Trumps willige Helfer
Von Nick Brauns
Die Solidaritätsvereinigung Rote Hilfe e.V. steht bald ohne Bankkonto da und ist damit in ihrer Existenz bedroht. Kurz hintereinander haben die GLS Bank und die Sparkasse am Sitz des Vereins in Göttingen alle Konten des strömungsübergreifenden linken Zusammenschlusses gegen staatliche Repression mit mittlerweile rund 19.000 Mitgliedern gekündigt. Die Rote Hilfe geht davon aus, dass die Listung der sogenannten »Antifa Ost« als ausländischer Terrororganisation durch die US-Regierung unter Präsident Donald Trump der Grund der plötzlichen Kontokündigungen ist.
Eine Gruppe namens »Antifa Ost« gibt es gar nicht, es handelt sich vielmehr um ein juristisches Konstrukt deutscher Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit einer Reihe von Prozessen gegen militante Nazigegner, die auch als »Budapest-Komplex« oder in reaktionären Boulevardmedien unter »Hammerbande« laufen. Zudem teilt die Bundesregierung die US-Einschätzung der »Antifa Ost« als Terrororganisation explizit nicht, schon da der Großteil der diesem Netzwerk zugerechneten Personen sich inzwischen in Haft befindet. Die Rote Hilfe hat zu ihrer Unterstützung die Solidaritätskampagne »Wir sind alle Antifa« gestartet. Denn für Anwälte und Gutachter müssen Gelder aufgebracht werden oder Angehörigen die Fahrtkosten zu den Prozessen finanziert werden.
Das Office of Foreign Assests Control, das dem US-Finanzministerium angegliedert ist, nennt die »Antifa Ost« auf seiner Sanktionsliste »terroristischer« Organisationen. Und genau das scheint bei deutschen Banken nun für Panik zu sorgen. Denn Finanzinstitute, die mit auf US-Terrorlisten genannten Personen oder Organisationen in Verbindung stehen, drohen Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk SWIFT. Dieses unterliegt zwar offiziell EU-Recht, doch aufgrund der Dominanz des US-Dollars können die USA ihre außenpolitschen Vorgaben durchsetzen.
Die GLS Bank habe die Rote Hilfe vor der Kündigung nach ihrer Verbindung zur »Antifa Ost« befragt, meldet die Süddeutsche Zeitung. Gegenüber der Roten Hilfe gab die Bank dann »regulatorische Anpassungen« als Grund der Kontokündigungen zum Februar 2026 an. Auf Pressenachfragen verschiedener Zeitungen erklärte die Bank unter Berufung auf das Bankgeheimnis, keine weiteren Auskünfte zu Konten oder Kunden erteilen zu dürfen. Ebenso die Sparkasse Göttigen. Doch anders als die GLS Bank hat die Sparkasse einen öffentlichen Versorgungsauftrag. Daher hat die Rote Hilfe eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Göttigen gegen das Finanzinstitut eingereicht.
»Es entsteht ein rechtsfreier Raum, in dem politische Deutungen einer US-Regierung faktisch die deutsche Zivilgesellschaft treffen können«, warnt die Rote Hilfe in einer am Dienstag nachmittag veröffentlichten Pressemitteilung. »Wenn die ultrarechte Agenda in den USA weiter an Einfluss gewinnt, könnten auch andere progressive Initiativen und marginalisierte Gruppen ins Fadenkreuz geraten«, verweist Hartmut Brückner vom Bundesvorstand der Rote Hilfe etwa auf Schwangerschaftsberatungsstellen oder queere Organisationen, die von konservativen Kräften in den USA zu »terroristischen« Feindbildern erklärt werden könnten. »Würden unsere Banken dann ebenso bereitwillig deren Konten kündigen?«
Die genossenschaftlich organisierte GLS Bank – auch die Rote Hilfe war Genossenschafterin - vesteht sich selbst als sozial-ökologisch, viele linke Projekte haben dort ihre Konten. Doch vor wenigen Wochen kündigte die Bank bereits alle Konten der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) ohne weitere Angabe von Gründen. Da es zuvor Nachfragen der Bank zu ihrer Solidarität mit Kuba gegeben hat, vermutet die DKP, dass die Bank vor der Kuba-Blockade der USA eingeknickt ist, die auch Unternehmen in Drittstaaten bedroht. Ebenfalls sein Konto bei der GLS-Bank verloren hat jüngst das Anarchist Black Cross Dresden. Diese Solidaritätsvereinigung unterstützt unter anderem inhaftierte Anarchisten in Russland und Belarus sowie auf Seiten der Ukraine gegen Russland kämpfende »Anarchisten« – der Grund der Kontokündigung dürfte allerdings wie bei der Roten Hilfe die Solidarität mit verfolgten Antifaschisten sein.
Der Rote Hilfe e.V., der seine Wurzeln in den 70er Jahren hat, sieht sich selbst in der Tradition der vor über 100 Jahren von der Kommunistischen Partei Deutschlands gegründeten Roten Hilfe Deutschlands, die bis zu ihrer weitgehehenden Zerschlagung durch die Hitler-Faschisten zu einer Massenorganisation mit hunderttausenden Mitgliedern - ein Großteil davon parteilos - angewachsen war. Die heutige Rote Hilfe ist vollständig strömungsübergreifend und vereint unter anderem Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten, Autonome, Friedensaktivisten, Gewerkschafter und Klimaschützer.
Dabei steht der Verein seit langem im Fadenkreuz des Inlandsgeheimdienstes. 2018 gab es Überlegungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zu einem Verbot der Roten Hilfe. Die Folge war allerdings eine weitreichende Solidarisierung mit der Vereinigung, die in den folgenden Jahren tausende neue Mitglieder verbuchen konnte. So erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die Bundesregierung und ihr Geheimdienst jetzt darauf setzen, dem unliebsamen Verein über Bande mit Hilfe von Trumps Terrorlisten in Deutschland den Nährboden abzugraben. Doch könnte es sich in Zeiten verschärfter Wirtschaftskriege noch als Eigentor erweisen, die Souveränität in den heimischen Finanzinstitutionen bereitwillig der US-Administration zu opfern.
»Wir rufen alle progressiven Kräfte in diesem Land dazu auf, an unserer Seite zu stehen, um auch weiterhin für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen, unabhängig von US-amerikanischer Einmischung und gegen die global agierende Rechte«, so der Appell von Rote-Hilfe-Vorstandsmitglied Hartmut Brückner.
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