Medienschau
Am Sonntag abend erschien Friedrich Merz kurzfristig im ARD-»Bericht aus Berlin«, um die nächste Regierungskrise zu verhindern. Seit seinem Auftritt auf dem Deutschlandtag der Jungen Union am Sonnabend steht aber endgültig fest: Er hat die CDU/CSU-Fraktion nicht im Griff. Die sogenannte Junge Gruppe von 18 Abgeordneten kann bei Ablehnung der Rentengesetze Anfang Dezember die Koalition sprengen. Die AfD steht bereit. Den angeblichen Tabubruch hat Merz bereits im Januar vollzogen, als er einen Beschluss zur Migrationspolitik mit ihrer Hilfe durchsetzte. Seinen Kommentar von damals kann er problemlos wiederholen: »Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen.«
Die FAZ, die in ihrer Sonntagszeitung unter Berufung auf anonyme Unionspolitiker von einem »Plan B« nach dem möglichen Platzen der Koalition berichtet, wiegelte am Montag ab. Reinhard Müller kommentiert den Unmut in der Jungen Union und die Querschüsse gegen Merz von Markus Söder, dem baden-württembergischen CDU-Chef Manuel Hagel und Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche mit großbürgerlichem Zynismus: »Entschieden wird im übrigen im Bundestag. Da kann es durchaus auf junge Abgeordnete ankommen. Die werden freilich nicht nur nach (Renten-)Gewissen entscheiden, sondern etwa auch nach dem persönlichen Fortkommen.« Leute, wollt ihr ewig Hinterbänkler bleiben oder Karriere machen? Ähnlich ans Schlawittchen gehend sind auch Müllers Schlusssätze: »Entfesselung und Zukunftsfähigkeit sind gefragt, nicht Strangulierung und Belastung. Da müssen alle demokratischen Kräfte mitziehen. Die unterscheiden sich von Extremisten nicht zuletzt dadurch, dass sie im Sinne des Gemeinwohls Kompromisse eingehen – jenseits von Alter, Herkunft und Lage.« Wenn die FAZ »demokratische Kräfte« und das »Gemeinwohl«, also die Sicherheit des Eigentums deutscher Milliardäre und Multimillionäre, thematisiert, sollte der politische Nachwuchs aufmerken. Sonst bleibt er ewig Nachwuchs.
Springers Welt setzt ebenfalls auf die Karrieregeilheit der Jungunionler. Ihre Rebellionen gegen Rentenpläne der Mutterparteien hätten »immer etwas von Folklore« gehabt, diesmal aber drohe Merz »die nächste – und wohl schwerste – Regierungskrise«. Die Welt schlägt vor, der Kanzler solle es dem »Agenda-Kanzler« Gerhard Schröder nachmachen und »das gesamte Rentenpaket der Koalition« wieder aufzuschnüren. Da kommt die SPD gar nicht erst vor. Vor deren Verabschiedung in die Opposition scheuen die Lautverstärker des deutschen Kapitals aber noch zurück. (as)
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