Die heilige Demokratie
Eine völkisch-wirtschaftsliberale Partei gründet eine neue Jugendabteilung, und die Republik ist aus dem Häuschen. Faschisten wollen in eine Halle, Antifaschisten haben etwas dagegen, die Staatsgewalt grätscht wenig zimperlich dazwischen. Der verbliebene kleine Rest einer Linken, der es ums Ganze geht, bleibt am Rand. So, wie in Gießen ein linksliberaler Block, der an den Verhältnissen im Land grundsätzlich nichts auszusetzen hat, Blockade gegen eine AfD-Jugend macht, ist man rechts davon angewidert von den Formen des Protests (»Gewalt«). Die Zeitungslandschaft spiegelt dieses politische Spektrum der Mitte ziemlich getreu wider.
Die Frankfurter Rundschau sieht in den Demonstrationen von Gießen »ein deutliches Zeichen der Mehrheitsgesellschaft gegen Rechtsextreme«. Beruhigend ist nach solcher Auffassung, dass »drei Viertel der Bevölkerung (…) das Land nicht mit Remigration, russlandfreundlichem Kurs und antieuropäischen Zielen ruinieren« wollen. »So gesehen war der Protest in der hessischen Stadt erfolgreich.«
Bei der Neuen Osnabrücker Zeitung sieht man das ein bisschen anders. Die Neugründung der AfD-Jugendorganisation sei begleitet gewesen »von den erwartbaren Bildern prügelnder Vermummter (…). Von den Tausenden friedlich protestierenden Bürgern spricht am Ende solcher Wochenenden kaum jemand.« Wenn bloß diese verdammten Radikalen nicht wären, sie schaden dem löblichen Anliegen: »Von solchen Bildern profitiert stets die Partei, nicht ihre Gegner.«
Die sorgfältige Unterscheidung zwischen guten, weil friedlichen, und bösen, weil gewalttätigen, Demonstranten nimmt die Rhein-Neckar-Zeitung gar nicht erst vor, denn die Bekämpfung der AfD solle doch, bitte sehr, der gewählten Vertretung vorbehalten sein. Da jedoch »dem Bundestag der Mumm zum Verbotsantrag fehlt, macht es sich die AfD in der Pose bequem, gegen alles zu sein, Ausländerfeindlichkeit zu zelebrieren – aber nie zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wehrhaft sollte diese Demokratie sein. Ist sie aber nicht.«
Die FAZ übernimmt einfach gleich das Wording des Kanzlers, wonach es sich um eine Auseinandersetzung zwischen ganz links und ganz rechts gehandelt habe. Zu links fällt ihr dann dies ein: »Es ist leider oftmals das Gleiche: Linke Gewalttäter nutzen Demonstrationen, um vor allem Polizisten mit Steinen, Flaschen, Feuerwerkskörpern und anderen Dingen anzugreifen.«
Von dort nur noch ein kleiner Schritt zur raunenden Staatskritik bei der rechtslibertären Welt: Gewalt und dutzendfache Rechtsverstöße bei den Gegnern der AfD, »doch die Demo wurde nicht aufgelöst. Der Staat zeigte sich demonstrativ schwach – oder agierte er sogar als heimlicher Unterstützer? Hat die Kampf-gegen-rechts-Rhetorik zu einer Verharmlosung des Linksextremismus und zur Billigung linksextremer Gewalt geführt?« Facetten des Wahns. (brat)
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