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Aus: Ausgabe vom 30.12.2025, Seite 10 / Feuilleton
Black History

Merry Kwanzaa!

Ein Kalender feiert 365 Tage lang schwarze Geschichte
Von Sabine Matthes
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Voodoo: Hector Hyppolite, »Maitresse Erzulie«, circa 1945–1948

Der Kalender hat mich neulich wie ein altes Soulplattencover angelacht, im Souvenir Shop der Battersea Power Station in London. Was irgendwie passte. Er ist eine Hommage an Black Power, mit einem besonderen Zauber und etwas Retrocharme. Der englischsprachige Kalender feiert die Errungenschaften von Schwarzen, ihre Beiträge zu den unterschiedlichsten Disziplinen. Aktivistinnen, Wissenschaftler, Erfinderinnen, Künstler, Unternehmerinnen und Sportler. Ihre Leidenschaft, Neugier, Kreativität, Solidarität und Brillanz, ihren Freigeist, Mut und unbedingten Willen.

Der Januar beginnt mit Azie Taylor Morton, die 1977 von Präsident Jimmy Carter zum Treasurer of the United States ernannt wurde, als erste und bis heute einzige Schwarze Person in dem Amt. Sie folgte dem Credo: »Weder Glück noch die Umstände oder die Art und Weise, wie jemand geboren wurde, bestimmen die Zukunft eines Menschen. Man muss nur (…) die Frage beantworten: ›Wie wünsche ich mir diese Situation?‹ Dann muss man sich komplett den Handlungsschritten verschreiben, die einen dort hinbringen.« Das erinnert an James Baldwin, der gesagt hatte: »Der Ort, wo ich hingehöre, wird nicht existieren, bis ich ihn schaffe.«

Das haben wohl alle zwölf hier Monat für Monat Geehrten getan. Zusätzlich zu den Porträts werden Geburtstage herausragender Persönlichkeiten vermerkt sowie Meilensteine Schwarzer Geschichte. Etwa der 23. Juli, an dem im Jahr 1900 in London vom trinidadischen Anwalt Henry Sylvester Williams die »First Pan-African Conference« organisiert wurde – kurz vor der Pariser Weltausstellung, um Europareisenden afrikanischer Herkunft die Teilnahme an beiden Ereignissen zu ermöglichen. Dort spielte W. E. B. Du Bois eine Hauptrolle, mit seinem Brief an die Führer der europäischen Nationen, die er dazu aufforderte, Rassismus zu bekämpfen, den Kolonien in Afrika und der Karibik die Unabhängigkeit zu geben, und Afroamerikanern politische Rechte. Im Juli gedenkt der Kalender der Unabhängigkeit Südsudans vom Sudan im Jahr 2011. Und man erfährt von Garrett Morgan: Ein Sohn befreiter Sklaven und cleverer Autodidakt, der eine eigene Schneiderei gründete, ein Haarglättungsmittel erfand, später auch die automatische Ampel und im Oktober 1914 eine Gasmaske.

Haitis Helden werden im April gewürdigt. So Hector Hyppolite, der Voodoo-Priester, Schuhmacher und große haitianische Künstler, dessen Gemälde André Breton und Truman Capote schätzten. Und der Athlet Constantin Henriquez. Er war der erste Haitianer und der erste Schwarze, der eine Olympiamedaille gewann. Henriquez lief 1900 für das französische Rugbyteam auf, als die Spiele parallel zur Weltausstellung in Paris stattfanden. Sieben Jahre zuvor war er zum Studium nach Frankreich gekommen. Nach seiner Rückkehr nach Haiti praktizierte er als Arzt und engagierte sich für den Sport.

In den 1950er und 60er Jahren wurde die US-Musikindustrie von Männern dominiert, da hatte es eine Songschreiberin wie Rose Marie McCoy besonders schwer. Im Laufe ihres Lebens schrieb sie etwa 850 Songs, über 360 Künstler nahmen ihre Arbeiten auf, darunter Elvis Presley, Diana Ross and the Supremes, Ike and Tina Turner und James Brown. Ihr ist das Septemberblatt gewidmet. Anders als viele Songschreiber ihrer Zeit wollte sie nicht fest für eine Plattenfirma arbeiten, sondern lieber flexibel sein und die kreative Kontrolle behalten. Sie schrieb für Jazz-, Pop-, Gospel-, Rock-’n’-Roll- und Countrymusiker sowie für eine Coca-Cola-­Kampagne.

Für den 26. Dezember verzeichnet der Kalender den Beginn des sieben Tage dauernden Kwanzaa. Der US-amerikanische Black-Power-Aktivist Maulana Karenga hatte es nach den Watts Riots 1966 entwickelt – als erstes panafrikanisches Fest, als Schwarze Alternative zu Weihnachten. Eine Feier afroamerikanischer Kultur, basierend auf unterschiedlichen afrikanischen Erntefesttraditionen. Sieben Kerzen werden angezündet: Die schwarze in der Mitte steht für Einheit, drei grüne für die Erde, drei rote für den blutigen Kampf. Sie symbolisieren die sieben Prinzipien von Kwanzaa: Einigkeit, Selbstbestimmung, Zusammenarbeit und Verantwortung, gemeinsames Wirtschaften, Zielstrebigkeit, Kreativität, Glaube. Keine schlechten Vorsätze fürs neue Jahr.

»A Journey into 365 Days of Black History«. Wandkalender 2026, ca. 14,51 Euro

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