Keine Gräber mehr in Khartum
Von Ina Sembdner
Es ist ein kleiner Lichtblick: Am Freitag erklärte der Leiter der sudanesischen Behörde für Gerichtsmedizin, dass die Hauptstadt Khartum nach mehr als zweieinhalb Jahren Krieg wieder bewohnbar sei. Hischam Sein Al-Abidin könne den Bürgern, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, und denjenigen, die sich Sorgen machen, versichern, dass die Lage sicher sei und sie zurückkehren könnten, zitierte ihn das Portal Sudan Horizon am Sonnabend. Tags zuvor hatte die Sudan Tribune unter Berufung auf eine offizielle Quelle im Gesundheitsministerium hinzugefügt, dass seit der Rückeroberung der Stadt im März dieses Jahres 15.000 Leichname aus Nachbarschaften und Schulen eingesammelt worden seien. Für den Bundesstaat Khartum gehe die Behörde davon aus, bis Mitte 2026 erklären zu können, dass sich keine inoffiziellen Gräber mehr außerhalb von Friedhöfen befinden. Demnach hätten die paramilitärischen RSF, die das Land mit Unterstützung vor allem der Vereinigten Arabischen Emirate in einen blutigen Machtkampf gestürzt haben, Zivilisten dazu gezwungen, ihre getöteten Angehörigen an öffentlichen Plätzen sowie in Schulen, Moscheen und ihren eigenen Häusern zu begraben.
Parallel dazu verschärft sich die Lage in den drei Kordofan-Bundesstaaten südwestlich Khartums. Nach der Einnahme und den Massakern in der norddarfurischen Hauptstadt Al-Fascher Ende Oktober hatten sich die Kämpfe gegen die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) von De-facto-Präsident Abd Al-Fattah Al-Burhan Richtung Osten ausgedehnt. Nach Angaben der türkischen Agentur Anadolu kontrollieren die RSF unter Al-Burhans früherem Vize Mohammed Hamdan Daglo mittlerweile alle fünf Bundesstaaten der Region Darfur im Westen, mit Ausnahme einiger Gebiete in Norddarfur, die weiterhin unter SAF-Kontrolle stehen. Al-Burhan, dessen Regierung sich während des Krieges nach Port Sudan zurückgezogen hatte, beherrscht den größten Teil der übrigen 13 Bundesstaaten. Und die sudanesische Bevölkerung hat ihm am Wochenende Rückendeckung gegeben.
Zehntausende demonstrierten in zahlreichen sudanesischen Städten unter dem Motto: »Eine Armee, ein Volk« sowie gegen ausländische Einmischung, wie Sudan Horizon berichtete. Der Gouverneur von Darfur, Minni Arko Minawi, hielt ebenfalls eine Rede und erklärte, dass für die Beendigung des Krieges mehrere Bedingungen erfüllt sein müssen. Dazu zähle vor allem ein Ende der Präsenz der Vereinigten Arabischen Emirate im Land. Die zweite Bedingung sei die Vertreibung von Angehörigen der RSF aus Wohngebieten und öffentlichen Einrichtungen sowie die Rückgabe von internationalen Grenzübergängen, Flughäfen und anderen Einrichtungen, die derzeit unter Kontrolle der Paramilitärs stehen. Minawi forderte die Freilassung aller Entführten und die Öffnung der RSF-Gefängnisse für das Rote Kreuz, um die Rechte der Inhaftierten zu gewährleisten. Diejenigen, die Völkermord begangen hätten, müssten zur Rechenschaft gezogen werden, forderte der Gouverneur. Damit meinte er die RSF sowie die sogenannte Gründungsallianz Tasees, die im Sommer eine Parallelregierung in der Hauptstadt Süddarfurs, Nyala, ausgerufen hatte. Daran beteiligt auch die bis zur Unabhängigkeit 2011 im Südsudan aktive SPLM-N.
Ungeachtet dessen hat diese Kriegsfraktion ihre Angriffe am Wochenende noch verstärkt. So wurden am Sonntag Artillerie- und Drohnenangriffe auf Kadugli und Dilling in Südkordofan gemeldet. Geschosse trafen demnach unter anderem den Hauptmarkt und die Umgebung des Hauptquartiers der 14. Infanteriedivision der SAF, wie die Sudan Tribune berichtete. Einwohner beschrieben eine Stadt unter Belagerung, die SPLM-N blockiere die Fluchtwege aus der südkordofanischen Hauptstadt Kadugli nach Osten. Im Norden wiederum sei RSF-kontrolliertes Gebiet, aus dem Berichte über Morde, Plünderungen und Verhaftungen an der Tagesordnung seien, wie das Blatt schreibt.
Zuvor hatte ein Drohnenangriff auf den Stützpunkt der UN-Mission UNISFA am Sonnabend sechs »Blauhelm«-Soldaten aus Bangladesch getötet und sechs weitere verletzt. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den »entsetzlichen« Angriff und sprach von einem möglichen Kriegsverbrechen. Angriffe auf Friedenstruppen seien »nicht zu rechtfertigen«. Die SAF veröffentlichte ein Video auf ihrer Facebook-Seite, das Flammen und Rauchschwaden zeigt, die von dem UN-Stützpunkt aufsteigen. Die Militärregierung verurteilte den Angriff und beschuldigte die RSF-Miliz. Die sprach von »falschen Anschuldigungen« und veröffentlichte am Sonntag ihrerseits auf ihrer Webseite »Verstöße der terroristischen sudanesischen Streitkräfte gegen humanitäre Missionen und Konvois«.
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