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Aus: Ausgabe vom 12.11.2025, Seite 3 / Kapital & Arbeit
Waffen aus Bayern

Warum gibt es in Bayern so viele Rüstungsfirmen?

Die Gewinnstrategie der Waffenschmieden geht nur auf, wenn mit Krieg für dauernde Nachfrage gesorgt wird, warnt Peter Kraft
Interview: Hendrik Pachinger
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Seit Oktober 2023 der zweite Vorsitzende der IG Metall: Jürgen Kerner (Duisburg, 29.10.2021)

In einer der letzten Ausgaben Ihrer Zeitschrift Auf Draht vergleichen Sie die rund um München aus dem Boden schießenden Rüstungsbetriebe mit Pilzen. Tatsächlich wächst da rund um die Landeshauptstadt ein ganzes Geflecht von neuen oder expandierenden Rüstungsfirmen. Warum gerade München?

Das Myzel geht bis ins Finanzkapital, ist aber wie das botanische Pilzgeflecht unsichtbar. Die Staatskanzlei ist Drehscheibe für die Bayerische Landesbank, die Risikokapital an die Startups verteilt. Unter der Fuchtel von Franz Josef Strauß wurde Bayern zu einem Rüstungszentrum. In den 1960ern wurde so die Industrialisierung Bayerns nachgeholt. Gute Voraussetzungen boten Münchens traditionelle Industrien wie Lokomotivbau – Krauss-Maffei, Feinmechanik – Rodenstock, Funktechnik – Rohde & Schwarz, Motorenbau – BMW. Siemens hatte auf der Flucht vor der Roten Armee 1945 seine Zentrale in München angesiedelt. Parole war: Elektronik statt Panzerplatten. Rhein und Ruhr hatten ausgedient. Das Kapital traf auf eine gut ausgebildete Arbeiterklasse. Für Ruhe und Ordnung sorgte die Staatspartei CSU.

In Ihrer Artikelreihe stellen Sie diverse Rüstungsbetriebe vor. Dies betrifft bekannte Unternehmen, aber auch viele bislang eher unbekannte Startups. Woher kommen die Informationen, was die Unternehmen so treiben? Viele Unternehmen sind ja eher zurückhaltend mit öffentlichen Bekenntnissen zur Aufrüstung.

Reihenweise Auftritte von CSU-Chef Markus Söder in Kriegsbuden machen die Aufrüstung bekannt und populär wie Jahrmarktseröffnungen. Corporate Identity ist jedes Mal: Wir verteidigen Freiheit und Sicherheit! Das Monopolkapital ist zwar dumm wie Brot. Aber es gibt ja – frei nach Brecht – jede Menge erfinderischer Zwerge, die man für jeden Zweck mieten und pampern kann. Hensoldt in München wird bereits mit zehn Milliarden Euro bewertet. Outdoorbuden werben mit dem Kampfeinsatz ihrer Produkte, wie Lowa, Goretex, Schuster. Und die sogenannten Qualitätsmedien begleiten das alles mit Begeisterung und vielen Details.

Die Konversion von ziviler zu Rüstungsproduktion schreitet voran. Das macht natürlich auch nicht vor der IG Metall halt, die in den meisten der Unternehmen präsent ist. Wie nehmen Sie die Stimmung dort wahr?

Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner, ist als Rüstungslobbyist der Mann fürs Grobe. Er ist vernetzt durch Sitze in wichtigen Aufsichtsräten und wirkt in die Betriebsräte der Metallbuden hinein. Die kämpfen um die Arbeitsplätze und greifen nach jedem Strohhalm. Christiane Benner, die erste Vorsitzende, tritt auf für Standortpolitik, Investitionen in Infrastruktur. Die Stimmung im Betrieb? Angst um den Arbeitsplatz. Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

Vielerorts wird die Konversion der Industrie von den Gewerkschaften als Chance begrüßt, die von Krisen betroffene Branchen stabilisieren kann. Das halten Sie für einen Trugschluss. Wieso?

Panzer sind nicht konsumierbar, aber das Geld für Kitas ist weg. Industriearbeitsplätze werden vernichtet für noch mehr Rüstung. Die Gewinnstrategie geht nur auf, wenn für dauernde Nachfrage gesorgt wird, durch Krieg.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Arbeiter über die Kurzsichtigkeit dieser Entscheidungen aufzuklären?

Durch Wirken in Bündnissen wie »Soziales rauf – Rüstung runter!« in München, vor allem in Verdi und GEW. Zahlreiche Anträge und Beschlüsse auf Gewerkschaftstagen zeigen den Willen zu Abrüstung. Die wichtige IG Metall, die durch ihre Streikfähigkeit gehörig Sand ins Getriebe der Kriegswirtschaft streuen könnte, duckt sich weg. Tarifkämpfe müssen genutzt werden, denn an den steigenden Lebenskosten kann sichtbar gemacht werden: Jeder Euro, den die Kollegen nicht erkämpfen, geht in die Rüstung.

Ist spürbarer Widerstand gegen diese Pläne in den Belegschaften, ihren Betriebsräten oder Gewerkschaften erkennbar?

Bei den Friedensdemos am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart waren erstaunlich viele gewerkschaftliche Gruppen mit Transparenten und Fahnen dabei, auch Metaller! So muss es weitergehen.

Peter Kraft schreibt für Auf Draht, die Betriebszeitung der DKP München und der Gruppe KAZ München

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