Auf Freiheit folgte Krieg
Von Christian Selz, Kapstadt
Am 11. November feiert Angola den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von portugiesischer Kolonialherrschaft. Mehr als die Hälfte dieser Zeit erschütterte ein Krieg das Land im Südwesten Afrikas, der zwar seine Wurzeln in der Zeit des Befreiungskampfs hat, aber maßgeblich durch das US-Außenministerium angezettelt worden war. Das revolutionäre Angola, das während des Krieges nur durch den Einsatz Kubas, der Sowjetunion und der DDR gerettet wurde, versank nach Kriegsende 2002 in einer Kleptokratie. Geblieben ist ein Land, in dessen Hauptstadt Luanda eine kleine Elite obszönen Reichtum zur Schau stellt, während gut die Hälfte der Gesamtbevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt.
Als zahlreiche afrikanische Staaten um 1960 unabhängig wurden, hielt die portugiesische Diktatur unter António Salazar an ihren Kolonien fest. Die angolanischen Befreiungsbewegungen antworteten mit der Aufnahme eines bewaffneten Kampfes, der für Lissabon teuer wurde und die Unzufriedenheit der vom faschistischen Regime in bitterer Armut gehaltenen portugiesischen Bevölkerung weiter steigerte. Die Kolonialkriege waren schließlich auch ein Auslöser der Nelkenrevolution 1974, in deren Folge die Kolonien in die Freiheit entlassen wurden.
In Angola wurde der Kampf im wesentlichen von drei Bewegungen getragen. Die Frente Nacional de Libertação de Angola (FNLA, Nationale Front zur Befreiung Angolas) hatte unter den Bakongo im Nordwesten des Landes ihren größten Rückhalt. Eine Abspaltung, die 1966 gegründete União Nacional para a Independência Total de Angola (UNITA, Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas) unter dem »Außenminister« einer in den frühen 1960ern ausgerufenen Exilregierung der FNLA, Jonas Savimbi, beschränkte ihren antikolonialen Kampf auf das zentrale Hochland. Wichtigste Formation des Befreiungskriegs war die marxistische Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA, Volksbewegung zur Befreiung Angolas), die bis heute die Regierung stellt.
Apartheidregime greift an
Nach der Nelkenrevolution kam es unter den Befreiungsbewegungen zum Konflikt um die Vorherrschaft in Angola. Die FNLA und vor allem die UNITA, die schon 1970 ein geheimes Kollaborationsabkommen mit der portugiesischen Diktatur unterzeichnet hatte, orientierten sich dabei prowestlich. Die MPLA hatte den mit Abstand größten Rückhalt in der Bevölkerung. Die USA unter dem damaligen Außenminister Henry Kissinger stützten die FNLA und die UNITA mit großen Mengen an Kriegsgerät, um sie gegen die MPLA in Stellung zu bringen. Washington kooperierte dazu mit dem Apartheidregime in Südafrika. Die MPLA wandte sich an die Sowjetunion, die ihr schließlich als Reaktion auf die Aufrüstung der prowestlichen Milizen ihrerseits Militärgerät zur Verfügung stellte. Auch die DDR beteiligte sich mit ziviler und militärischer Hilfe.
Im Oktober 1975 marschierte Südafrika mit seiner Armee in einer großangelegten Offensive in Angola ein. Unterstützt wurden die Truppen Pretorias von der FNLA und der UNITA sowie durch Einheiten des kongolesischen Diktators Mobutu Sese Seko und den US-Auslandsgeheimdienst. Moskau hatte sich derweil auf den Standpunkt festgelegt, vor der offiziellen Unabhängigkeit Angolas kein Personal zu entsenden und auch keine Luftunterstützung zu leisten. Als die Invasionstruppen schließlich kurz vor der Hauptstadt Luanda standen, in der die MPLA nach wie vor starken Rückhalt in der Bevölkerung hatte, antwortete Kuba auf die angolanischen Bitten um Unterstützung. Ende Oktober kämpften die ersten Kubaner auf seiten der MPLA, die am 10. November in der Schlacht um Luanda die Kapitale erfolgreich verteidigte. Am nächsten Tag folgte die Unabhängigkeitserklärung; die MPLA rief die Volksrepublik Angola aus.
Bis zum Januar des Folgejahres trafen mit sowjetischer Hilfe 12.000 kubanische Soldaten in Angola ein. Auf der Gegenseite kämpften Tausende südafrikanische Militärs sowie Hunderte europäische Söldner, darunter zahlreiche Portugiesen, die von der CIA angeheuert worden waren. Im November 1976 deckte schließlich der Journalist Seymour Hersh das verdeckte Eingreifen der US-Regierung sowie deren Kooperation mit Apartheid-Südafrika auf. Unter dem Druck des US-Kongresses war Präsident Gerald Ford dann gezwungen, das Eingreifen gegen Angola zu beenden. In der Folge zogen sich auch die Südafrikaner aus dem Land zurück.
Zäher Befreiungskampf
Den angolanischen Truppen gelang es in der Folge, FNLA und UNITA stark zurückzudrängen, vor allem letztere verschwand aber nie ganz. Mitte der 1980er Jahre nahm die Miliz ihren Kampf gegen die MPLA-Regierung wieder auf. 1985 brachte Ronald Reagan den US-Kongress gar zur Rücknahme des Gesetzes, das die Unterstützung der UNITA untersagte. Ab 1986 lieferte Washington wieder Kriegsgerät an die Mordbande Savimbis, dem neben dem Handel mit Blutdiamanten auch der Einsatz von Kindersoldaten nachgesagt wurde. Auch Südafrika griff wieder im Süden Angolas an, wohin sich nun auch die namibische Befreiungsbewegung SWAPO zurückgezogen hatte. Die ehemalige deutsche Kolonie Südwestafrika hielt Pretoria seinerzeit völkerrechtswidrig besetzt. Den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß hielt das alles einem Bericht des Spiegels zufolge aber nicht davon ab, Anfang 1988 auf der namibischen Farm eines bayerischen Landsmanns eine Antilopenjagd mit Savimbi und dem südafrikanischen Außenminister Roelof Frederik »Pik« Botha abzuhalten.
Die Front brach jedoch bald zusammen. Im März 1988 vertrieben MPLA und kubanische Truppen die Schergen des südafrikanischen Rassistenregimes in der Schlacht um Cuito Cuanavale aus Angola. Die Verluste an der Front hatten Pretoria auch in der eigenen weißen Bevölkerung stärkeren Gegenwind beschert. Der Rückzug aus Angola wurde zum Anfang vom Ende des Apartheidstaates. Namibia feierte 1990 seine Unabhängigkeit und Südafrika wählte mit Nelson Mandela 1994 seinen ersten demokratischen Präsidenten. In Angola allerdings dauerten die Attacken der UNITA noch bis zur Tötung Savimbis im Jahr 2002 an.
Zahlreiche Landminen erschwerten in der Folge den Wiederaufbau. Die jahrzehntelange Kriegswirtschaft begünstigte zudem das Erstarken von Autokratie und Vetternwirtschaft. Der amtierende Präsident João Manuel Gonçalves Lourenço, der 2017 den Langzeitstaatschef José Eduardo dos Santos ablöste, schrieb sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen und schreckte dabei auch nicht vor juristischer Verfolgung der Familie seines Vorgängers zurück. Kritiker werfen ihm heute jedoch vor, inzwischen ein eigenes Firmengeflecht aufgebaut zu haben, das von Staatsaufträgen profitiert.
Gemeinsam gegen die Imperialisten
Die Imperialisten wollen uns daran hindern, unseren angolanischen Brüdern zu helfen. Aber wir müssen die Yankees daran erinnern, dass wir eine lateinamerikanische Nation und auch eine lateinafrikanische Nation sind. Afrikanisches Blut fließt frei durch unsere Venen. Viele unserer Vorfahren sind als Sklaven aus Afrika in dieses Land gekommen. (…) Sie haben als Angehörige der Befreiungsarmee Kubas gekämpft. Wir sind Brüder und Schwestern der Menschen in Afrika, und wir sind bereit, für sie zu kämpfen!
Rassistische Diskriminierung hat in unserem Land existiert. (…) Gibt es jemanden, der sich nicht daran erinnert, dass die Nachfahren von Afrikanern keinen Zutritt zu vielen Orten hatten, zu Freizeiteinrichtungen und zu Schulen? (…) Und heute, wer sind die Repräsentanten, die Symbole der am meisten hasserfüllten und unmenschlichen Form rassistischer Diskriminierung? Die südafrikanischen Faschisten und Rassisten. Und der Yankee-Imperialismus hat ohne jeden Skrupel die südafrikanischen Söldnertruppen in Stellung gebracht, im Versuch, die Unabhängigkeit Angolas zu zerschlagen. Und jetzt sind sie entsetzt über unsere Hilfe für Angola, unsere Unterstützung für Afrika und unsere Verteidigung Afrikas. Aufgrund unserer Pflichten, die in unseren Prinzipien, unserer Ideologie, unseren Überzeugungen und nicht zuletzt unserem eigenen Blut verwurzelt sind, werden wir Angola und Afrika verteidigen!
Auszug aus einer Rede Fidel Castros zum 1. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas 1975, Übersetzung: Christian Selz
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