Für vier zu »radikal«
Von Kristian Stemmler
In Brandenburg ist der Streit um zwei Medienstaatsverträge in der BSW-Fraktion eskaliert und hat die Regierungskoalition aus SPD und BSW in Mitleidenschaft gezogen. Vier Landtagsabgeordnete – die Ärztin Jouleen Gruhn, die Diplom-Psychologin Melanie Matzies, der Arbeitsrichter André von Ossowski und der Theaterregisseur Reinhard Simon – erklärten am Dienstag abend ihren Austritt aus dem BSW. Sie wollen aber als Parteilose in der BSW-Landtagsfraktion bleiben und bekennen sich zur Fortsetzung des Regierungsbündnisses, wie der Tagesspiegel berichtete. Die Koalition hat im Landtag nur eine Mehrheit von zwei Stimmen. Die Staatsverträge, bei denen es um bedeutende Streichungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) und um Jugendschutz geht, werden von der Mehrheit der BSW-Fraktion im Gegensatz zur SPD abgelehnt.
In einem Schreiben beklagen die vier Abgeordneten, dass »autoritäre Tendenzen« zunehmend das innerparteiliche Klima im BSW prägten. Der Druck auf Abgeordnete wachse, »während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten«, heißt es weiter. Es dominierten »radikalisierte Positionen«. Vor ihrem Austritt hatten die vier in einer Fraktionssitzung einen Misstrauensantrag gegen den Fraktionsvorstand um den Vorsitzenden Niels-Olaf Lüders eingebracht. Dieser wurde mit einer mangelhaften Kommunikation der Fraktionsspitze über die geplante Ablehnung der Staatsverträge begründet.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wollte von einer Krise nichts wissen. »Die Koalition steht«, sagte er am Mittwoch gegenüber dpa. Die Diskussionen im BSW hätten »mit der Koalition nichts zu tun«. Ähnlich hatte sich die BSW-Landesvorsitzende Friederike Benda am Dienstag abend in einer Erklärung geäußert. Sie wolle mit allen Beteiligten ins Gespräch gehen. Ein Ende der Koalition habe nie zur Debatte gestanden.
Lüders kommentierte die Austritte gegenüber der Märkischen Allgemeinen mit den Worten: »Wir haben Diskussionen, die durchaus auch heftig sind, aber wir sind deshalb nicht gespalten.« Die BSW-Gründerin und Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte die vier Abgeordneten in der ARD-Sendung »Maischberger«. Diese hätten im Wissen um die Positionen der Partei kandidiert und den Menschen versprochen, diese Positionen mitzuvertreten.
Auslöser der Austritte war der Streit um die beiden Medienstaatsverträge, über die in einer Woche im Landtag abgestimmt werden soll. Der eine Vertrag betrifft den Jugendmedienschutz, beim zweiten handelt es sich um den sogenannten Reformstaatsvertrag, der vor mehr als einem Jahr von den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen wurde. Dieser soll den ÖRR »moderner und schlanker« machen, was vor allem Kürzungen und Streichungen bedeutet. Bis Ende November müssen die Verträge von allen 16 Länderparlamenten ratifiziert werden. Dafür fehlt nur noch die Zustimmung von Brandenburg und Niedersachsen.
In der BSW-Fraktion hatte sich eine Mehrheit frühzeitig gegen eine Zustimmung zu den Verträgen positioniert, weil ihr die Reform nicht weit genug geht. Finanzminister Robert Crumbach (BSW) hatte mit dem Kabinett im Frühjahr den Verträgen aber zugestimmt. Der BSW-Bundesvorstand hatte diese wiederum Anfang November abgelehnt. Am Sonntag hatte sich eine Lösung des Konflikts abgezeichnet. Nach Informationen von dpa soll das BSW der SPD zugesagt haben, die Staatsverträge im Hauptausschuss des Landtags nicht zu blockieren.
Das besprochene Vorgehen wurde am Mittwoch vormittag im Hauptausschuss umgesetzt. Lüders stimmte gegen die Staatsverträge, Crumbach aber dafür, so dass es mit den CDU-Stimmen zur Mehrheit reichte. Zuvor hatte Lüders kritisiert, das BSW werde im ÖRR »nicht unbedingt fair behandelt«. Der »Reformstaatsvertrag« sei tatsächlich nur ein »Reförmchen«, der kein Schritt nach vorn sei, was die Inhalte angehe.
Bei der Abstimmung über die Staatsverträge in einer Woche dürfte der Großteil der BSW-Fraktion mit Nein stimmen. Die erforderliche Mehrheit für eine Zustimmung dürfte mit den Stimmen der CDU und von Crumbach aber dennoch gesichert sein.
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