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Aus: Ausgabe vom 06.12.2025, Seite 7 / Ausland
Osttimor

Ungesühnte Journalistenmorde in Osttimor

Unabhängigkeitsbestrebungen 1975 von Indonesien brutal niedergeschlagen. Ausschalten von Kritikern bis heute beschwiegen
Von Rainer Werning
Gedenktafel für die »Balibo Five« am 40. Jahrestag in Canberra

Vor 50 Jahren, am 28. November 1975, rief die linksgerichtete Fretilin, die Revolutionäre Front für die Unabhängigkeit von Osttimor, in der vormals portugiesischen Provinz Osttimor die Unabhängigkeit aus. Doch bereits neun Tage später, am 7. Dezember, fand diese ein jähes Ende, als indonesische Truppen in das Land einmarschierten und deren Hauptstadt Dili okkupierten. Was folgte, war ein langwieriger Volkskrieg, in dessen Verlauf rund ein Viertel der damals etwa 800.000 Einwohner zählenden Bevölkerung Osttimors ums Leben kam. Die Kaltschnäuzigkeit des indonesischen Militärregimes unter General Suharto wurde von der »westlichen Wertegemeinschaft« vollumfänglich gutgeheißen, weil die Furcht umging, in Osttimor könnte ein »zweites Kuba« in Südostasien Gestalt annehmen.

Die Invasionspläne Suhartos aufgedeckt und dokumentiert zu haben, war das Verdienst investigativer Fernsehjournalisten, die hernach als die sogenannten Balibo Five in die Geschichte eingingen. Der Neuseeländer Gary Cunningham (Kameramann) und die beiden Australier Greg Shackleton (Reporter) und Tony Stewart (Ton) vom Melbourner Sender HSV-7 sowie die Briten Brian Peters und Malcolm Rennie vom Fernsehsender TCN-9 aus Sydney hielten sich im Oktober 1975 im äußersten Nordwesten Osttimors – in der Kleinstadt Balibo Vila – auf und wurden am 16. Oktober 1975 als unerwünschte Zeugen der beginnenden Invasion indonesischer Truppenverbände ermordet. Am Tag ihres Todes filmten sie vom alten Fort in Balibo aus den Einmarsch indonesischer Streitkräfte, womit die eigentliche Invasion am 7. Dezember 1975 vorbereitet wurde. Augenzeugenberichte gaben später an, die Reporter seien erschossen beziehungsweise einer von ihnen erstochen worden, nachdem sie sich bereits ergeben hatten.

Nachdem das indonesische Militär zunächst solche Taten rundweg bestritten hatte, rechtfertigte es zu einem späteren Zeitpunkt die Tötung der Journalisten damit, die Männer seien »Kommunisten« und »Sympathisanten der Fretilin« gewesen. Mittlerweile ist gesichert, dass die Reporter getötet wurden, um die Vorbereitungen für eine großangelegte Invasion indonesischer Truppen in Osttimor zu vertuschen. Auch der australische Reporter Roger East, der das Schicksal der Balibo Five aufklären wollte, wurde beim Einmarsch der indonesischen Soldaten am 7. Dezember 1975 hingerichtet und sein Leichnam über die Kaimauer in Dili geworfen.

Die sterblichen Überreste der Balibo Five wurden verbrannt und später ohne das Einverständnis ihrer Familien in Jakarta begraben. Eine unrühmliche Rolle wurde bei alledem dem damaligen australischen Botschafter in Jakarta, Richard A. Woolcott, zugeschrieben. Während seiner dortigen Amtszeit von 1975 bis 1978 erwies sich der Diplomat als knallharter Apologet der indonesischen Seite und einer engen australisch-indonesischen Kooperation. Er war auch an der unzeremoniellen Beisetzung der Balibo Five auf einem Friedhof in der indonesischen Hauptstadt zugegen. Woolcott bedauerte den Tod der Journalisten, hob gleichzeitig aber die »Verantwortungslosigkeit« der betroffenen Sendeanstalten hervor, sich überhaupt auf ein »so riskantes Unterfangen« eingelassen zu haben.

Australische Untersuchungen aus dem Jahr 2007 implizierten, dass selbst der damalige Premierminister Australiens, Gough Whitlam, die Ermordung der Journalisten durch das indonesische Militär befürwortet habe. Pressemeldungen berichteten von Zeugen, die den indonesischen Militärsprechfunk abgehört hatten, über den gemeldet wurde: »Gemäß ihren Anweisungen wurden fünf Journalisten aufgespürt und erschossen.« Das Gericht kam in seinen Ergebnissen, die am 15. November 2007 vorgelegt wurden, zu dem Schluss, dass die Balibo Five hingerichtet wurden.

Nach Aussage eines Sprechers des indonesischen Außenministeriums Anfang März 2007 gilt der Fall in Jakarta als abgeschlossen. Dort beharrt man bis heute auf der Version, die Balibo Five seien in einem Kreuzfeuer ums Leben gekommen. Verhöhnt wurden die zahlreichen Opfer der Diktatur von Suharto ein zweites Mal, als dieser am 10. November 2025 offiziell zum »Nationalhelden« erklärt wurde.

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