Preisträger des Südens
Von Dieter Reinisch
Seit 1995 verleiht der Europarat den »Nord-Süd-Preis« an je einen Kandidaten aus dem globalen Norden und dem globalen Süden. Im kommenden Jahr wird der palästinensische Journalist Rami Abou Jamous den Preis in der Kategorie Süden erhalten, wie die junge Welt vorab erfuhr.
Am 29. Oktober wurden die Preisträger für das Vorjahr 2024 in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon geehrt. Die beiden »Nord-Süd-Preise« wurden an Miguel Ángel Moratinos, UN-Untergeneralsekretär und Hoher Repräsentant der Allianz der Zivilisationen der Vereinten Nationen, sowie an eine Initiative verliehen, die es Flüchtlingen ermöglicht, an den Olympischen und Paralympischen Spielen teilzunehmen. Vergeben werden die Preise vom Europäischen Zentrum für globale Interdependenz und Solidarität, auch Nord-Süd-Zentrum des Europarats genannt. Es wurde 1990 als unabhängige Institution innerhalb des Rats gegründet und hat seinen Sitz in Lissabon.
Kandidaten können für drei Kategorien – Nord, Süd und global – nominiert werden. Schon vor der Verleihung der Preise für 2024 traf sich das Auswahlkomitee, um die Empfänger für 2025 zu beschließen. Auf Vorschlag von Stefan Schennach, ehemaliges Mitglied des Europarats, wählte das Gremium nach zwei Wahlgängen Abou Jamous. Er setzte sich gegen einen Pool von 28 Kandidaten durch, berichtet Schennach im jW-Gespräch. Die Tangiers Group, eine Vereinigung von Universitäten aus dem mediterranen Raum, hatte Jamous nominiert. Schennach, bis Frühjahr 2025 SPÖ-Bundesratsmitglied und Präsident der Österreichisch-Algerischen Gesellschaft, brachte die Kandidatur schließlich in der Auswahlsitzung ein.
Abou Jamous wurde 1978 in Beirut geboren. Sein Vater war der Journalist Walid Abou Jamous aus Gaza. Nach dem Oslo-Abkommen kehrte sein Vater Mitte der 1990er Jahre nach Gaza zurück. Der Sohn folgte ihm nach seinem Studium in Frankreich. Nachdem er zunächst als Vermittler für ausländische Korrespondenten gearbeitet hatte, gründete Abou Jamous mit seinem Kollegen Bidal Jadallah die Agentur Gaza Press, die als Informationszentrum für westliche Journalisten in Gaza fungiert. Jadallah wurde am 19. November 2023 durch einen Angriff der israelischen Armee getötet. In der bisher unveröffentlichten Begründung des Europarats, die jW vorliegt, heißt es: »Abou Jamous ist ein palästinensischer Kriegskorrespondent in Gaza, dessen Journalismus nicht nur Pressefreiheit in äußerst schwierigen Umständen verbessert, sondern auch den Dialog und das Verständnis zwischen dem Norden und dem Süden gestärkt hat.«
Abou Jamous arbeitet derzeit auch als Kolumnist für Orient XXI. Die Vergabe des Preises solle nicht nur die »herausragende Arbeit« des Journalisten ehren, sondern dem Europarat »die Möglichkeit geben, durch den Preis auf die erschreckenden Umstände in Gaza aufmerksam zu machen«. Der Preis soll über 250 ermordete Journalisten dort gleichsam ehren, heißt es in der schriftlichen Begründung weiter.
Schennach begründete im jW-Gespräch seine Nominierung für Abou Jamous damit, dass es »überzeugend war, dass er über zehn Jahre unter Einsatz seines Lebens in einem Krisen- und Kriegsgebiet arbeitete«. Besonders hervorzuheben sei, dass er im Rahmen des Gaza Press-Zentrums versuchte, »halbwegs sichere Arbeitsbedingungen für Frauen zu ermöglichen«, so der Abgeordnete. Im Zentrum von Gaza Press erhalten weibliche Journalistinnen Unterkunft und logistische Unterstützung. Schennach betonte ebenso, der Preis werde »stellvertretend für alle ermordeten Journalisten in Gaza und für alle Journalisten vergeben, die uns trotz der lebensgefährlichen Bedingungen mit Nachrichten beliefert haben«. Die Preisverleihung soll im kommenden Mai in Portugal stattfinden.
Neben dem palästinensischen Journalisten wird es mit Bragi Guðbrandsson einen zweiten Preisträger geben, der in der Kategorie »Norden« ausgezeichnet wird. Der Isländer ist Mitglied des UN-Komitees für Kinderrechte. Er wurde vom Kinderrechtekomitee des Europarats nominiert. Guðbrandsson begründete das isländische »Barnahus«, ein Modell zum pädagogischen Umgang mit Kindern, die Gewalt erlebt haben.
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