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Aus: Ausgabe vom 24.12.2025, Seite 2 / Inland
Justiz verfolgt Kriegsgegner

Was haben Sie aus diesem Fall gelernt?

Wer wegen Symbolen gegen Krieg als Hamas-Anhänger verfolgt wird, muss dagegen vorgehen und Verbündete suchen, rät Bernd Trete
Interview: Marc Bebenroth
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Wer sucht, der findet: Demonstration zum Luxemburg-Liebknecht-Gedenken am 14. Januar 2024 in Berlin

Weil Sie das Foto eines Banners der SDAJ in Ihrem Onlineprofil auf der Plattform X hochgeladen hatten, wollte Ihnen die Justiz ans Leder. Was hat es mit diesem Foto auf sich?

Ausgangspunkt war die Luxemburg-Liebknecht-Demo am 12. Januar 2025 hier in Berlin. Auf einem Plakat der Jugendorganisation SDAJ war ein Maschinengewehr gemalt, das durch einen roten Keil quasi zerteilt wird. An dem Tag hatte die Polizei das Banner an sich genommen, wie sich schnell herumsprach. Ich hielt mich mit meiner Fahne der Partei MERA 25 in der Nähe des Demoblocks der DKP auf. Der Parteivorsitzende Patrik Köbele sprach zu den Leuten und informierte über diesen Eingriff der Polizei. Der rote Keil wurde durch diese als »Hamas-Dreieck« eingestuft. Das war an den Haaren herbeigezogen. Und nachdem die UZ (Unsere Zeit, Parteiblatt der DKP, jW) darüber berichtete, habe ich das Foto in mein Profil geladen.

Dort ist es bis heute. Darauf ist zu lesen: »Wir sind die Jugend des Hochverrats! Wir sterben nicht für ihre Kriege!« Das hört man eher selten von Hamas-Anhängern …

Da wir auf der Gedenkdemonstration für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren, ist klar, wer gemeint ist. Liebknecht wurde als Hochverräter ins Gefängnis gesteckt, weil er öffentlich gegen die Kriegskredite im Reichstag geredet hatte und verurteilt worden war. Der rote Keil ist auch kein gleichseitiges Dreieck, wie es die Hamas verwendet. Jedem sollte klar sein: Auf dem Banner wird Kriegsgerät zerstört. Auch die Parole ist klare Antikriegsrhetorik!

Was hatte man Ihnen vorgeworfen?

Am 3. Juni kam die Mitteilung, dass gegen mich ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde wegen des Verwendens von Symbolen verfassungsfeindlicher und terroristischer Organisationen.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Eine Woche später, am 10. Juni, habe ich darauf geantwortet und im Grunde noch mal erklärt, was auf dem Banner zu sehen ist, sowie deutlich geschrieben, dass ich kein Hamas-Symbol verwendet habe. Danach ist lange nichts passiert. Sozusagen aus Widerstand habe ich in meinem Onlineprofil mir noch ein rotes Dreieck vor meinen Namen gemacht. Ich bin schließlich auch Mitglied bei der VVN–BdA.

Die das gleichseitige rote Dreieck, mit dem die Nazis politische Gefangene markiert hatten, im Wappen trägt. Jüngst haben Sie erfahren, dass es nicht zu einem Prozess kommt. Wie haben Sie das erreicht?

Mit Datum vom 15. Oktober wurde mir ein Strafbefehl wegen Verbreitens von Propagandamitteln terroristischer Organisationen zugestellt, in dem eine Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro plus Verfahrenskosten auferlegt wurde. Gerade als der Postbote klingelte und den Strafbefehl überbrachte, schaute ich mit einem Enkel und meiner Patentochter den Film »Nackt unter Wölfen«. Wir wollten uns auf den Besuch der Gedenkstätte Buchenwald einstimmen, den wir für den nächsten Tag geplant hatten. Gegen den Strafbefehl habe ich beim Amtsgericht Einspruch zu Protokoll gegeben. Daraufhin wurde der Termin für die Hauptverhandlung auf den 3. Februar 2026 festgelegt.

Doch am 17. Dezember war im Briefkasten das Schreiben mit der Klagerücknahme. Zwischendurch hatte ich alle informiert, von denen ich annahm, dass sie Interesse an der Sache haben. Dem Kreisverband der Linken hier in Potsdam habe ich geschrieben, ans BSW ebenso sowie allen linken Gruppen. Auch die DKP hier in Potsdam und Umland habe ich involviert. Der Landesverband VVN–BdA Brandenburg hat auch Unterstützung zugesagt. Dann hatte der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf im Landtag eine Anfrage gestellt und verlangt, dass solche Verfahren nicht durchgeführt werden, wenn nicht von vornherein klar ist, dass es um Hamas-Symbole geht.

Welchen Grund hat das Gericht Ihnen genannt?

»Von Amts wegen«. Ich vermute, dass da vielleicht was durchgesickert ist nach meinen vielen Mitteilungen. Andererseits könnte es die Antwort zur Anfrage des BSW-Abgeordneten gewesen sein. Darin stand sinngemäß, dass es Aufgabe der Polizei sei, jedes rote Dreieck daraufhin zu überprüfen, ob das mit Hamas oder anderen verbotenen Organisationen im Zusammenhang steht. Möglicherweise hat es intern einen Anruf gegeben, und es wurde der Staatsanwaltschaft gesagt: »Lass das mal sein.« Oder so.

Was haben Sie aus diesem Fall gelernt?

Dass man das öffentlichmachen und sich Verbündete suchen muss. Leute, bei denen die Linie stimmt: gegen Faschismus und Krieg. Ich bin überzeugt, dass die meisten Menschen keinen Krieg wollen.

Bernd Trete lebt in Potsdam, ist aktiver Kriegsgegner und Antifaschist sowie Mitglied der VVN–BdA und der Partei MERA 25

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