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Aus: Ausgabe vom 28.11.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
Staatsfinanzen

Reichste bleiben unangetastet

Britischer Haushaltsentwurf sieht Mindestlohnerhöhung und Sozialprogramme vor. Geringverdienern drohen trotzdem höhere Abgaben
Von Dieter Reinisch
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Am Mittwoch überbrachte die Finanzministerin den Budgetplan dem Parlament in der traditionellen Schatulle

Richtige Richtung, aber zuwenig und zu spät, ist der Tenor der Reaktionen von parlamentarischen Linken und Gewerkschaften auf den britischen Haushaltsentwurf, den Finanzministerin Rachel Reeves am Mittwoch dem Parlament präsentiert hatte. Zu den angedachten Maßnahmen gehören die Abschaffung der Zwei-Kind-Grenze für Sozialleistungen, höhere Investitionen in das Gesundheitssystem NHS und in Schulen, das Einfrieren der Bahnpreise sowie die Erhöhung des Mindestlohns um 4,1 Prozent für über 21jährige und um 8,5 Prozent für 18- bis 20jährige.

Auf Immobilien mit einem Wert von mehr als zwei Millionen Pfund Sterling wird eine neue Abgabe erhoben, und Vermieter zahlen ab April 2027 zwei Prozent mehr Steuern auf ihre Mieteinnahmen. Diese moderaten Reformen sollen das Steuersystem gerechter gestalten und absichern, erklärte Reeves in ihrer Budgetrede. Unverändert ließ sie jedoch die Einkommensteuerfreigrenzen, was Gering- und Mittelverdiener trifft und faktisch einer »versteckten Steuererhöhung« gleichkommt – entgegen dem Labour-Wahlversprechen, die Steuern nicht zu erhöhen.

Im Haushaltsplan wurden die Einkommensteuergrenzen für weitere drei Jahre eingefroren, was bedeutet, dass sie nicht an die Inflation angepasst werden. So werden im Laufe der Zeit effektiv mehr Menschen in höhere Steuerstufen geraten. Die von der konservativen Vorgängerregierung eingeführte Zwei-Kind-Regelung wird dagegen abgeschafft. Diese erlaubt den Bezug der Sozialhilfe »Universal Credit« nur für die ersten beiden Kinder einer Familie, was die Kinderarmut im ganzen Land verschärft hatte. Diese Grenze wird ab April nächsten Jahres entfallen.

Die britische linke Gruppierung Momentum begrüßte die Abschaffung und bezeichnete sie als »großen Erfolg für die Armutsbekämpfung und als klare Bestätigung für die Labour-Abgeordneten, die letztes Jahr wegen ihrer Abstimmung für die Abschaffung suspendiert wurden«. Der Kovorsitzende Alex Charilaou kritisierte die Finanzministerin jedoch dafür, dass sie die Steuern für Wohlhabende nicht weiter erhöhen will: »Indem wir an einem unnötig restriktiven fiskalischen Rahmen festhalten und uns weigern, radikalere Schritte zur Besteuerung von Vermögen zu unternehmen, ist klar, dass unsere öffentlichen Dienstleistungen weiterhin unterfinanziert bleiben und Millionen Menschen weiterhin unter sinkenden Lebensstandards leiden werden«, erklärte er.

Auch von den beiden Gründern der linken Labour-Abspaltung Your Party kam Kritik. Zarah Sultana erklärte, dass die Abschaffung der Zwei-Kind-Regelung früher hätte kommen müssen. Jeremy Corbyn fasst das Budget mit den Worten zusammen: »Die Reichen werden immer reicher. Die Armen immer ärmer. Nichts wird sich ändern, solange wir keine grundlegende Umverteilung von Reichtum, Eigentum und Macht herbeiführen.«

Weit verbreiteten Anklang fand hingegen die Erhöhung des Mindestlohns. Zufrieden zeigte sich unter anderem der Generalsekretär des Gewerkschaftsverbands TUC, Paul Nowak: »Die Finanzministerin hat für Millionen von Haushalten im ganzen Land, die unter Druck stehen, dringend benötigte Hilfe geleistet und zum Wiederaufbau unserer öffentlichen Dienstleistungen beigetragen.«

Während TUC weiterhin die Nähe zur Labour-Regierung sucht, sind die Teilgewerkschaften kritischer. Die Generalsekretärin der Gewerkschaft des öffentlichen Sektors Unison, Christina McAnea, kritisierte das Einfrieren der Steuerfreibeträge und forderte höhere Steuern für Reiche. Die Fire Brigades Union, die die Feuerwehrleute vertritt, begrüßte zwar »Schritte in die richtige Richtung«. Aber ihr Generalsekretär Steve Wright erklärte, der Haushalt habe weiterhin »erhebliche Lücken, die geschlossen werden müssen, wenn unsere öffentlichen Dienstleistungen wiederaufgebaut werden sollen«.

Besonders harsche Kritik kam vom Vorsitzenden der Grünen, Zack Polanski. Er schrieb auf dem Social-Media-Dienst Bluesky, die 50 reichsten Familien würden genauso viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung: »Genau diese Reichen werden nicht vom Budget belastet.«

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