Auferstanden aus Ruinen
Von Eileen Heerdegen
»Vater, wir danken dir so sehr. Für die Weisheit, die du ihm gegeben hast. Für das Herz, das du ihm gegeben hast für dein Volk« – nein, Ben Fitzgerald dankte Gott nicht für die Existenz von Donald Trump, Lobpreisung und Fürbitten der großen Gemeinde in der ausverkauften Wiener Stadthalle im Juni 2019 galten dem Alt- und bald darauf wieder Neukanzler Sebastian Kurz.
»Awakening Austria« hieß die Gruselshow, und man könnte anfangen, an Gott zu zweifeln, dass er den gesegneten jungen Politiker just im Januar 2020 mit einer zweiten kurzen Kanzlerschaft prüfte, die ausgerechnet mit dem Ausbruch der Coronapandemie zusammenfiel.
Das »teuflische« Virus (Kurz) konnte nicht einmal ER besiegen, aber Anfang April 2020, während des ersten Lockdowns, verhieß seine Predigt immerhin, das Verhalten seiner Schäfchen während der Osterwoche werde entscheidend dafür sein, »ob die Auferstehung, die wir uns alle wünschen, nach Ostern stattfinden kann«.
Tatsächlich ging es in diesen Zeiten, wie wir alle wissen, oder zumindest im nachhinein zugeben sollten, wenig »gottgefällig« zu. Unter der großen, unermüdlich beschworenen Headline »Fürsorge für die Vulnerablen« war sich in Wahrheit jeder selbst der nächste, feierten Denunziation, Kadavergehorsam und Verleumdung fröhliche Urständ.
»Ja, guten Tag, Flatscher hier, Graspoldgasse vierzehn, ich will etwas anzeigen. Und zwar unsere Nachbarin, die Gerda Elwig, die geht dauernd auf die Straße. Die geht aus ihrer Wohnung! Dabei ist doch Quarantäne! Seit zwei ganzen Wochen! Aber die geht hinaus, als wäre nichts. Als hätte die Obrigkeit das nicht verboten. Die nimmt das in Kauf, dass wir alle abkratzen und tot elendig krepieren! Schon wenn ich das seh’, krieg’ ich keine Luft mehr. Die geht auf der Straße hin und wieder her, und wenn man sie fragt, ob sie wieder einkauft, sagt sie, nein, nur spazieren!«
Daniel Kehlmann hat die ersten Szenen seines neuen Stückes »Ostern« unter den frischen Eindrücken der ersten Pandemiemonate geschrieben. Da gibt es das Denunziantenehepaar Flatscher (sehr schön Alexandra Krlsmer und Robert Joseph Bartl), das dann später in einer Talkshow als Impfgegner auftritt, oder den Schriftsteller, der beim Videointerview permanent von seinen Kindern gestört wird – Julian Valerio Rehrl ist dabei als plärrendes Kleinkind genauso umwerfend komisch wie später als Slim-Fit-Kanzler Kurz beim Telefonat mit Markus Söder.
Den Mann, der in Wien Strafe zahlen sollte, weil er allein auf einer Bank ein Buch las, gab es tatsächlich, und auch die Durchsetzung von Anordnungen gegen Menschen mit Zweitwohnsitz: »In Kritzendorf (bei Wien), Niederösterreich, wurde den dortigen Zweitwohnbesitzern einfach das Wasser abgedreht. Die Stadt Klosterneuburg hatte beschlossen, das Wasser nicht aufzudrehen, um in Zeiten der Coronavirus-Krise ›das Pendeln zwischen zwei Wohnsitzen einzudämmen‹, hieß es«, berichtete der Standard am 18. April 2020.
Das alles geschah ohne gesetzliche Grundlage. Jeder, der Machtgelüste verspürte, vom Bürgermeister bis zum einfachen Polizisten, konnte sich mal so richtig dicke tun. Es war eine »Zeitenwende«, denn plötzlich konnte man auch Macht ausüben, wenn man jeden Andersdenkenden, Maßnahmenkritiker jeglicher Couleur, einfach in einen Topf, besser ins gleiche Kröpfchen, warf. Mobbing im Großformat.
Bestgelaunte Hobbyvirologen, die die Vorteile des Homeoffice (Unterhose, obenrum Krawatte für die Zoom-Konferenz) in Social Networks feierten, während diejenigen mit Arbeitsverbot (auftretende Künstler, Friseure etc.) gefälligst kritiklos solidarisch sein sollten. Diskussionskultur? »Schwurbler« ist so schön kurz, bündig, knackig. Und gelernt haben daraus vor allem antidemokratische Elemente, wie man mit Shitstorms die Meinungsfreiheit zu Grabe trägt.
Für mich wäre das ein wichtiges Element eines Pandemiestückes gewesen, aber auch wenn Daniel Kehlmann sich entschlossen hat, den Fokus auf die entlarvend-absurden Verordnungen und Verhaltensweisen zu legen, hätte es hier eine Vielzahl weiterer Beispiele gegeben, die von Monty Python bis Woody Allens »Bananas« alles getoppt haben.
Statt dessen schrieb Kehlmann später einen zweiten Teil, den hauptsächlich Raphael von Bargen, als Schauspieler in Hotelquarantäne, bestreitet. Betitelt als »Auferstehung« und, ehrlich gesagt, eine wirre Geschichte, bei der im Laufe der doch recht lang werdenden Zeit ein paar untote Untote auftreten. Habe ich nicht verstanden, auch Kehlmanns Ausführungen zum Thema Alpträume, asiatische Gruselfilme und David Lynch im Programmheft scheinen mir wenig überzeugend.
Stephanie Mohr inszeniert »Ostern« sehr konventionell, die guten Schauspieler, die zum Teil wirklich lustigen und erinnerungswerten Szenen hätten mehr Tempo und Esprit gebrauchen können.
Nächste Vorstellungen: 22.11., 23.11., 10.12.
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Feuilleton
-
Rein oder raus?
vom 22.11.2025 -
BuNa – Bulletin für irreguläre Nachrichten – Wehrwinter 2025
vom 22.11.2025 -
Vergeltung statt Vergebung
vom 22.11.2025 -
Erdbeernasen in die Politik!
vom 22.11.2025 -
Schwerpunkt Iran: Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg
vom 22.11.2025 -
Nachschlag: Waffenembargo umgangen?
vom 22.11.2025 -
Vorschlag
vom 22.11.2025 -
Veranstaltungen
vom 22.11.2025