Wieder alles beim alten im Vatikan
Von Gerhard Feldbauer
Am 11. Mai 2025 hat Robert Francis Prevost, der erste Papst aus den USA, als Leo XIV. offiziell sein Amt als Oberhaupt der katholischen Kirche und zugleich Chef des Vatikanstaats angetreten. Nach seiner Wahl am 8. Mai schrieb das Mitteilungsblatt Vatikan News, sein Wirken werde davon geprägt sein, engagiert den »Dialog und Frieden zu fördern«. Außerdem wolle er für eine Kirche eintreten, die sich »nicht an die Mächtigen anlehnt« und »die Mission nicht mit religiösem Marketing verwechselt«. Die Frage jedoch, wohin die Reise des von der Kurie medienwirksam vorgestellten »Einheitspapstes« tatsächlich geht, ist nicht einfach zu beantworten. Der neue Pontifex betont unermüdlich, das Werk seines Vorgängers Franziskus fortsetzen zu wollen. Eine Betrachtung seiner Haltung zu internationalen Konflikten wie dem Ukraine-Krieg oder Israels Vorgehen gegen die Palästinenser in Gaza verdeutlicht jedoch, dass es grundlegende Unterschiede gibt. Diese haben auch mit der Haltung Leos zum Faschismus unter Mussolini zu tun.
Zu seiner Amtseinführung hatte der neue Papst neben Vertretern der Ostkirchen den Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Di Segni, eingeladen. Leo erklärte dabei, dass er die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Zusammenarbeit mit den Juden im Geiste von »Nostra Aetate« – der Erklärung von 1965 zur Haltung der katholischen Kirche zu nichtchristlichen Religionen – einhalten werde. Drei Wochen später wurde ersichtlich, worum es ging: Leo strebt Insidern zufolge die Seligsprechung des mit dem Mussolini-Faschismus verbandelten ehemaligen Papstes Pius XII. an. Während eines Besuchs in der päpstlichen Resistenz Castel Gandolfo sprach Leo vom mutigen Handeln Pius XII., der 1944 im Zweiten Weltkrieg mehr als 12.000 Menschen in den Castelli Romani Zuflucht vor der Bombardierung gewährt habe.
Er wollte offensichtlich vergessen machen, dass Pius XII. Informationen über die Greuel in Auschwitz ignorierte, die ihm vom späteren Papst Johannes XXIII. – damals Nuntius bzw. Botschafter des Vatikans in Istanbul – 1944 übermittelt worden waren. Sie stammten von zwei Juden, die im April 1944 aus Auschwitz fliehen konnten und deren Berichte später Teil der »Protokolle von Auschwitz« wurden. Mit der Betonung der Einhaltung von »Nostra Aetate« zu seinem Amtsantritt wollte Leo Israel ganz offensichtlich dafür gewinnen, einer Würdigung von Pius XII. in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem zuzustimmen – als Schritt zu dessen Seligsprechung. Als nächstes ließ aufhorchen, dass Leo am 22. September in Vatikan News zur »schrecklichen« Situation in Gaza äußerte: Der Heilige Stuhl sei derzeit nicht der Ansicht, »eine Erklärung zur Definition von Genozid abgeben zu können«, und man sehe auch »keinen Grund für eine Stellungnahme«. Hier wurde ebenfalls deutlich, dass der Papst sich nicht gegen Netanjahus Völkermord wenden will. Denn er möchte erreichen, dass Israel keine Einwände mehr gegen die Seligsprechung von Pius XII. vorbringt.
Der Schritt würde grundsätzlich auch ein Bekenntnis zu dem unter Pius XII. verfolgten Bündnis der Kurie mit dem Faschismus unter Mussolini und nach 1945 bedeuten. Hatte doch der Vatikan unter ihm nach Kriegsende für Tausende und Abertausende führende Faschisten die Flucht über die im Geheimdienstjargon »Rattenlinie« genannte Route nach Südamerika organisiert oder sich aktiv daran beteiligt. Zu den Geflohenen gehörten international gesuchte Kriegsverbrecher wie Adolf Eichmann, der KZ-Arzt von Auschwitz Josef Mengele sowie der Kommandant der Vernichtungslager von Sobibor und Treblinka, Franz Stangl.
Was den Krieg in Osteuropa angeht, hatte Franziskus die russische Eingliederung der Krim per Referendum wie auch den Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt. Leo bezeichnete dagegen noch vor seiner Amtseinführung gegenüber der peruanischen Zeitung Semanario Expresión Russlands Vorgehen als »echte Invasion«, die imperialistischer Natur sei und bei der Moskau versuche, aus Machtgründen »Territorium zu erobern«. Am 9. Juli empfing er den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij in Castel Gandolfo zur Privataudienz und telefonierte danach mehrfach mit ihm.
Wenn Leo appelliert, den Krieg zu beenden, klammert er aus, dass in Kiew unter Selenskij ein Regime herrscht, das 2014 durch den Maidan-Putsch von Faschisten an die Macht kam. Wie die Agentur kath.net am 16. Dezember berichtete, hat der Papst inzwischen eine Einladung Selenskijs angenommen. Laut der Nachrichtenagentur ANSA »hat der Vatikan bereits einen Plan für einen Besuch von Papst Leo XIV. in der Ukraine ausgearbeitet, Sicherheitsbedenken erschweren derzeit aber noch die Durchführung«. Selenskij habe von einem »starken Signal der Unterstützung für unser Volk« gesprochen. Von einer von Leo erklärten »neutralen Rolle«, die der Vatikan als »Vermittler« bei der Lösung des Konflikts spielen wolle, kann da wohl kaum noch die Rede sein.
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