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Aus: Ausgabe vom 05.09.2025, Seite 1 / Titel
Krise

Rüstung keine Lösung

Bundeskanzler Merz kündigt Gipfel für Auto- und Stahlindustrie an. IG Metall beteiligt sich an Debatte zur Beschleunigung der Kriegsindustrie
Von Susanne Knütter
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Auch eine Möglichkeit für das bedrohte VW-Werk in Osnabrück

Die Marktkonkurrenz bei E-Autos und Stahl ist riesig. Produzenten in der BRD unterliegen bei beidem. Zwei Gipfel sollen die Auto- und Stahlindustrie wieder konkurrenzfähig machen. »Wir kommen aus einer Zeit, in der die Industrieposition eigentlich nicht wahrgenommen wurde«, behauptete BMW-Chef Oliver Zipse zur Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag. Einen »Rückzug der Politik aus den Marktmechanismen« forderte er dennoch. Die »Toppriorität« seien »die wirtschaftliche Stärke dieses Landes und die Sicherheit von Arbeitsplätzen«, meinte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), während CSU-Chef Markus Söder sagte, worum es wirklich geht: Man sei nicht bereit, den Chinesen den Markt zu überlassen.

Die Zukunft der BRD-Industrie diskutierte auch die Handelsblatt-Konferenz »Wirtschaftsfaktor Rüstung« zum Wochenbeginn. Dem resümierenden Artikel des Düsseldorfer Blatts zufolge ist deren Teilnehmern längst klar, was künftig Deutschlands Schlüsselindustrie sein wird: Rüstung. Der vorgeschobene Grund: Deutschland übernehme »jetzt politische und militärische Verantwortung für den Schutz Europas«. Der tatsächliche Grund: »Deutschland wird sein Verteidigungsbudget in den kommenden Jahren fast verdreifachen.«

So ließ das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr verlauten, was es unternimmt, damit die Bundeswehr »2029 voll einsatzbereit« ist: etwa einen Großteil des jetzt bestellten Materials bis 2028 auszuliefern. Rechtliche Hürden baue die Behörde ab, um den Zugang zu erleichtern, erklärte ihre Chefin Annette Lehnigk-Emden. Rheinmetall-Chef Armin Papperger kündigte eine teilweise Verzehnfachung der Produktion in seiner Rüstungsschmiede an. Auch der Mittelstand mache sich auf den Weg, so die Mittelstandsbeauftragte des Bundesverbands der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Cathrin Wilhelm. Die Autozulieferer sowieso. Den Satz »Jeder Krieg ist eine Innovationsmaschine« durfte diesmal Matthias Puschnig sagen, Chef des Sonderstabs Ukraine im Verteidigungsministerium.

Mittendrin war Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall. »Es gibt ein VW-Werk in Niedersachsen, wo sich VW auch eine militärische Auslastung vorstellen kann«, zitierte ihn das Handelsblatt. Zur umgekehrten Konversion, wie im Falle von Alstom in Görlitz, sagte er, »viele Unternehmer unterschätzen die notwendigen militärischen Zertifizierungen«. Soll das gut sein? Oder schlecht? Auf jW-Anfrage konkretisierte Kerner: »Eine Umstellung im großen Stil ist nicht realistisch und keine Lösung für die Probleme am Arbeitsmarkt.« Die Gründe dafür seien vielfältig. Einer davon sei der anspruchsvolle Prozess der Zertifizierung, um im Bereich der Rüstungsindustrie tätig sein zu dürfen. »Die IG Metall warnt davor, jetzt alle Hoffnung auf die wehrtechnische Industrie zu setzen«, so Kerner weiter.

IG-Metall-Mitglieder und die Gruppe »Sagt nein – Gewerkschafter gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden« protestierten gegen die Gewerkschaftsbeteiligung auf der Rüstungskonferenz, die ausgerechnet am Antikriegstag begonnen hatte. Es sei satzungsgemäßer Auftrag der IG Metall, die Kollegen in der Branche zu vertreten, meinte Kerner. Die Gewerkschaft müsse sich »in Diskussionen wie diese einbringen«. Trotz des Aufwuchses der Rüstungsindustrie »bleibt für uns als IG Metall das Ziel von Frieden und Verhinderung von Kriegen Satzungsauftrag«, so Kerner. Bloß: Was tut die IG Metall aktiv dafür?

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