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Aus: Alternatives Reisen, Beilage der jW vom 15.12.2021
Editorial

In unterschiedlichen Welten

Nicht zum Selbstzweck: Reisen, um zu lernen
Von Ina Sembdner
Die achtjährige Jesse schaut auf das Rollfeld des Miami Airport (29.11.2021) / Ein flüchtendes Kind wartet in Tapachula auf die Transitreise durch Mexiko im Bus (25.11.2021)
Ein flüchtendes Kind wartet in Tapachula auf die Transitreise durch Mexiko im Bus (25.11.2021)

Im Duden heißt es als Beispiel für »eine Reise machen«: »allein, in Gesellschaft, geschäftlich, inkognito reisen«, »an die See, aufs Land, ins Ausland, zu Verwandten«. Während sich die Touristen in der Bildserie dieser Beilage in der Woche vor dem US-amerikanischen Thanksgiving-Fest wohl traditionell zu Letzterem aufmachen, werden Flüchtende aus lateinamerikanischen Ländern an der Südgrenze der USA davon abgehalten, die Reise in ein von ihnen so erhofftes besseres Leben fortzusetzen. Der Kontrast könnte nicht größer sein.

Für eine bessere Zukunft kämpften auch die Guerilleros in Kuba. Ihrem Weg folgt ­Annuschka Eckhardt in der Sierra Maestra – und trifft Menschen, deren Leben durch die erfolgreiche Revolution nicht nur besser wurde, sondern deren ganzes Sein davon bestimmt ist. Und: Sie wollen anderen Völkern ihre historische Erfahrung näherbringen. Seit dem 15. November ist dies auch wieder möglich, da Kuba es aus eigener Kraft und trotz US-Blockade geschafft hat, seine Bevölkerung vor der Coronapandemie zu schützen.

Geschützt werden müsste auch das Thayatal. Dort, wo einst im Grenzgebiet zwischen Österreich und der Tschechoslowakei entlang von Dyje und Morava der sogenannte Eiserne Vorhang verlief, tummeln sich mittlerweile die Wassertouristen, wie Simon Loidl von lokalen Fischern erfährt. Und dann ist da noch die Stiftung der Fürstenfamilie Liechtenstein, die als Grundbesitzerin ihre Hände weit aufhält. Einkommen verwehrt wird dagegen erneut der südafrikanischen Wirtschaft, die nicht zuletzt dank kolonialer wie neokolonialer Politik zu einem großen Anteil auf Geld aus dem Tourismussektor angewiesen ist. Christian Selz hat sich die jüngst – entgegen dem Rat der Weltgesundheitsorganisation – einseitig verhängten Reiserestriktionen genauer angeschaut. Jede Hoffnung auf Ausgleich für die bislang eingefahrenen Verluste ist damit Makulatur.

Eine erste Welle des »Tourismus-Tsunamis« fand bereits in den 1860er Jahren statt. Andreas Hahn nimmt die Lesenden mit auf die damalige Reise von Mark Twain – dem ersten Pauschalreisenden der Weltliteratur. Die Weltausstellung in Paris überforderte ihn jedoch, die anschließende Parade auf dem Marsfeld zu Ehren Napoleons III., eine »Parade der Fehleinschätzungen und Hochstapelei«, konnte darüber noch weniger hinwegtrösten.

Eritrea und Äthiopien wiederum stehen selten auf der Agenda von Reisenden, um so mehr, als die sogenannte Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) vor einem Jahr einen Krieg gegen die Zentralregierung in Addis Abeba losgetreten hat. Georges Hallermayer hatte zuvor die Gelegenheit, die pulsierende Metropole »im Friedensboom« und die Provinz Tigray, die im Norden an den eritreischen Nachbarn grenzt, zu besuchen. Von regem Grenzverkehr fehlte auch nach dem historischen Friedensschluss 2018 jede Spur, zu tief waren nach Jahrzehnten unter von der TPLF dominierten Regierungen die Narben und das Misstrauen gegen das kleine Land am Horn von Afrika, das seinen eigenen sozialistisch orientierten Weg geht.

Vor der eigenen Haustür kehren wiederum die Aktiven der VVN-BdA, Kira Güttinger und Nils Weigt, wenn sie Antifaschismus mit Wandern verbinden. In der Märkischen Schweiz in Brandenburg erwandern sie mit Interessierten die Geschichte des Theresienstädter Außenlagers Wulkow und bekommen dabei Unterstützung von Hanus Hron, dem vermutlich letzten Überlebenden des Nazilagers.

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