Reden oder schießen
Von Philip Tassev
Während Russland und die USA versuchen, einen Ausweg aus dem Ukraine-Krieg zu finden, wechseln EU-Politiker hastig von einer Strategie zur nächsten. Der deutsche Griff nach dem eingefrorenen russischen Vermögen ist auf dem jüngsten EU-Gipfel zu einem weiteren 90-Milliarden-Euro-Kredit für das »Fass ohne Boden« in Kiew abgeschwächt worden. Einmal mehr offenbaren sich die der EU schon immer innewohnenden Widersprüche, die immer mehr dazu führen, dass der Staatenblock nicht mehr in der Lage ist, eine gemeinsame Position zu strategischen Fragen zu entwickeln.
In einer solchen Situation hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschlossen, in die Rolle des Vermittlers zu schlüpfen, indem er am Freitag die Notwendigkeit von Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin betonte. Die Gesichter in Berlin waren entsprechend lang.
Doch einige deutsche Politiker wollen Paris das Feld der Diplomatie nicht kampflos überlassen und plädieren ebenfalls für Gespräche mit Moskau. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Armin Laschet (CDU), machte vergangene Woche den Aufschlag, indem er einen »EU-Sondergesandten für Russland« ins Gespräch brachte, der die Autorität haben müsse, »für die gesamte Europäische Union oder für Deutschland zu reden«.
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann befürwortete am Dienstag direkte Kontakte der »Europäer« zu Putin grundsätzlich. »Das Selbstverständnis von Europa muss sein, auf diesem Spielfeld ein Mitspieler zu sein«, sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag gegenüber dpa. »Wir müssen europäische Interessen vertreten und das darf man und kann man auch in Gesprächen mit Putin.« Wichtig sei aber dabei, dass »Europa« mit einer Stimme spreche.
In der Bundesregierung ist man offenbar noch nicht soweit. Der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer erklärte am Montag in Berlin vor Journalisten lediglich, man habe die Äußerungen »zur Kenntnis genommen«. Die Regierung habe keine Bedenken, »dass die europäische Einigkeit in diesem Thema bröckelt«. Mitglieder des Kabinetts bemühen vorerst lieber weiter das Bild von der »russischen Bedrohung«, vermutlich nicht ohne die vielen Milliarden Euro im Hinterkopf, die zur Zeit in die Rüstungsindustrie umgeleitet werden – Stichwort: Konjunkturprogramm. Außenamtschef Johann Wadephul (CDU) sagte der dpa am Dienstag, es werde »auf absehbare Zeit« so bleiben, »dass wir Sicherheit in Europa nur als Sicherheit vor Russland bekommen«. Und diese »Sicherheit« sei »nur aus einer Position der Stärke, der Geschlossenheit im Bündnis und einer verteidigungsfähigen Bundeswehr« zu erreichen.
Deshalb gebe es auch »keinen Anlass, dass wir unsere Anstrengungen reduzieren könnten. Ganz im Gegenteil«, sagte Wadephul mit Blick auf die Hochrüstung des deutschen Militärs. Er rate »dringend« dazu, »bei all diesen Vorhaben und Plänen keinerlei Abstriche zu machen«. Zudem wiederholte der Außenminister den Ruf nach US-Garantien für Kiew. »Das bedeutet natürlich eine Zusage und eine wirkliche Bereitschaft auch der Versprechensgeber, einzutreten an der Seite der Ukraine, sollte sie von Russland erneut überfallen werden.« Das ist aber nicht nur an Washington gerichtet. Auch die »Europäer« müssten dann »ihren Beitrag« leisten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wollte sich auf einen Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine laut einem Zeit-Interview noch nicht festlegen. Das seien »hypothetische Überlegungen«, sagte er laut einem Vorabbericht vom Montag. Dem russischen Präsidenten warf er vor, nicht einmal zu einem »Waffenstillstand« bereit zu sein. Die »Europäer« hätten bereits ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer EU-geführten Truppe für Kiew erklärt, aber auch die USA müssten sich an »Sicherheitsgarantien« beteiligen.
Aus dem russischen Parlament kamen am Dienstag hingegen recht versöhnliche Töne. Zum Abschluss der letzten Duma-Sitzung des Jahres machte Parlamentssprecher Wjatscheslaw Wolodin deutlich: »Russland war nie ein Feind Europas. Es hat Europa durch die Lieferung günstiger Energie beim Wachstum geholfen und seine Wirtschaft wettbewerbsfähiger gemacht.« Aber einige europäische Politiker würden die Idee einer russischen Bedrohung ausnutzen, um ihre Macht zu erhalten. »Es wäre klug, wenn die europäischen Bürger solche Politiker zur Rechenschaft ziehen würden. Je früher sie zurücktreten, desto schneller wird Europa Verbesserungen sehen.«
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