tatsachen entgegengesetzt. Und diese sprechen eine deutliche Sprache. Ausgehend von der Realität der Abriegelung des Gazastreifens, die schon durch die Liste der Einfuhrverbote in ihrer ganzen grotesken Brutalität deutlich wird, über die Darstellung israelischer Positionen zur Flottille bis hin zu den besonders eindrucksvoll zu lesenden Zeugenaussagen der Beteiligten zu Beginn des Buches ist eine runde Sache daraus geworden. Das Buch macht noch einmal klar, was die Ziele und was der Ablauf der Aktion gewesen sind und mit welcher Brutalität die israelische Armee in internationalen Gewässern gegen offenkundig unbewaffnete Bootsbesatzungen vorgegangen ist. Es ist damit eine gute Ergänzung zum UNO-Bericht, der im Melzer-Verlag in deutscher Sprache erschienen ist.

    Bekannten Autoren wie Henning Mankell, Moshe Zuckermann, Ilan Pappé oder Norman Finkelstein stehen zumindest in Deutschland eher unbekannte zur Seite, die allesamt einen wichtigen Beitrag zum Thema leisten. Dabei fällt es in den meist kurzen Texten auch kaum ins Gewicht, daß sich viele Aspekte wiederholen. Gut ist dabei, daß die oft problematische Fokussierung auf einen Vergleich Israels mit Nazideutschland, der nicht nur in der deutschsprachigen Solidaritätsliteratur immer wieder gezogen wird und auf den sofort reflexartig reagiert wird, hier durch die etwas andere Perspektive kaum vorkommt. Vergleiche mit dem Apartheidregime in Südafrika oder der Rassentrennung in den Vereinigten Staaten und dem Kampf der Bürgerrechtsbewegung sind passender, eindrucksvoll und sollten in großen Teilen zumindest die amerikanische Öffentlichkeit (aber nicht nur sie) zum Nachdenken anregen.

    Dahingehend kann der Beitrag der schwarzen US-amerikanischen Aktivistin und Autorin Alice Walker als beispielhaft verstanden werden. Sie beschreibt, wie die einfache Menschlichkeit bewegen kann, und führt die Geste des französischen Botschafters in Kairo als Beispiel an, nachdem der Versuch der Organisa­tion »Code Pink« fehlgeschlagen war, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Der Botschafter wollte den Protestierenden – seinen Landsleuten – die Situation so angenehm wie möglich machen und verließ die Botschaft, um mit ihnen darüber zu sprechen. Solche Aktionen haben eine Wirkung, die Walker mit Rosa Parks berühmter Gesetzesüberschreitung aus dem Jahr 1955 vergleicht. Damals war die schwarze Bürgerrechtlerin im Bus entgegen den Vorschriften sitzen geblieben, obwohl ein Weißer beanspruchte. Sie hätte nach dem Gesetz aufstehen müssen. Es war ein kleiner Akt mit großer Wirkung, zu dem wir als Menschen letztlich alle fähig seien, argumentiert Walker. »Es ist an der Zeit, daß wir uns en masse vor unserem Gewissen versammeln und uns vor den einzigen Bus setzen, den wir haben: unser eigenes Leben.« Die Wirkung von solchen bewußten Grenz- und Gesetzesüberschreitungen ist nicht zu unterschätzen. Sie sind ein Weg, eindrucksvoll auf das Problem aufmerksam zu machen und Israel die Legitimität für die Blockade zu entziehen.

    Aufgrund der Irrationalität insbesondere auf seiten der Israelis ist sicher die Frage, ob das reicht. Moshe Zuckermann weist zurecht darauf hin, daß es problematisch ist, sich mit der israelischen Armee auf einen Konflikt einzulassen. Allein aufgrund der ausweglosen Situation, den Knoten im Konflikt auf legale Weise zu lösen, sind Überschreitungen der legalen Grenzen – und handelt es sich auch nur um von den Israelis willkürlich gesetzte Grenzen – ein wichtiger Bestandteil der Politik, um weiter voranzukommen.

    So dokumentiert das Buch in seinen meist kurzen und einfach zu lesenden, zum Teil dennoch hintergründigen, zu anderen Teilen anrührenden persönlichen Texten zwar viele Stimmen, die Richtung ist aber klar. Ob Türken, Amerikaner, Israelis, Deutsche oder Palästinenser. Die Beiträge im Buch eint ihre solidarische Position für den Frieden, für die Ziele der Gaza-Flottille. Nach den langen Jahren der Auseinandersetzung ist es eigentlich absurd, aber das, was Bayoumi in seiner Einleitung schreibt, muß immer wieder gesagt werden: »Die Lösung des Konflikts zwischen diesen beiden Völkern unter Wahrung von Gerechtigkeit und Gleichberechtigung würde mehr als die Interessen von Israelis und Palästinensern voranbringen. Sie hätte auf eine Weise, in der es die Lösung keines anderes Konfliktes auf der Welt heute sein könnte, rund um den Globus bedeutsame positive Auswirkungen.« So weit, so gut. Leider kann der Herausgeber den Gedankengang nicht so enden lassen, sondern mit dem folgenden Satz: »Die Frage ist, wie diese Lösung gefunden und umgesetzt werden kann.« Die besagte Flottille und ihre Verteidigung in diesem Buch sind zumindest ein Mosaikstein auf dem Weg zur Lösung.


    Moustafa Bayoumi (Hg.): Mitternacht auf der Mavi Marmara - Der Angriff auf die Gaza-Solidaritäts-Flottille. Edition Provo 2, Laika Verlag, Hamburg 2011, 364 Seiten, 19,90 Euro

  • · Tagebuch

    Üben in Griechenland

    Bild 1

    In Griechenland treffen sich zur Stunde die ersten Teilnehmer der Freedom-Flottilla II, die in der kommenden Woche versuchen will, auf dem Seeweg Hilfsgüter nach Gaza zu bringen und die Aufhebung der israelischen Blockade zu erreichen. Aus Sicherheitsgründen werden die Häfen, aus denen die rund zehn Schiffe auslaufen, noch nicht bekannt gegeben. Ab Freitag stehen Aktionstrainings für eine gewaltfreie Bewältigung kritischer Situationen auf dem Programm.

    junge Welt-Redakteur Peter Wolter begleitet die Free-Gaza-Flottille auf der »Tahrir« und berichtet nicht nur in der Printausgabe, sondern auch im Online Spezial. Die Stimmung unter den bisher Angereisten ist gut. Sie haben allesamt Erfahrung in professioneller NGO-Arbeit und waren bereits in Krisengebieten. (jW)

  • · Berichte

    Kurs auf Gaza

    Marina Albiol
    Israel hält seit dem Jahr 2006 eine Blockade gegen die Palästinenser im Gazastreifen aufrecht. Dabei handelt es sich um eine Blockade zu Lande, zu Wasser und zur Luft, die von den Vereinten Nationen und von internationalen Organisationen wie Amnesty International oder dem Roten Kreuz als illegal eingeschätzt wurde.

    In Gaza leben mehr als anderthalb Millionen Menschen, die dieser Kollektivstrafe durch Israel unterworfen sind. Dadurch ist das Gebiet derzeit ein riesiges Gefangenenlager, in dem 80 Prozent seiner Einwohner von humanitärer Hilfe abhängig sind, um sich ernähren und überleben zu können. Außerdem praktiziert die Armee Israels eine permanente und fortgesetzte Aggression gegen die Zivilbevölkerung von Gaza. Allein im Jahr 2006 wurden 500 Menschen ermordet, und seither haben die Übergriffe und Morde durch Israel und die vollkommene Straflosigkeit für diese Taten nicht aufgehört.

    Die zweite Freiheitsflottille ist eine gewaltfreie Initiative, die drei Ziele verfolgt: Erstens, die illegale Blockade zu durchbrechen, die die Zivilbevölkerung schrecklich prekären Bedingungen unterwirft. Zweitens das ebenso humanitäre Ziel, Schul-, Sanitär- und Baumaterial zu transporttieren. Das dritte Ziel ist die internationale Anklage und Verurteilung dieser Situation, die das Volk Palästinas in Gaza erlebt, vor der Bevölkerung Europas und des Restes der Welt.

    Die Tatsache, daß die Compañeros Willy Meyer (Europaabgeordneter der der spanischen Izquierda Unida, IU, Vereinigte Linke), Joan Josep Nuet (Generalsekretär der Partei der Kommunisten Kataloniens) und ich mitfahren, ist eine Demonstration dafür, daß die Vereinigte Linke weiter an der Seite des palästinensischen Volkes steht. Wir waren immer an der Seite der unterdrückten Völker, und deshalb wollten wir uns diesmal aktiv an dieser zweiten Freiheitsflottille beteiligen.

    Diese zweite Flottille ist die Erbin der ersten, die im vergangenen Jahr im Mai gefahren ist und einen Angriff Israels erlitten hat, bei dem neun Aktivisten in internationalen Gewässern ermordet wurden. Außerdem wurden weitere 50 Menschen verletzt und die übrigen Passagiere durch die Armee Israels entführt.

    Übersetzung: André Scheer

    Marina Albiol ist Mitglied der Kommunistischen Partei und der Vereinigten Linken im Land Valencia sowie Abgeordnete im Parlament der Autonomen Region Valencia (Spanien).