Im Sudan drohen neue Massaker
Von Luca Schäfer
Das mediale Geschäft ist schnellebig. Nachdem der Sudan kurzzeitig ins Zentrum des Weltinteresses vorgedrungen war, ist die Aufmerksamkeit erneut verflogen. Zu Unrecht: In der zentralsudanesischen Region Kordofan drohen erneut Greueltaten. So warnte der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk am Donnerstag vor einer Wiederholung der Gewalt, wie sie zuvor in der Hauptstadt Norddarfurs, Al-Fascher, stattgefunden hatte. Am Montag hatten die paramilitärischen sogenannten Schnellen Eingreiftruppen (Rapid Support Forces, RSF) unter Mohammed Hamdan Daglo bekanntgegeben, dass sie das Armeehauptquartier in der westkordofanischen Stadt Babanusa eingenommen hätten.
Bei der Einnahme von Al-Fascher massakrierten RSF-Truppen Hunderte Zivilisten, töteten Menschen auf der Flucht aus der mehr als 500 Tage lang belagerten Stadt. Das grausamste Massaker in jenen Tagen Ende Oktober war die Massentötung im und um das Saudi-Krankenhaus, das nun Ende November ausführlich von Reuters beleuchtet und bestätigt wurde. Demnach wurden allein dort durch systematische Angriffe der RSF über 500 Patienten getötet. Zudem sollen Kämpfer der Miliz ins Krankenhaus eingedrungen sein und mindestens neun Beschäftigte getötet haben.
Damit ist die Liste der Vorwürfe gegen die RSF, deren größter militärisch-finanzieller Unterstützer die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind, um einen Punkt länger geworden. Neben Berichten über gezielte Tötungen von Zivilisten gibt es solche über die Zerstörung der Lebensgrundlagen der sudanesischen Bevölkerung, Masseninhaftierungen und Geiselnahmen zur Lösegelderpressung in Darfur sowie sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Letzteres geht unter anderem auf Schilderungen von Betroffenen gegenüber Amnesty International zurück. Eine 29jährige Überlebende schilderte demnach, dass die RSF-Kämpfer bei der Einnahme Al-Faschers Männer und Frauen getrennt hätten. Die Männer seien getötet, die Frauen in ein Lager verbracht worden. Dort seien sie mehrfach vergewaltigt worden.
Vergleichbares könnte nun auch der Region Kordofan bevorstehen: Schon jetzt sind Städte wie Kadugli und Dilling in Südkordofan unter Belagerung der RSF. In Kadugli ist eine Hungersnot bestätigt, in Dilling droht sie. Darüber hinaus sind die Krankenhäuser teilweise außer Betrieb. Mehr als 45.000 Menschen aus der Region sind auf der Flucht. Medien wie die Sudan Tribune meldeten am Donnerstag schwere Angriffe der Miliz, darunter einen Drohnenschlag auf einen Kindergarten und ein Krankenhaus in Kalogi (Südkordofan), dem neun Menschen zum Opfer fielen, darunter Kinder.
Angesichts der jüngsten Ereignisse sowie der insgesamt mehr als 150.000 Toten seit Beginn des militärisch ausgetragenen Machtkampfs im April 2023 bräuchte es einen Waffenstillstand dringender denn je. Doch der im September von der US-Regierung großspurig als Friedensfahrplan proklamierte und mit Ägypten, Saudi-Arabien und den VAE abgestimmte angebliche diplomatische Durchbruch scheitert bisweilen an seinen eigenen Widersprüchen. Während Washington in seiner Rolle als Hegemon darauf besteht, dass der Inhalt – eine dreimonatige Waffenruhe, eine Übergangsphase und die Etablierung einer zivilen, prowestlichen Regierung – unverändert bleibt, überschreiten diese Punkte jegliche roten Linien für Daglos Gegenspieler, De-facto-Staatschef Abd Al-Fattah Al-Burhan.
Der iranische Sender Press TV berichtete Ende November unter Berufung auf den hochrangigen General Yasser Al-Atta, stellvertretender Kommandeur der sudanesischen Streitkräfte, dass die Vereinigten Arabischen Emirate nicht nur die RSF finanziell unterstützen, sondern das westliche Schweigen darüber regelrecht erkauft hätten. Erschwerend kommt hinzu, wie der britische Guardian meldete, dass laut einem Whistleblower aus dem britischen Außenministerium, kurz nach Beginn des Krieges Warnungen vor einem möglichen Völkermord in Darfur aus einer behördlich-offiziellen Risikoeinschätzung entfernt worden seien – konkret das Wort »Genozid«. Ausführende des 20 Jahre zurückliegenden Völkermords in Darfur waren die Vorläufer der jetzigen RSF, die Dschandschawid-Milizen unter ihrem damaligen wie jetzigen Anführer Daglo.
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